Mannheim. Die weißen Fahrzeugkolonnen haben im Januar und Februar in der Region für einiges Aufsehen gesorgt. Gleich zwei Unternehmen suchen mit Hilfe von 3D-Seismik nach heißen Quellen tief im Untergrund des Oberrheingrabens. Im Norden von Mannheim ist das Karlsruher Unternehmen Vulcan unterwegs, südlich davon die Firma Geohardt, ein Joint Venture der Energieversorger MVV und EnBW. Nun hat Geohardt am Mittwochabend eine erste Zwischenbilanz gezogen.
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Die spannendste Frage ist indessen noch nicht beantwortet. Die Auswertung der rund 20 Millionen Daten, die eingesammelt wurden, läuft noch. Damit ist offen, wo genau die vielversprechenden Thermalwasserströme in einer Tiefe von 2500 bis 4000 Metern fließen und wo die drei geplanten Geothermiekraftwerke entstehen könnten. Potenzielle Gebiete sollen frühestens im Spätsommer oder Herbst ausgewählt werden, erläuterte der Geohardt-Chefgeologe Thomas Kölbel.
Fest steht dagegen, wie viele Schadensmeldungen nach dem Einsatz der Vibrotrucks bislang eingegangen sind. Bürgerinnen und Bürger der Region haben nach den seismischen Messungen 127 Schäden an Gebäuden gemeldet. Diese würden nun nacheinander abgearbeitet und zum Teil auch von einem unabhängigen Sachverständigen begutachtet.
Klar ist nach Darstellung von Geohardt-Geschäftsführer Matthias Wolf, dass nicht alle 127 Schäden tatsächlich auf die Schallwellen zurückzuführen sind, die von den Vibrotrucks ausgesendet wurden. 19 Prozent der Fälle hat Geohardt aussortiert, weil die Schäden beispielsweise schon gemeldet wurden, bevor die Vibrotrucks vor Ort waren. Zum Teil seien die Fahrzeuge auch gar nicht dort gewesen, wo die Schäden gemeldet worden seien.
Zwei eindeutige Schäden
In zwei Fällen haben die Vibrotrucks aber tatsächlich nachweislich stärkere Schallwellen in den Untergrund geschickt als erlaubt. Das sei auch eindeutig nachweisbar, weil alle Vibrationen zu Dokumentationszwecken gemessen worden seien. Deshalb hat es sowohl in Mannheim als auch in Oftersheim jeweils einen Schadensfall gegeben, der sicher den tiefengeologischen Untersuchungen zuzuordnen sei. „Diese Schäden werden ohne Wenn und Aber reguliert“, betonte Wolf.
Bei 40 Prozent der Fälle habe sich ein geringes Schadensbild ergeben. Weil sich ein Zusammenhang nicht direkt nachweisen, aber auch nicht ausschließen lasse, hat Geohardt angeboten, die Schäden zu regulieren. Komplizierter ist es indessen bei den restlichen 40 Prozent der Fälle. Hier habe sich ein komplexes Schadensbild ergeben. Und dafür hat Geohardt den Sachverständigen Michael Schwannauer eingeschaltet, der sich die Risse vor Ort genau angeschaut hat.
54 Fälle begutachtet
Der studierte Bauingenieur, Tragwerksplaner und zertifizierte Gutachter hat 54 Schadensfälle begutachtet. Er habe dabei keinen tragwerksrelevanten Schaden gefunden. Es sei also kein einziges begutachtetes Haus in seiner Standsicherheit oder Stabilität gefährdet. In der überwiegenden Zahl von Fällen handle es sich um Haarrisse im Zehntelmillimeter-Bereich, die sich über einen neuen Farbanstrich beheben ließen. Zum Teil hätten die Vibrationen bereits vorhandene Spannungen an nichttragenden Wänden verstärkt und zu den Rissen geführt. Manche Risse seien auch deutlich erkennbar schon älter als ein halbes Jahr. Bei einem Haus hat Schwannauer Risse vom Keller bis zum Dach gesehen. Hier könne aber auch mitverantwortlich sein, dass das Haus auf Lehm gebaut sei und sich das Gebäude durch Austrockung des Untergrunds insgesamt gesetzt haben könnte. Außerdem gab es drei Glasschäden an Glasbausteinen und einer Eingangstür.
Dass er noch nicht alle Berichte fertiggestellt habe, entschuldigte der Gutachter mit einer Corona-Erkrankung. Er benötige etwa vier bis sechs Wochen nach dem Ortstermin für das Gutachten. Danach müsse der Fall jeweils abgewogen werden. Deshalb hätten noch nicht alle Schadensanmelder eine Rückmeldung erhalten, bedauerte Geohardt-Geschäftsführer Matthias Wolf und versprach, man werde in Zweifelsfällen kulant sein.
Wolf entschuldigte sich zudem ausdrücklich auch bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die das Unternehmen nicht vorab mit seinen Informationen zur Messung erreicht habe. Allerdings habe man intensiv mit Online-Auftritten, Zeitungsberichten und Flyern in den betroffenen Gebieten vorab informiert und nach entsprechenden Beschwerden nochmals nachgesteuert.
Mit den drei Geothermiekraftwerken will Geohardt rund 30 Prozent der Fernwärme des Grosskraftwerks Mannheim ersetzen. Ende 2026 soll die erste Wärme ins Netz eingespeist werden.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Geothermie hat eine Chance verdient