Kriminalität

Das tragische Schicksal des Arturo Cruz im Café Solo

Vor einem Jahr wurde Arturo Cruz, der im Café Solo in Weisenheim am Berg arbeitete, getötet. Der mutmaßliche Täter: der Wirt und Mitinhaber des Cafés. Nun spricht seine Schwester über Arturo Cruz' bewegtes Leben

Von 
Agnes Polewka
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Arturo Cruz wurde nur 41 Jahre alt. Der Wirt des beliebten Café Solo in Weisenheim am Berg, der ihn illegal beschäftigte, soll in umgebracht haben. © Privat

Weisenheim am Berg. Der peruanische Vatertag fiel 2023 auf den 18. Juni. Den ganzen Tag lang wartete der Vater von Arturo Cruz in der peruanischen Großstadt Arequipa auf den Anruf seines Sohns aus Deutschland. Doch das Telefon blieb still. Denn Arturo Cruz lebte an diesem Tag schon nicht mehr, seinen toten Körper legte der mutmaßliche Täter an einer Kreisstraße in Kaiserslautern ab.

Arturo Cruz’ Chef, der Wirt des beliebten Café Solo in Weisenheim am Berg, soll ihn laut Frankenthaler Staatsanwaltschaft erwürgt haben. Anschließend floh der heute 65-jährige Tatverdächtige laut Behörden in sein Geburtsland, die Türkei. Wie konnte es soweit kommen?

Cruz studiert an der Universität Mannheim und bleibt in Deutschland

Arturo Cruz’ Schwester, die anonym bleiben möchte, wohnt in Bayern, am Telefon spricht sie über ihren Bruder, mit dem sie gemeinsam nach Deutschland kam. Sie erzählt, dass sich Arturo 2008 nach einem besseren Leben gesehnt habe, nach Sicherheit. In seiner peruanischen Heimat ängstigte ihn die Kriminalität, und nach seinem Studienabschluss fand er keinen Job als Verwaltungswissenschaftler.

Arturo Cruz war damals 27 Jahre alt und bewarb sich um eine Au Pair-Stelle knapp 11 000 Kilometer von seiner Heimat entfernt. Er wollte in Deutschland neu anfangen. In Weisenheim am Berg, zwischen Grünstadt und Bad Dürkheim, fand er eine Gastfamilie, mit der er sich gut verstand. An der Universität in Mannheim begann er nach seiner Au Pair-Zeit, Bauingenieurwesen zu studieren, und konnte in Deutschland bleiben.

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Er jobbte im Café Solo, um sich etwas dazu zu verdienen. Und fand eine Bleibe in der Mansarden-Wohnung des alten Bauernhauses mit seinem Pool und dem Ibiza-Flair, das das Café beherbergte –inzwischen ist es dauerhaft geschlossen. Und dann geriet etwas in Arturo Cruz’ Leben aus dem Gleichgewicht, vielleicht begann es schon früher, mit der Schwarzarbeit in dem Lokal während seines Studiums.

Als er zweimal durch die gleiche Prüfung fiel, verlor Arturo Cruz seinen Studienplatz – und mit ihm seine Aufenthaltsgenehmigung. Doch Arturo Cruz wollte nicht weg aus Deutschland und erhöhte seine Arbeitsstunden. Bei der Ausländerbehörde bemühte er sich um eine Ausbildungsstelle als Koch, weil er im Café Solo in der Küche sowieso schon den Hut auf hatte. So erzählt es seine Schwester, „aber das hat nicht geklappt“, sagt sie.

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Angst vor Entdeckung und Abschiebung aus Deutschland

Und so manövrierte sich Arturo Cruz in eine schier ausweglose Lage. Er arbeitete schwarz in dem Café, an das er sich mehr und mehr band, auch weil daran seine Wohnung hing. Und er trank immer mehr, hatte Alkoholprobleme. Eine Lebererkrankung machte ihm zu schaffen, aber weil er inzwischen illegal in Deutschland lebte, war er auch nicht mehr krankenversichert.

Seine Schwester begleitete ihn zu einer medizinischen Anlaufstelle für Menschen ohne Krankenversicherung. „Arturo ging es nicht gut – körperlich und psychisch“, sagt sie. Er habe keine Alternative gesehen, habe große Angst gehabt, entdeckt und abgeschoben zu werden.

Das Gefühl, festzusitzen, verstärkte sich laut seiner Schwester, als sein Reisepass abgelaufen war. „Er dachte, jetzt kann er noch nicht mal mehr nach Peru zurück“, sagt die Schwester. Ihr Bruder habe sich nicht getraut, das peruanische Konsulat aufzusuchen. „Er hatte Angst, in den Zug zu steigen, weil er dachte, er könnte bei der Kontrolle auffliegen.“

Streit wegen des Büfetts im Café Solo

Obwohl die Stimmung im Café nicht gut gewesen sei, habe er dort ausgeharrt. „Er hat unsere Eltern 15 Jahre lang nicht gesehen“, sagt die Schwester. Als die Mutter aus Peru bei ihr zu Besuch gewesen sei, habe sich Arturo nicht freigenommen, weil er im Café gebraucht worden sei. Und auch nicht in den Wochen kurz vor der Tat, als es ihm immer schlechter gegangen sei, weil die Frau, in die er sich verliebt hatte, schwer krank geworden war und im Koma lag.

„Er konnte sich nicht freinehmen, sie haben ihn geholt, um in der Küche zu arbeiten“, sagt seine Schwester. Es kursieren Geschichten darüber, dass der Tonfall des Chefs rau gewesen sein soll. Manche Menschen erzählen sich, der Wirt habe Arturo schon früher gepackt und gewürgt.

Am Tag von Arturo Cruz‘ Tod soll ein Streit wegen des Büfetts entbrannt sein, der 41-Jährige soll betrunken gewesen sein und habe deshalb seine Arbeit nicht verrichten können. Am Ende des Streits war Arturo Cruz tot.

Tatverdächtiger Wirt und Mitinhaber des Café Solo flieht in die Türkei

„Ich war so naiv zu glauben, der mutmaßliche Täter würde sich stellen, wenn die Behörden die Geldflüsse kappen und den Verkauf des Cafés unterbinden“, sagt Arturo Cruz’ Schwester. Weil der dringend tatverdächtige Wirt und Mitinhaber des Café Solo laut Behörden nach der Tat in die Türkei floh und die Türkei aber seine Auslieferung bis heute verweigert, weil er dort geboren wurde, ordnete das Frankenthaler Landgericht die Beschlagnahme des Vermögens des heute 65-Jährigen an.

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Auch fast ein Jahr später zeigt sich aber: Die Strategie ist bislang nicht aufgegangen. Eine Sprecherin bestätigte auf Anfrage dieser Redaktion, dass es weiterhin nichts Neues in dem Fall zu berichten gebe.

„Wir, Arturos Familie, brauchen Gerechtigkeit“, sagt seine Schwester. Arturo habe Angst vor dem Sterben gehabt, große Angst. Und ausgerechnet er sei allein gestorben – allein, verängstigt und tieftraurig wegen der tragischen Wendungen, die sein Leben genommen hatte.

Redaktion

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