Heimatgeschichte

Wie ein Heimatmuseum in Hirschberg eingerichtet werden kann

Alt-Gemeinderat Manfred Kopp kämpft für ein Ortsmuseum. Mit dem bekannten Chorleiter Volker Schneider hat er jetzt einen wichtigen Mitstreiter gewonnen.

Von 
Konstantin Groß
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Manfred Kopp (l.) und Volker Schneider diskutieren, wie sie ein Heimatmuseum für Hirschberg voranbringen können. © Konstantin Groß

Hirschberg. Ein Einfamilienhaus im Hirschberger Ortsteil Großsachsen. Manfred Kopp öffnet. Und schon nach den ersten Schritten wird sichtbar, dass es sich hier um eine ganz besondere Location handelt. „Alles selbst gemalt“, versichert der Hausherr im Angesicht unzähliger Bilder von Alt-Saase, die seine Wände zieren (und übrigens auch das Rathaus). Doch der Höhepunkt folgt, nach einem Gang die Treppe hinab, im Keller: „Manfreds Museum“ lautet das Schild an der Tür, die sich zu einem wahren Kleinod öffnet. Daneben der augenzwinkernde Hinweis: „Eintritt frei!“.

In dem Raum hat der 87-Jährige zusammengetragen, was sich im Zuge seines nicht nur langen, sondern auch ereignisreichen Lebens angesammelt hat. Gegenstände, die natürlich für ihn selbst emotionalen Wert besitzen, aber darüber hinaus eben auch von der Geschichte der Gemeinde zeugen. Und die, wenn es nach ihm geht, den Grundstock eines Heimatmuseums bilden sollen. Bei der Verwirklichung dieses Projekts hat er nun prominente Unterstützung gewonnen: von Volker Schneider, dem überregional bekannten Chorleiter.

Manfred Kopp kann aus einem großen Fundus schöpfen

Manfred Kopp ist selbst personifizierte Geschichte der Region: 1937 in Mannheim geboren, wo die Familie in den Quadraten lebt und 1943 ausgebombt wird, danach ins Bauland evakuiert, dann zurück nach Mannheim, bis ihn die Liebe an die Bergstraße verschlägt, zunächst nach Schriese, schließlich nach Großsachsen. Hier engagiert er sich, kommunalpolitisch bei den Freien Wählern, für die er im Gemeinderat sitzt, in vielen Vereinen, vor allem dem Sängerbund und dem Turnverein Großsachsen. Und was sich dabei ansammelt, bewahrt er auf.

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2018 widmet Kopp seinen großen Keller um. „Das war mal ein Tischtennis-Raum“, schmunzelt der Hausherr. Vor 30 Jahren finden hier die Proben für „Glasnost“ statt, jenes legendäre Musical unter musikalischer Leitung von Volker Schneider, das nicht nur die damalige Euphorie über eine neue Freundschaft mit Russland im Namen trägt, sondern auch selbst ein Teil von ihr wird: Bei der Uraufführung in Weinheim 1995 und dem Gegenbesuch des Ensembles in Moskau 1996 ist der ehemalige Oberbefehlshaber des Warschauer Paktes, Sowjet-Marschall Kulikow, mit dabei. Die Plakate davon, in Kyrillisch, sind natürlich Teil der Ausstellung.

Wie überhaupt Plakate, Fotos und Gegenstände aus dem geselligen Leben Hirschbergs einen Schwerpunkt der Ausstellung bilden. Viele dieser Veranstaltungen hat Kopp als Leiter der Theatergruppe im Sängerbund selbst organisiert. Legendär die Stücke „Das Millionending“ (1992) oder „Die Flucht ins Apfelbachtal“ (1993).

Persönliche Erinnerungen relevant für die Ortsgeschichte

Den zweiten Schwerpunkt bilden Zeugnisse aus dem Alltag früherer Generationen. Kleinode wie etwa eine Rechenmaschine aus den 1950er Jahren. Mit Schiebern und Kurbeln, deren Bedienung heutzutage kaum mehr jemandem geläufig ist. „Ich habe die noch benutzt“, berichtet Kopp. Dazu Alltägliches von der Kaffeemühle über die mechanische Schreibmaschine bis hin zu Telefonen noch mit Wählscheibe; ja, für viele Jugendliche heute gehört selbst das hier ausgestellte Faxgerät mittlerweile zum alten Eisen.

„Manchmal setze ich mich hier her und erfreue mich daran“, bekennt der 87-Jährige, dessen Frau Inge seit kurzem in einem Pflegeheim lebt. Und so treibt ihn derzeit um, wie diese Exponate bewahrt werden können. Nicht um ihrer selbst willen. Seine Zielgruppe ist vielmehr eine zweifache: Ältere Menschen, die sich dadurch an ihre eigene Vergangenheit erinnern und dabei durchaus „Glücksgefühle“ empfinden. Aber auch und vor allem die Jugend: „Sie müssen doch wissen, wie man früher gelebt hat“, sagt Kopp. Ohne Kenntnis der Vergangenheit, so lautet seine feste Überzeugung, kann es keine Zukunft geben.

Kommunikationstechnik der Vergangenheit: Für Kinder eine andere Welt. © Konstantin Groß

Gerne würde er diese Gegenstände einem Heimatmuseum übergeben. Doch ein solches gibt es in Hirschberg nicht. 2018 entscheidet der Gemeinderat im Rahmen eines Grundsatzbeschlusses über die Gestaltung des Umfelds der Ehemaligen Synagoge, ein Heimatmuseum nicht einzurichten. Doch das aktuelle 50-jährige Jubiläum der Fusionsgemeinde sieht Kopp als idealen Anlass, dies zu überdenken. Im Sommer macht er seine Idee öffentlich: „Ich werfe jetzt mal den Ball ins Feld“, sagt der frühere Handballer damals im Gespräch mit den „Weinheimer Nachrichten“.

Bekannter Chorleiter Volker Schneider unterstützt das Projekt

Und in der Tat erfährt er manch positive Reaktion. Von der VHS, von der Schule, die nicht weit entfernt liegt. Und von einem gewichtigen Verbündeten: Volker Schneider, dem überregional bekannten Chorleiter, der in seiner Person die beiden Ortsteile verkörpert: In Großsachsen aufgewachsen und dort lange zu Hause, wohnt er inzwischen in Leutershausen, in einem Seitenbau des Wiserschen Schlosses. Ortsteildenken ist ihm schon immer fremd, indem er bereits vor der Gemeindefusion Chöre sowohl in Großsachsen als auch in Leutershausen leitet. Auch der 78-Jährige ist eine Fundgrube an Ortsgeschichte, wie die 2022 erschienene Biografie über ihn bezeugt. Und nachdem er vor der Sommerpause nach 56 Jahren die Leitung seiner letzten Chöre abgibt, findet er die Zeit für Kopps Einladung.

Vor kurzem treffen sich die beiden bei Kopp zu Hause. Bald wird klar: Die erste Notwendigkeit besteht natürlich in einer Räumlichkeit. Beide gehen mögliche Standorte durch: Favorit Kopps ist das Alte Rathaus am Mühlgraben, auch das alte Feuerwehrhaus in Leutershausen, immerhin das älteste der Bergstraße, oder auch die frühere Löwen-Apotheke. Für Kopp ist das Museum Theo Kerg in Schriesheim ein Vorbild: in alten Räumen moderne Kunst.

Schneiders außergewöhnliche Idee: In modernen statt in alten Räumen

Volker Schneider dagegen bringt, wie es seine Art ist, einen ganz anderen, einen entgegengesetzten, einen „revolutionären“ Ansatz ins Spiel: Altes in moderner Umgebung. „Man sollte weg von alten, historischen Gebäuden“, meint er: „Das würde nur die Verstaubtheit des Museumsgedankens untermauern.“ Stattdessen schwebt ihm ein Neubau vor. Und er hat auch schon einen Standort: die Erweiterungsfläche des Gewerbeparks: „So könnte der neu entstehende Campus Hirschberg mit historischem Leben erfüllt werden.“

Doch die Zeit drängt, diese einmalige Chance bestehe nur jetzt, mahnt Schneider: „Jetzt könnte man noch einen Pavillon einplanen, der eine Dauerausstellung zur Entwicklung der Gemeinde Hirschberg beinhaltet.“ Sowohl landwirtschaftliche Aspekte als auch industrielle könnten dort gezeigt werden. Die Stichworte lauten: Tabakanbau und Weinbau, Tabakfabrik und Hefefabrik, Bauernhöfe und kleine Geschäfte. In diesem Zusammenhang könnten dann auch Kopps Haushaltsgegenstände ideale Verwendung finden.

Kaffeemühlen: Haushaltsgerät einst in jeder Familie, heute nahezu unbekannt. © Konstantin Groß

Und für derartige Bauten gibt es in Hirschberg ja ein Vorzeigeunternehmen: „Vielleicht bietet die Firma Goldbeck einen günstigen Pavillon-Bau an“, überlegt Schneider. Andere Unternehmen, die im alten und neuen Gewerbepark ansässig sind, könnten das Projekt ebenso fördern wie Firmen im Ortskern oder Bürger der Gemeinde, die dazu in der Lage und bereit sind; die Namen derer, die dafür infrage kommen, liegen auf der Hand. Getragen werden sollte es von der Bürgerstiftung bzw. von einer ihrer Unterstiftungen.

Kein verstaubtes Museum, sondern fortschrittlicher KI-Einsatz

Auch und vor allem die Konzeption muss nach Vorstellung des erfahrenen Pädagogen, der drei Schulleitungen innehatte, zeitgemäß gestaltet werden: „Keinesfalls darf es dazu führen, dass Bürger im Heimatmuseum ihre nicht mehr gebrauchten Gegenstände nach Manier einer Altkleidersammlung entsorgen“, formuliert Schneider bewusst pointiert. Stattdessen: „Modernste technische Ausstattung ist unverzichtbar“, fordert er: „Erläuterungen mit KI-Unterstützung müssen Museumsführer ersetzen.“

Durch ein beiläufiges Erlebnis fühlt Schneider sich bestätigt: Nach dem Treffen geht er Essen in einer Pizzeria. Eine Gruppe von sechs Jugendlichen, Jungs um die 12, 14 Jahre, lassen sich am Nachbartisch nieder. Sie haben ihre Jacken noch nicht richtig aus, aber bereits ihre Smartphones in der Hand. „Wie kann man diese Jugendlichen für Heimatgeschichte gewinnen?“ - diese Frage beschäftigt Schneider. Auch Kopp treibt sie um. Denn: „Dieses Museum liegt mir am Herzen.“

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