Justiz

Burschenschaftsskandal in Heidelberg: Prozess wird bald neu aufgerollt

Die Normannia-Affäre machte Schlagzeilen. In den kommenden Wochen wird der Fall um Burschenschaftler aus Heidelberg und Köln, die einen Mann antisemitisch beleidigt und geschlagen haben sollen, neu aufgerollt

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Agnes Polewka
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Weil drei Angeklagte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt haben, wird der Fall um Vorgänge im Verbindungshaus der Normannen neu aufgerollt. © P. Rothe

Heidelberg. 559 Tage, nachdem am Heidelberger Amtsgericht der Prozess um die sogenannte Normannia-Affäre zu Ende gegangen ist, zeichnet sich ab, dass eines der skurrilsten Verfahren, das die Region in den vergangenen Jahren zu bieten hatte, in den kommenden Wochen seine Neuauflage bekommen könnte.

Wie eine Sprecherin des Heidelberger Landgerichts auf Anfrage dieser Redaktion bestätigte, laufen aktuell die Terminabsprachen für das Berufungsverfahren, mit einem Prozess sei jedoch frühestens im Spätsommer zu rechnen, so die Sprecherin.

Bislang keine Ermittlungen wegen uneidlicher Falschaussagen

Zur Erinnerung: Vier Burschenschaftler – zwei aus Heidelberg, zwei aus Köln – mussten sich im Winter 2022 vor dem Amtsgericht in Heidelberg verantworten, angeklagt waren sie wegen gefährlicher Körperverletzung und tätlicher Beleidigung. Ihnen wurde vorgeworfen, einen 25-Jährigen im August 2020 im Verbindungshaus der Heidelberger Burschenschaft Normannia antisemitisch beleidigt und mit Gürteln geschlagen zu haben.

Im Dezember 2022 fiel das Urteil: Einer der beiden Heidelberger wurde freigesprochen, die drei anderen Burschenschaftler wurden zu je acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt – und legten Berufung gegen das Urteil ein. Weil nur die Angeklagten, nicht aber die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt haben, gilt im neuen Verfahren das sogenannte „Verbot der Verschlechterung“– eine höhere Strafe für die drei Männer darf nicht verhängt werden.

Ereignisse in Heidelberg machen internationale Schlagzeilen

Die Ereignisse im Verbindungshaus am Kurzen Buckel in Heidelberg machten international Schlagzeilen, auch während des Prozesses blieb das öffentliche Interesse groß. Und gleichzeitig offenbarte das Verfahren, wie schwierig es für das Gericht war herauszufinden, was in der Nacht vom 28. auf den 29. August 2020 wirklich im Verbindungshaus der Heidelberger Burschenschaft Normannia passiert war.

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Zeugen konnten oder wollten sich nicht erinnern: "Mauer des Schweigens"

Die Zeugen, die während des Verfahrens am Amtsgericht gehört wurden, konnten oder wollten sich nicht an das erinnern, was Ende August 2020 geschehen sein soll. Von einer „Mauer des Schweigens“ sprach eine Ermittlerin zu Beginn des Prozesses, von „einer Katastrophe“ die Vorsitzende Richterin Nicole Bargatzky während des Verfahrens. Sie drohte mehreren Zeugen mit Ermittlungen wegen uneidlicher Falschaussagen, zeigte sich fast schon verzweifelt über den Gang des Verfahrens. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden bislang keine Ermittlungen deshalb eingeleitet, „zumal das Berufungsverfahren bisher nicht abgeschlossen ist“, sagte ein Sprecher auf Anfrage dieser Redaktion bereits vor einigen Monaten.

Das Verbindungshaus der Burschenschaft Normannia am Heidelberger Schloss. © Philipp Rothe

Durch Chatverläufe, rekonstruierte Gespräche, oder weil die Angeklagten klar identifiziert worden seien, habe sie keinen Zweifel an der Schuld der drei Angeklagten, sagte Richterin Bargatzky in der Urteilsbegründung im Dezember 2022. Dennoch seien während des Verfahrens zu viele Dinge offengeblieben. Deshalb kam sie der Forderung der Staatsanwaltschaft nicht nach, die in ihrem Plädoyer elf Monate Haft auf Bewährung für alle Angeklagten gefordert hatte. Den vierten Angeklagten sprach Bargatzky frei. Nicht, weil sie von seiner Unschuld überzeugt sei, sondern weil sie Zweifel an seiner Schuld habe, sagte die Richterin.

Angeklagter und Mitglied der Burschenschaft Germania für AfD-Abgeordneten tätig?

Nach Recherchen des „Kölner Stadtanzeigers“ soll einer der beiden Kölner Angeklagten, Mitglied der Kölner Burschenschaft Germania, als Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten tätig sein, der ebenfalls Mitglied bei der Kölner Burschenschaft Germania sein soll. Der Pressesprecher der AfD-Landtagsfraktion schrieb auf Anfrage des Mediums, die AfD äußere sich grundsätzlich nicht zu Personalangelegenheiten.

Weiter antwortete der Sprecher dem „Kölner Stadtanzeiger“: „Alle Fraktionsmitarbeiter sind fachlich und charakterlich für die jeweilige Position geeignet.“ Auch werde geprüft, ob Fraktionsmitarbeiter Mitglieder von Organisationen seien, die auf der Unvereinbarkeitsliste stünden. Zudem stelle der Landtag sicher, dass sich keine Extremisten Zugang zum Gebäude verschaffen – beispielsweise durch das Einholen eines polizeilichen Führungszeugnisses, heißt es im „Kölner Stadtanzeiger“ weiter.

Eine gewisse Nähe zur AfD ließ sich bereits vor Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens am Amtsgericht bei einem Teil der Angeklagten beobachten, die sich mitunter Strafverteidiger gesucht hatten, die in der Vergangenheit immer wieder Mandanten aus der rechten Szene vertreten haben.

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Rechtsanwalt Matthias Brauer, der seine Kanzlei mit Standorten in Bonn, Frankfurt, Dresden, Hamburg und Berlin betreibt, war laut Medienberichten selbst in der AfD aktiv und als Justiziar Mitglied des Landesvorstands Rheinland-Pfalz. Nach Recherchen der „taz“ soll Brauer 2007 „in Ku-Klux-Klan-Manier unter ,Hail-White-Power’-Rufen“ ein Holzkreuz verbrannt haben. Auch soll er sich laut „taz“ als Burschenschaftler 2011 beim Dachverband Deutsche Burschenschaft für den „Arierparagrafen“ ausgesprochen haben, mit dem die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft an rassistische und völkische Kriterien geknüpft werden sollte.

Rechtsanwalt Max Bartusch, der ebenfalls einen der Angeklagten verteidigt, arbeitet in Brauers Kanzlei. Und Strafverteidiger Andreas Schoemaker aus Essen machte sich einen Namen, als er den Nationalisten Andreas Kalbitz nach seinem Rauswurf aus der AfD vor Gericht vertrat.

Redaktion

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