Energie

Kommunen in der Neckar-Bergstraße fordern Klarheit über Gas-Ausstieg der MVV

In einem Brief an den Mannheimer Energieversorger MVV setzen sich die Städte Ladenburg, Schriesheim und Hemsbach und die Gemeinden Edingen-Neckarhausen und Hirschberg gegen den angekündigten Ausstieg aus der Erdgasversorgung zur Wehr

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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Wenn das Erdgas abgestellt wird, kann Wasserstoff die Lücke in privaten Haushalten nicht schließen, fürchten die Kommunen. © Jan Woitas / DPA

Neckar-Bergstraße. In einem Brief an den Mannheimer Energieversorger MVV setzen sich die Kommunen gegen den angekündigten Ausstieg aus der Erdgasversorgung zur Wehr. Die Städte Ladenburg, Schriesheim und Hemsbach und die Gemeinden Edingen-Neckarhausen, Ilvesheim und Hirschberg haben Konzessionsverträge mit dem Erdgaslieferanten, sind aber nach eigenen Angaben im Vorfeld nicht über die Ankündigung informiert worden und kennen auch die Pläne bislang nicht.

„Wir halten dieses Vorgehen für unverantwortlich“, kritisieren die Bürgermeister. Über eine Pressemitteilung am 8. November 2024 hatte die MVV verkündet, spätestens ab 2035 ihr Gasnetz in Mannheim nicht mehr betreiben zu wollen und aus dem Gasgeschäft auszusteigen. „Von dieser strategischen Entscheidung betroffen sind auch Städte und Gemeinden, deren Gasnetz durch die MVV als Konzessionärin unterhalten und betrieben wird“, schreiben die betroffenen Kommunen.

Kommunen fordern mehr Planungssicherheit für die Energiewende

Wenn ein Gasausstieg mit einem konkreten Datum angekündigt werde, müssten die Bürgerinnen und Bürgern eine technische und bezahlbare Alternative haben. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die MVV-Entscheidung habe viele Menschen stark verunsichert. Sie stellten berechtigte Fragen, die die Kommunen nicht beantworten könnten.

„Den erforderlichen Transformationsprozess gemeinsam und abgestimmt zu gestalten, sehen wir als Grundvoraussetzung für eine gelingende Energiewende“, schreiben die Betroffenen. Dies erfordere eine gemeinsame Planung, eine abgestimmte Kommunikation und mehr Zeit. Entsprechend könne das Jahr 2035 kein realistisches Ziel für einen Rückzug aus dem Gasgeschäft sein.

Die Bürgermeister fordern das Unternehmen daher auf, öffentlich zu erklären, dass die Versorgungssicherheit im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten durch Übergangsfristen auch über das Jahr 2035 hinaus möglich sei. Ausführlich äußern sie sich zu den Gründen. Eine kommunale Wärmeplanung liege noch nicht vor, um Planungssicherheit zu geben sowie die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen und technischen Anpassungen vorbereiten und umsetzen zu können. Angesichts der Bedeutung der Gasversorgung mit teils über 40 Prozent der Haushalte und fehlenden Alternativen sei das Zieljahr 2035 völlig unrealistisch.

Die Kommunen verfügten im Gegensatz zu Mannheim nicht über große Energieversorger, ein bereits vorhandenes, großflächiges Nahwärmenetz oder eine Reihe alternativer Wärmequellen (bspw. Kraftwerke, Müllverbrennung). Ebensowenig hätten sie die finanziellen Mittel und keine eigenen Stadtwerke, die in der Lage seien, neue Technologien vorzufinanzieren und umzusetzen. „Erfahrungsgemäß wird die notwendige Infrastruktur für alternative Energien in ländlicheren Gebieten nur sehr langsam und unvollständig aufgebaut werden, so dass diese Gemeinden über 2035 hinaus auf Erdgas angewiesen sind“, schreiben die Bürgermeister.

Energetische Sanierung in Altstädten wie Schriesheim und Ladenburg kaum möglich

Eine Besonderheit trifft vor allem Schriesheim und Ladenburg. „In Kleinstädten, insbesondere mit historischen Stadtkernen, stehen zahlreiche Gebäude unter Denkmalschutz und verfügen nur über eine energetisch schlechte Bausubstanz.“ Diese Gebäude könnten nur schwer auf alternative Heizsysteme umgerüstet werden, da Sanierungsmaßnahmen sehr aufwendig und kostenintensiv seien. „Wärmepumpen sind in weiten Bereichen einer Altstadt keine Alternative zur Gasversorgung“, argumentieren die Bürgermeister.

Die Wärmeversorgung über ein Nahwärmenetz werde durch eine alte Bestandsbebauung, Bodendenkmäler und zum Teil extrem enge Straßenverläufe sehr erschwert. Daher müsse ein lokales Wärmenetz für Bestandsgebäude aufgrund der oft energetisch schwachen Gebäudehüllen in einer Altstadt mit sehr hoher Vorlauftemperatur gefahren werden: „Das treibt wiederum die Kosten für die alternative Wärmeerzeugung sehr hoch.“ Fazit der Bürgermeister: „Aktuell gibt es keine flächendeckenden, alternativen Wärmequellen, die als vollständiger Ersatz für Erdgas dienen können.“

Bürgermeister fordern realistische Zeitpläne für den Gasausstieg

Ein Ausstieg aus dem Gas müsse mit einer gezielten Verstärkung des Stromnetzes einhergehen, um die zusätzliche Stromnachfrage durch Heizsysteme wie Wärmepumpen zu decken. Ohne eine solche Verstärkung drohten Engpässe und Instabilitäten im Stromnetz, was die Versorgungssicherheit gefährden würde. „Ein schneller Ausstieg aus dem Gas würde die vorhandenen Kapazitäten überlasten und könnte zu Verzögerungen und Fehlern bei der Umsetzung führen“, fürchten die Bürgermeister. Wasserstoff könne gegenwärtig nicht als Alternative gelten.

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„Dem Grunde nach zeigen wir uns für einen Transformationsprozess mit dem Ziel einer dekarbonisierten Wärmewende innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen offen und sehen uns dem Klimaschutz zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger verpflichtet“, versichern die Vertreter der Kommunen: „Aber für die Akzeptanz und die erfolgreiche Umsetzung bestehen wir auf eine realistische Zeitschiene und eine bessere Abstimmung, wie und wann ein Ausstieg aus der Gasversorgung zielführend ist.“ Man setze daher in den kommenden Jahren auf einen vertieften und regelmäßigen Austausch mit der MVV. Heddesheim hat das Schreiben nicht unterzeichnet, weil die Gemeinde ihr Erdgas von den Stadtwerken Viernheim bezieht. 

„Wir sind mit den Städten ohnehin im regelmäßigen Dialog und werden auch den Inhalt des Briefes – wie gehabt – vertrauensvoll mit den Unterzeichnern erörtern“, kündigte  Sebastian Ackermann, Leiter Kommunikation MVV Energie AG, am Freitag an

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