Edingen-Neckarhausen. Neun Stühle, eine Bühne - wer sich bisher noch nicht vorstellen konnte, wie groß das Bewerberfeld für die Bürgermeisterwahl in Edingen-Neckarhausen ist, konnte sich am Donnerstagabend ein gutes Bild davon machen. Sieben Kandidierende und rund 250 Besucherinnen und Besucher waren zum Forum des „Mannheimer Morgen“ in der Pestalozzihalle in Edingen gekommen. Moderiert wurde die Veranstaltung von den „MM“-Redakteuren Anja Görlitz und Hans-Jürgen Emmerich.
Und es gab einiges zu tun an diesem Abend. Handel, Gewerbe, Klimaschutz oder Bauen und Wohnen: Die Vielfalt der diskutierten Themen war riesig. Nach einer lockeren Aufwärmrunde (unter anderem mit Reimen) ging es für Aleksandra Janson (parteilos), Gerd Wolf (Die PARTEI), Holger Vier (parteilos), Florian König (CDU), Ramon Schürle, Klaus Merkle und Ulf Wacker (alle parteilos) schnell ans Eingemachte:
Bauen und Wohnen
Große Einigkeit bestand darin, dass die Gemeinde mehr bezahlbaren Wohnraum braucht. Allerdings gab es unterschiedliche Ansichten, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Kandidat Vier betonte in diesem Bereich die Wichtigkeit von vernünftigen Preise im Energiesektor, König betonte, man werde sehr viel bauen müssen. Ausschließlich sozialer Wohnungsraum werde nicht möglich sein. Wolf bezeichnete die Schaffung von sozialem Wohnraum als „Pflicht“. Dass die Gemeinde nicht alles selbst stemmen könne und man an Investoren nicht vorbeikomme, befand Klaus Merkle. Wacker machte sich dafür stark, erfahrene Baugenossenschaften ins Boot zu holen. Janson und Schürle betonten in ihren Statements, dass Erbpacht eine wichtige Rolle spielen könne. Und: Alle Kandidaten sahen großes Potenzial im Baugebiet Neckarhausen-Nord.
Verkehr und Infrastruktur
Bei diesem Thema präsentierten die Kandidatinnen und Kandidaten viele verschiedene Ansätze. Große Einigkeit gab es nur bei der Fähre zwischen Neckarhausen und Ladenburg. Sie soll erhalten bleiben - auch wenn in einigen Jahren die neue Neckarbrücke steht. Differenzierter wurde das Meinungsbild bei anderen Verkehrsthemen. Der Vorschlag von Aleksandra Janson, ein Lkw-Verbot zu erwägen, stieß auf wenig Gegenliebe. Schürle schlug vor, die Parallelstraßen als Fahrradstraßen auszuweisen. Merkle und Vier thematisierten Fahrradstreifen auf stark befahrenen Straßen. Was den Radverkehr am Neckar anging, variierten die Ansichten zwischen „den Weg müsste man auffrischen“ (Wolf) und „das können wir nicht leisten“ (Merkle). Wacker betonte, „Trödel-Radverkehr“ am Neckar müsse möglich sein. Florian König legte seinen Fokus auf einen Bürgerbus zum Bahnhof in Neu-Edingen. Auch Vier hat sich immerwieder für einen solchen Bus stark gemacht.
Klimaschutz in der Gemeinde
Ein „dickes Brett“ ist das Thema Klimaschutz, wie Moderator Hans-Jürgen Emmerich zu Beginn anmerkte. Alle Kandidierenden räumten diesem Thema große Bedeutung ein. Schürle und Vier sahen großes Potenzial im Wissen der Bürgerinnen und Bürger. König stimmte zu und sprach von einem „großen Rückhalt“, wenn viele einbezogen würden. Wacker sprach sich dafür aus, das Thema Klima aus dem Bauamt herauszulösen und ein eigenes, aufgewertetes Amt, zu schaffen. Janson hob hervor, dass es bereits viele Beschlüsse gebe, an der Umsetzung hapere es noch. Deshalb brauche es so dringend einen Klimaschutzbeauftragten. Auch Merkle sah in dem Klimaschutzbeauftragten eine wichtige Funktion. Wolf forderte den Bau neuer Photovoltaikanlagen.
Handel und Gewerbe
Was wird aus den Ortskernen in der Gemeinde? Diese Frage schwang immer mit. Einem Edeka am Ortsrand von Neckarhausen standen alle bis auf Wacker positiv gegenüber. Vier betonte, diese Bereitschaft des Händlers müsse gefördert werden. Janson sah darin aber „kein Allheilmittel“. Auch Wolf hob hervor, man dürfe Ortskerne nicht aus den Augen verlieren. Den Ruf nach Wochenmärkten konnte Schürle gut nachvollziehen, meinte aber, dass es bei der Nahversorgung um mehr gehe als nur Lebensmittel, zum Beispiel Drogerieprodukte. Merkle und Wacker gingen auf die Markthaus-Immobilie ein, wo es aber schwer sei, wieder einen Laden unterzubringen. König erwog, einen Edeka am Ortsrand nur zu ermöglichen, wenn es auch „einen Ableger“ im Ortskern gebe.
Jugend und Senioren
Dass die Jugend gehört werden muss, stand für alle fest. Während aber Vier und Schürle eine Renaissance des gescheiterten Jugendgemeinderats anstrebten, setzten die anderen Kandidaten die Hoffnung in einen Jugendmanager (Wacker) oder ein Jugendforum (Merkle). Lauf Wolf müsse man mehr über die sozialen Netzwerke werben, während Janson betonte, noch in Gesprächen mit Jugendlichen zu sein. König schlug einen Bus vor, der durch die Gemeinde fährt und Gespräche ermöglicht. Darüber hinaus ging es um das Thema Pflege. Als größte Herausforderung sahen die Kandidaten, wie man Teilhabe und Barrierefreiheit ermöglichen könne. Einem Einstieg der Gemeinde in die Altenpflege stand die Mehrheit ablehnend gegenüber.
Am Rande notiert ..
- Um die anfängliche Nervosität etwas abzuschütteln, hatten die Moderatoren ein paar Übungen vorbereitet.
- Einmal sollten die Kandidaten ihrem Sitznachbarn einen Spitznamen verpassen. Von niedlich („Ulfi“) bis äußerst gewagt („Donald Trump“) war alles dabei.
- Außerdem sollten die Teilnehmer einen Halbsatz per Reim vollenden, was nicht immer funktionierte.
- Weniger Probleme gab es bei der Frage, wo die Kandidatinnen und Kandidaten am liebsten im Ort essen gehen.
Internet und Teilhabe
Die Bürgerapp ist bereits beschlossen, unumstritten ist sie aber nicht, wie am Abend schnell klar wurde. Vier, Schürle und Wolf würden sie sofort einführen. König und Merkle äußerten sich an dieser Stelle zurückhaltender. Die Parameter müssten stimmen, außerdem sei immer die Frage, wen man mit so einer App auch ausschließe. Janson bezeichnete die App als wichtiges Instrument, aber nicht als vordringlich. Wacker wies daraufhin, dass eine App immer nur „entscheidungsvorbereitend“ sein könne. Einer Live-Übertragung der Gemeinderatssitzungen standen alle offen gegenüber, bis auf Schürle. Er sieht bereits ausreichend Möglichkeiten, sich zu informieren. Einen großen Rückhalt gab es auch für die Forderung nach Glasfaser und schnellem Internet.
Bürgerfragen und ein Großprojekt
Trotz der knapp bemessenen Zeit war es den Bürgerinnen und Bürgern möglich, Fragen zustellen. Diese beschäftigten sich unter anderem mit dem Markthaus in Neckarhausen, dem Ausbau von Photovoltaik-Anlagen sowie der angespannten Finanzlage der Gemeinde. Kurz zuvor ging es noch einmal um das Hilfeleistungszentrum, das zwischen den drei Ortsteilen entstehen soll. Dass es kommen soll, war Konsens. Wolf plädierte aber für eine weitere Verschuldung, während alle anderen eine Investorenlösung begrüßten.
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