Interview zur Bürgermeisterwahl

Ilvesheimer Kandidat Haug: "Beim Klimaschutz fehlt ein Gesamtkonzept"

Michael Haug will Bürgermeister von Ilvesheim werden. Im Interview mit dem „MM“ kritisiert er, dass viele Dinge zwar beschlossen aber nicht umgesetzt würden

Von 
Torsten Gertkemper-Besse
Lesedauer: 
Michael Haug findet, dass Ilvesheim beim Klimaschutz derzeit „nicht allzu ehrgeizig“ aufgestellt sei. © Marcus Schwetasch

Herr Haug, warum wollen Sie Bürgermeister werden?

Michael Haug: Wir haben im Gemeinderat so einiges erarbeitet, wovon aber vieles nicht umgesetzt ist. Das frustriert mich ungemein. Ich bin seit 2014 im Gemeinderat, mittlerweile Fraktionsvorsitzender und auch stellvertretender Bürgermeister. Schon seit 2015 gibt es ein Klimaschutzkonzept, seit 2017 sind jedes Jahr Investitionen in Spielplätze in der Haushaltsplanung, es gibt Beschlüsse für ein Radwegekonzept sowie für ein Stromtankstellennetz und die Friedhöfe. All das wurde nicht umgesetzt. Wir haben auch einen Grundsatzbeschluss zum Kombibad. Den halte ich nicht für richtig, aber er ist gefällt. Ich will die Themen anpacken und sehe darin meine Verantwortung als Bürgermeister. Es muss Bewegung hineinkommen.

Lokales

Ilvesheimer Bürgermeister-Kandidaten im Video: Michael Haug

Veröffentlicht
Laufzeit
Mehr erfahren

Sie sind doch schon lange im Gemeinderat, hatten Sie da nicht auch schon Gelegenheit etwas zu bewegen?

Haug: Ich sehe den Bürgermeister in der Verantwortung, die Beschlüsse umzusetzen. Beim Klimaschutzkonzept hat der Gemeinderat seine Aufgabe erledigt. Es ist die Aufgabe des Bürgermeisters, das umzusetzen - also zum Beispiel, einen jährlichen Energiebericht zu liefern, einen Klimaschutzbeauftragten zu ernennen und jährlich 2,5 Prozent Energie einzusparen.

Sie sind bereits seit Längerem im Gemeinderat involviert, ein Vor- oder ein Nachteil?

Haug: Ich sehe das als großen Vorteil, denn ich habe bereits ein Bild davon, wie Entscheidungsprozesse ablaufen und wie die kommunalpolitischen Akteure ticken.

Sie sind 49 Jahre alt, ist das zu alt oder zu jung?

Haug: Es ist ein gutes Alter, weil man noch frisch genug ist, etwas Neues anzufangen zugleich aber auch auf Erfahrungen zurückgreifen kann.

Kommen wir als erstes zum Thema Wohnungsbau. Hier wurde in einer Klausurtagung, an der Sie nicht teilgenommen haben, ein Kommuniqué vereinbart, das die Bebauung von gewissen Flächen in bestimmten Zeiträumen vorsieht. Wie stehen Sie dazu?

Haug: Das sind zu viele Flächen, die zu schnell beplant werden. Ilvesheim ist heute schon die am dichtesten bebaute Gemeinde im Rhein-Neckar-Kreis - gesehen auf die Gesamtgemarkung. In der Sichelkrümme, gegenüber dem Friedhof-Nord Richtung Autobahn, herrschen schwierige Bedingungen. Hier laufen zum Beispiel Stromleitungen über das Grundstück. Die Erfahrungen mit den Häusern in der Mozartstraße haben gezeigt, dass sich der Netzbetreiber sehr schwer tut, da einer Bebauung zuzustimmen.

Mehr zum Thema

Porträt

Ilvesheimer Bürgermeister-Kandidat Michael Haug - ein Zahlenkenner mit politischer Ader

Veröffentlicht
Von
Torsten Gertkemper-Besse
Mehr erfahren
Kommunalwahl

Ilvesheimer Wahlforum des "MM": Bei diesem Thema wurde es unruhig in der Halle

Veröffentlicht
Von
Peter Jaschke
Mehr erfahren

Es gibt neben der Sichelkrümme noch weitere Gebiete, wie zum Beispiel das in der Kanzelbachstraße.

Haug: Hier könnte durchaus etwas entstehen. Aber das muss man gut vorbereiten. Aktuell ist die Zukunft des dortigen Jugendzentrums nicht geklärt. Es ist nicht gut, wenn die Akteure in der Luft hängen. Als problematisch sehe ich auch das Gelände, wo sich aktuell Hallenbad und Tennisclub befinden. Der Tennisverein könnte jetzt bereits mehr Plätze füllen als sie haben. Wenn wir ihm dann für Wohnbebauung noch welche wegnehmen, müssen die Spielzeiten eingeschränkt werden - auch wegen der Lärmkulisse, die die Anwohner früher oder später stören wird. Das Ergebnis wäre, dass wir deutlich mehr Einwohner haben, aber weniger Freizeitangebote.

Aber muss Ilvesheim im Kampf gegen die Wohnungsnot nicht auch seinen Beitrag leisten?

Haug: Wir können schon etwas tun, wir können die Wohnungsprobleme aber nicht alleine lösen. An der aktuellen Situation stört mich, dass es ungeschickt angegangen wird. Im Haushalt stehen schon Erträge aus Grundstücksverkäufen. Der Tennisclub befindet sich heute auf Teilen dieser Grundstücke und wurde davon überrascht. Und bei der Sichelkrümme sagen auch Experten, mit denen ich sprach, dass die eingeplanten Erlöse nicht realistisch sind. Mit dem geplanten sozialen Wohnungsbau kann man nicht so viel Geld einnehmen.

Und es ist für Sie nicht vorstellbar, dass die Gemeinde bewusst auf Geld verzichtet, weil sozialer Wohnungsbau ein politisch gewolltes Ziel ist?

Haug: Das kann man machen, aber dann muss man auch mit den Erwartungen heruntergehen - und in den Haushaltsplan keine Summen hineinschreiben, die man mit diesem Vorhaben nicht wird erzielen können.

Kommen wir zum Kombibad. Sie sind ein Gegner des Vorhabens. Wie werden Sie als Bürgermeister zu dem Projekt stehen?

Haug: Ich habe die Aufgabe Entscheidungen voranzutreiben , unabhängig davon, ob ich sie gut finde oder nicht. Das ist meine Aufgabe. Persönlich bin ich für ein Freibad und werde auch entsprechend abstimmen. Wenn aber der Gemeinderat sagt, „ein Kombibad ist gut wir machen das“, dann werde ich das akzeptieren. Das Bad wird immer teurer, weil wir es liegenlassen. Mich ärgert, dass wir nicht endgültig entscheiden, wann wir bauen oder ob nicht.

Michael Haug

Alter: 49 Jahre

Beruf/Ausbildung: Bankbetriebswirt, tätig im Vermögensmanagement der Sparkasse RN-Nord

Ehrenamt: ehrenamtl. Richter, Kassenwart Partnerschaftsverein Ilv.-Chécy, Vorstandsmitglied bei Verdi Rhein-Neckar

Partei: Grüne

Homepage: michael-haug.info

Telefon: 0621/484 20 10

Mail: mail@michael-haug.info

Wie werden Sie diesbezüglich vorgehen, wenn Sie Bürgermeister werden?

Haug: Der Rat soll die Entscheidung für Freibad oder Kombibad treffen. Danach gehen wir zum Kommunalrechtsamt, lassen prüfen, ob man die Finanzierung genehmigt und setzen es um.

Aber es gibt doch schon einen Gemeinderatsbeschluss und einen Bürgerentscheid für das Kombibad, beide aus 2015.

Haug: Der Ratsbeschluss 2015 war ein Grundsatzbeschluss, die Initiatoren des Bürgerentscheids hatten das Ziel, diesen aufzuheben, was gescheitert ist. Wir werden so oder so weitere Beschlüsse brauchen, zum Beispiel wenn wir ausschreiben und ins Konkrete gehen. Ich halte es für wichtig, auch noch einmal das Freibad zu diskutieren. Dies ist im Rat nie ernsthaft passiert.

Auch das Freibad wird es nicht zum Nulltarif geben.

Haug: Das stimmt. Studien aus der Zeit vor der Kombibad-Entscheidung haben gezeigt, dass ein Freibad nur etwa die Hälfte kostet. Die Hauptvorteile sind aber nicht finanzieller Art. Das Freibad ist das traditionelle Bad in Ilvesheim. Es ist identitätsstiftend, das kann ein Hallenbad nicht leisten. Im Freibad hat man seine Jugend verbracht, seine Freundin oder seinen Freund kennengelernt, es war ein echter Treffpunkt. Ob Schulschwimmen im Hallenbad besser möglich ist, wage ich auch zu bezweifeln. Der Weg von der Schule ins Schlossfeld ist doch recht weit. Auch Schulschwimmen im Sommer, zum Beispiel en bloc, halte ich für möglich. Hier wird man auf jeden Fall eine Lösung finden können.

Ähnlich kontrovers wird in Ilvesheim auch jedes Jahr der Haushalt diskutiert. Wie sehen Sie diesen aufgestellt?

Haug: Das kommt drauf an, wie wir uns verhalten. Wir können ihn tragfähig halten. Spannend wird dabei die Frage, welche Infrastruktur wir haben wollen und wie viel wir uns dauerhaft leisten können. Wir müssen die Infrastruktur pflegen und das bekommen wir aktuell nicht hin. Wir haben innerhalb von fünf Jahren zwei Bäder verloren. Das Heddesheimer Hallenbad entstand zur gleichen Zeit wie unseres. Das Heddesheimer ist gut in Schuss, unseres ist wegen statischer Mängel zu. Wir müssen unsere gesamte Infrastruktur im Blick behalten!

Wo hapert es in Ihren Augen sonst noch in Ilvesheim?

Haug: Der Investitionsstau im Ort ist ein Ausdruck davon, dass wir planen aber nicht umsetzen. Damit geht Vertrauen verloren. Wenn ich ein Friedhofskonzept beschließe, erwarte ich, dass sich etwas tut. Außerdem ist das Thema Zusammenhalt eine wichtige Sache. Wir müssen mehr Netzwerke schaffen und zum Beispiel Vereine zusammenbringen. Das aktuelle Format der Vereinsvertretersitzung erfüllt seinen eigentlichen Zweck, die Abstimmung untereinander, nicht. Da werden Termine ausgetauscht, die schon feststehen, so etwas muss abgestimmt werden, bevor alle Termine feststehen. Eine Agentur Ehrenamt nach dem Vorbild in Heddesheim könnte helfen, zum Beispiel mit Schulungsangeboten, aber auch mit Informationen und als Austauschbörse.

Was muss Ilvesheim in Ihren Augen noch beim Klimaschutz tun?

Haug: Es fehlt ein Gesamtkonzept. Hätten wir das Klimaschutzkonzept von 2015 umgesetzt, wären wir schon deutlich weiter. Mein Ziel ist, dass Ilvesheim bis 2035 klimaneutral wird. Aktuell sind wir hier nicht allzu ehrgeizig aufgestellt. Ich sehe auch, dass das Ziel 2035 jetzt sogar vom SPD Kandidaten unterstützt wird. Das ist gut. Und es gilt, das Ziel dann auch zu verfolgen. Beim Thema Energiesparen immer wieder zu erklären, dass man viel für den Klimaschutz tut, weil man vor zehn Jahren mal LED-Lampen installiert hat, reicht nicht.

Eine wichtige Rolle beim Klimaschutz spielen aber auch Privathaushalte. Was bringt es, wenn die Verwaltung alles herauskitzelt, sich aber im Privatbereich nicht genug ändert?

Haug: Die Privatleute tun bereits sehr viel. Aber gerade, weil wir sie brauchen, müssen wir als Kommune ein Vorbild sein. Wenn ich will, dass sich die Leute Solarzellen auf das Dach bauen, muss ich mit gutem Beispiel voran gehen. Auch Gebäudeisolierungen sind hier ein Thema. Da gibt es große Spielräume. Wichtig ist vor allem, dass wir ein Gesamtkonzept bekommen, zu dem auch die Erhebung der Energieverbräuche gehört. Wäre das Klimaschutzkonzept umgesetzt worden, würden wir das schon seit Jahren tun. Wichtig ist auch, dass wir Kooperationen nutzen. Wenn die Bürger Möglichkeiten haben, sich zum Beispiel an Solaranlagen zu beteiligen, steigt auch die Akzeptanz.

Gibt es ein Projekt, das Ihnen in den kommenden Jahren besonders wichtig ist?

Haug: Das sind mehrere Dinge. Wir müssen die Ortsmitte beleben, Treffpunkte schaffen. Es gibt aktuell einiges an Leerstand in der Schlossstraße. Wo ist unser Fahrradgeschäft, unser Bücherladen? Wo ist ein Cafè, in dem man draußen sitzen kann? Wenn die L 597 kommt, wird der Verkehr in der Schlossstraße deutlich abnehmen. Das ist eine große Chance. Auch die Nahversorgung in Ilvesheim Nord ist ein Thema. Dort gibt es keinen Bäcker. Das ist unbefriedigend. Die Servicezeiten der Verwaltung sind müssen attraktiver werden, hier können wir mehr anbieten. Außerdem müssen wir digitaler werden. Das Online-Zugangs-Gesetz ist schon in Kraft, es funktioniert in der Praxis aber nicht. Da will ich vorankommen. Außerdem will ich, dass die Gemeinde ein guter Arbeitgeber ist. Hier gibt es eine große Unzufriedenheit, das hat auch damit zu tun, was für ein Arbeitgeber man ist und wie man die Strukturen aufstellt.

Wo liegen die Stärken von Ilvesheim?

Haug: Die größte Stärke von Ilvesheim sind die Bürgerinnen und Bürger. Der Zusammenhalt, den ich in den Vereinen, Kirchen und Initiativen erlebt habe, ist großartig. Es ist wichtig, dies zentral zu fördern. Ein Plus sind auch die vielen Ideen, die die Menschen im Ort haben. Wenn ein Vorschlag gut ist, ist er gut. Es kommt nicht darauf an, ob das nun die eine oder andere Partei war. Außerdem ist die Lage zwischen Fluss und Kanal eine Besonderheit. Hier ergeben sich große Chancen etwa durch Flusswärme. Aktuell lassen wir unsere Stärken ein wenig liegen.

Wenn Sie gewinnen, wird mindestens einer Ihrer Mitbewerber weiter im Gemeinderat sitzen. Ist das ein Problem für Sie?

Haug: Nein, ich wüsste nicht, warum das ein Problem sein sollte. Jeder, der das ernsthafte Ziel hat, die Gemeinde voranzubringen, kann dafür auch mit Leuten zusammenarbeiten, die manchmal eine andere Meinung haben.

Sie haben viele gute Mitbewerber, setzen Sie sich ein Ziel für den ersten Wahlgang?

Haug: Mein Ziel ist es, Bürgermeister zu werden. Die Anzahl der Kandidaten zeigt vor allem, dass die Leute mit den Verhältnissen nicht zufrieden sind - unabhängig von der politischen Gruppierung. Es gibt eine ganz starke Stimmung für den Wechsel. Ich bin mir sicher, dass es einen zweiten Wahlgang geben wird.

Bei welchem Ergebnis würden Sie im zweiten Wahlgang aussteigen?

Haug: Darüber habe ich nicht nachgedacht. Ich möchte als Bürgermeister Verantwortung für Ilvesheim übernehmen.

Kandidaten-Porträts

Porträt

Ilvesheimer Bürgermeister Metz tritt erneut an - er liebt das Lesen und Radfahren

Veröffentlicht
Von
Torsten Gertkemper-Besse
Mehr erfahren
Porträt

Günter Tschitscke tritt bei Ilvesheimer Bürgermeisterwahl an - Kochen ist seine Leidenschaft

Veröffentlicht
Von
Torsten Gertkemper-Besse
Mehr erfahren
Porträt

Ilvesheimer Bürgermeister-Kandidat Michael Haug - ein Zahlenkenner mit politischer Ader

Veröffentlicht
Von
Torsten Gertkemper-Besse
Mehr erfahren
Porträt

Ilvesheimer Bürgermeister-Kandidat Thorsten Walther ist ein Garten-Fan mit sozialer Prägung

Veröffentlicht
Von
Torsten Gertkemper-Besse
Mehr erfahren

Redaktion Redaktion Neckar-Bergstraße, zuständig für Ilvesheim und Friedrichsfeld

Thema : Bürgermeisterwahl Ilvesheim 2023

    Copyright © 2025 Mannheimer Morgen