Landau, die pfälzische Stadt, in der 2009 die Erde so stark gebebt hatte, dass sogar kleinere Schäden an Häusern entstanden sind, will sich nun endgültig der Erdwärme verschreiben. Wie Oberbürgermeister Dominik Geißler, Sohn des berühmten früheren CDU-Politikers Heiner Geißler, in einer Presserunde am Dienstag erklärte, sieht er in der Geothermie eine einzigartige Chance, sich von „Putins Gas“ in Landauer Versorgungsleitungen zu befreien. „Eine zentrale Herausforderung unserer Zeit“, sagte der Christdemokrat, der seit Herbst 2022 im Amt ist. Der Stadtrat soll sich auf Vorschlag der Verwaltung Ende des Monats mit der Ansiedlung zweier Unternehmen beschäftigen, die sich auf Erdwärme- und Lithiumgewinnung spezialisiert haben. Seit Monaten werden in vielen Teilen der Metropolregion Rhein-Neckar geothermische Untersuchungen vorgenommen, weil die Bedingungen nach Ansicht der Experten im Oberrheingraben ideal sind. Das geschieht dennoch nicht ohne Kritik. Auch im Rhein-Neckar-Kreis und im Süden Mannheims haben Hausbesitzer Schäden angemeldet, die durch Schallwellen entstanden sein könnten, die große, weiße Trucks beispielsweise der Firma Geohardt erzeugten, um tieferliegende Gesteinsschichten zu kartieren, in denen sich das bis zu 170 Grad heiße Thermalwasser befindet. Einige Bürgerinitiativen kämpfen in der Pfalz und auch in Nordbaden gegen diese ihrer Ansicht nach risikoreiche Form der Energiegewinnung.
Perspektivisch will die Stadtverwaltung das gesamte Stadtgebiet über ein Fernwärmeversorgungsnetz abdecken.
Im pfälzischen Geinsheim hängen seit Wochen rote Schleifen an Haustüren von Dorfbewohnern. Sie beschreiben mit dieser Symbolik Angst vor den Folgen der Geothermie und befürchten unter anderem Lärm und Schäden.
Die Landauer Verwaltung lässt sich von der Bürgerinitiative vor Ort nicht aufhalten. Geißler will ein Gesamtpaket schnüren, das für die Bevölkerung maximalen Nutzen bringe und gleichzeitig Risiken kalkulierbar halte.
„Nachhaltig, sicher, krisenfest“
Nach Gesprächen mit Energieversorgern, Kraftwerksbetreibern und Fachleuten sei man sich des Potenzials bewusst, die Stadt „bei der Energieversorgung nachhaltig, sicher und krisenfest aufzustellen“. Gelingen soll das mit Hilfe eben jener beiden Unternehmen, die in Landau Standortanfragen gestellt haben. Nicht Bohrtürme, aber Produktionsanlagen sollen im künftigen Gewerbegebiet D12 an der A65 entstehen. Vulcan Energie und die IKAV Group/geox - das ist die Auflage der Stadt - sollen miteinander kooperieren, um Parallelstrukturen zu verhindern und Flächen zu sparen.
Geißler wird noch konkreter hinsichtlich der Ziele: „Die Stadt wird darauf bestehen, dass die beiden Unternehmen die gewonnene Wärme zu einem Preis bereitstellen, der niedriger als der fossile Energieträger ist und sich nicht am Preisindex fossiler Brennstoffe orientiert.“ Die Forderungen der Stadt gehen sogar noch weiter. Sie erwartet von den beiden Unternehmen die Zusage einer technischen Sicherheit und den Abschluss geeigneter Versicherungen im Schadensfall. Dazu soll eine Beweislastumkehr gelten. Im Zweifelsfall müsste also das Unternehmen beweisen, dass ein Schaden - etwa an Wohnhäusern - nicht durch die Geothermie entstanden ist.
„Ein Jahrhundertprojekt“
Perspektivisch will die Stadtverwaltung das gesamte Stadtgebiet über ein Fernwärmeversorgungsnetz abdecken. Im Endeffekt handelt es sich um Hunderte Kilometer an Leitungen. „Das ist ein Jahrhundertprojekt“, sagt der OB. Der Einbau von teuren Wärmepumpen würde mit Umsetzung des Vorhabens entbehrlich, so Geißler mit Blick auf die harte Debatte um das Gebäudeenergiegesetz.
Das Umdenken in Landau hat bereits vor einem Jahr unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine begonnen. Damals gab der Stadtrat trotz der mitunter negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit seine ablehnende Haltung zum Betrieb des Geothermiekraftwerks im Süden der Stadt auf und beauftragte die Stadtverwaltung, Anfragen zur Lithiumgewinnung im Zusammenhang mit der Geothermie in Landau und Umgebung ergebnisoffen zu begleiten.
Neben der kommunalen Wärmeplanung und der damit verbundenden Standortfrage für entsprechende Unternehmen ist die Stadt auf mehreren Ebenen Hauptakteur im Prozess dieser angestrebten Zeitenwende. Nicht zuletzt hofft Landau den Vertretern der Stadtverwaltung zufolge auf möglichst hohe Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Neben der Erdwärme wird Lithium heute in manchen Darstellungen schon als „weißes Gold“ bezeichnet. Im Oberrheingraben liegt nach Einschätzung der entsprechenden Unternehmen ein Teil der deutschen E-Mobilität verborgen. Lithium ist für die Batterien derzeit unverzichtbar.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Geothermie hat eine Chance verdient