Heidelberg. In einer Guerilla-Aktion am Montagmorgen gegen 7.50 Uhr haben mehrere junge Menschen den Berufsverkehr in der Bergheimer Straße in Heidelberg für rund 75 Minuten fast lahmgelegt und so für eine etwa drei Kilometer lange Autoschlange gesorgt, die sich bis zum Heidelberger Kreuz auf der A656 staute. Die Spontan-Demo der Gruppierung, die sich "Letzte Generation" nennt, richtete sich gegen die Politik der Bundesregierung und deren Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen). Entgegen der Wahlkampf-Versprechungen weiterhin auf den Einsatz von fossiler Energie zu setzen, hält die Aktivisten-Gruppe, die sich zuletzt schon in Berlin und Frankfurt zu solcherlei Blockaden versammelte, für katastrophal.
Dass weiterhin in eine fossile Infrastruktur investiert werde, sei unerträglich, sagte ein 22-jähriger Student gegenüber dieser Redaktion. Er nannte als Beispiel geplante Terminals für Flüssiggas in Nordseehäfen oder Ölbohrungen im Wattenmeer. Bewegungen wie "Fridays for Future" würden immer weniger ernst genommen, sagte ein Blockadenteilnehmer im Vorfeld, ehe er sich während einer Rot-Phase mitten auf eine Kreuzung setzte und ein Transparent entrollte. Die Klimakipppunkte seien nach Darstellung von Wissenschaftlern nur noch zwei bis drei Jahre entfernt. Insofern seien alle derzeit auf der Erde lebenden Menschen die letzte Generation, die es in der Hand habe. "Stoppt den fossilen Wahnsinn" - das stand auf dem Plakat der Gruppe, die später in Polizeigewahrsam genommen werden sollte.
Menschen, die durch die Aktion auf ihrem Weg zur Arbeit aufgehalten wurden, hatten wenig bis kein Verständnis für diese Art der Demonstration. Ein aufgebrachter Autofahrer aus Mannheim sagte auf Nachfrage: "Ich halte gar nichts von der Aktion. Hier sind Leute, die zur Arbeit müssen, und dann sitzen hier Studierende auf der Straße, denen nichts anderes einfällt, als hier zu demonstrieren. Demonstration ist gut, aber nicht zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort." Er habe auch kein Verständnis für den Inhalt. Er habe die Polizei schon verständigt.
Autofahrer: "Ihr faulen Säcke"
Der Mannheimer war nicht der einzige. "Faule Säcke" und weitere Schimpfwörter rief der Fahrer eines Transporters aus einem Auto an die Adresse der Studierenden. Ein anderer schrie, dass es gerade wichtigere Themen auf der Welt gebe als die Nutzung fossiler Energien. Einer der jungen Aktivisten, die ihre Hände inzwischen mit Spezialflüssigkeiten auf die Straße geklebt hatten, zeigte zwar Verständnis für den Unmut der Verkehrsteilnehmer, meinte aber, dass es ohne derlei zivilen Ungehorsam keine Aufmerksamkeit und somit auch keine Veränderung gebe. Das hätten schon die amerikanische Bürgerrechtsbewegung und die Kultur der 68er gezeigt. Trotzdem wolle man gewaltlos auf die Probleme aufmerksam machen und Verständnis für die Leute haben, die ihre Kinder in den Kindergarten bringen müssten oder auf dem Weg zur Arbeit seien. Einige saßen erstmals auf einer Straße.
Polizeibeamte rollten schließlich um 8.10 Uhr an. Innerhalb der kommenden 45 Minuten wurde die Gruppe drei Mal aufgefordert, sich eigenständig von der Straße zu erheben, ansonsten müssten anderweitige Maßnahmen ergriffen werden und die Beamten die einzelnen Teilnehmer wegtragen. Während erste Fahrzeuge über einen anderen Weg von der Bergheimer Straße abgeleitet wurden, rückten weitere Ordnungskräfte an, um den Ort abzusichern und das Geschehen zu dokumentieren. Das Vorgehen der Polizei war dabei routiniert, klar kommuniziert und völlig gewaltfrei.
Aktivistin: "Notfalls in die Zelle"
Eine Teilnehmerin kündigte an: "Es werden immer mehr Menschen mit uns auf die Straße gehen, solange die Regierung weiter aktiv in den Zusammenbruch unseres Klimas investiert. Auch wenn uns die Polizei wegsperren sollte - wir sind fest entschlossen. Im Vergleich zu Kriegen, Hunger und Verzweiflung, die uns aufgrund der Klimakatastrophe erwarten, ist die Zeit in der Zelle nichts", sagte sie.
Nachdem drei Teilnehmer der Gruppe vom Rettungsdienst von der Straße "gelöst" waren, wurden alle Teilnehmer vorübergehend in Gewahrsam genommen. Polizeisprecher Michael Klumpp kündigte Anzeigen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und Nötigung an. Für den Polizeieinsatz müssen die Aktivisten wahrscheinlich finanziell aufkommen.
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