Justiz

Warum das Arbeitsgericht Mannheim Gerichtstage in Mosbach abhält

Vor-Ort-Service im Neckar-Odenwald-Kreis: Das Arbeitsgericht Mannheim bietet in Mosbach meist jede Woche Verhandlungen vor Ort an. Die Richter sind dabei zu Gast in einem ehemaligen Franziskanerkloster

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Das ehemalige Franziskanerkloster in Mosbach beherbergt das Amtsgericht und das übergeordnete Landgericht. Auch das Arbeitsgericht Mannheim führt dort Verhandlungen. © Peter Schmelzle

Mosbach. Fans von Kreuzworträtseln wissen, dass im alten Rom Gerichtstage abgehalten wurden. Schließlich taucht deren Bezeichnung „Fasti“ - von „fari“ für „sprechen“ und „fas“ für (göttliches ) Recht - gewissermaßen buchstäblich in Knobelkästchen auf. Dass Gerichtstage auch heute üblich sind, insbesondere bei Streitigkeiten rund um den Job, ist hingegen wenig bekannt. Beispielsweise bietet das Arbeitsgericht Mannheim regelmäßig in Mosbach Gerichtstage.

Vor Ort in Mosbach: Dank elektronischer Akten müssen keine Ordner mehr transportiert werden

Wer glaubt, dass in die Provinz grundsätzlich junge Richter und Richterinnen zum Sammeln von Berufserfahrung geschickt würden, der irrt. Der Präsident des Mannheimer Arbeitsgerichtes, Rolf Maier, und eine erfahrene Kollegin, Sima Faggin, halten in der mit knapp 24 000 Einwohnern größten Stadt des Neckar-Odenwald-Kreises Gerichtstage ab. Dank elektronischer Akten müssen Ordner mit Schriftsätzen nicht mehr hin und her transportiert werden.

Zuständig für Heidelberg und die Landkreise Rhein-Neckar und Neckar-Odenwald

  • Das erstinstanzliche Arbeitsgericht Mannheim (Adresse E 7,21) ist auch für Heidelberg (dort zwei Außenkammern) und für die Landkreise Rhein-Neckar und Neckar-Odenwald zuständig. Bei den insgesamt 3891 Klagen, die 2022 eingingen, standen Kündigungsschutzverfahren im Mittelpunkt. Mehr als zwei Drittel mündeten in einen Vergleich.
  • Die meist wöchentlichen Gerichtstage in Mosbach decken derzeit der Präsident des Arbeitsgerichtes und eine Richterin mit jeweils einem Teil ihrer Deputate ab. Aus dem Neckar-Odenwald eingehende Klagen werden als Blöcke gesammelt und terminiert.
  • Bei Konflikten rund um den Job haben sich auswärtige Verhandlungen durchgesetzt. So bietet das Arbeitsgericht Ludwigshafen Gerichtstage in Neustadt/ Weinstraße.
  • Das Justizministerium kann überdies anordnen, dass auch Amtsgerichte jenseits ihres Sitzes präsent sind. Beispielsweise gewährt das Amtsgericht Heidelberg in Eberbach Sprechstunden mit Beratung.

Es ist ein Freitag, als sich auch eine Journalistin nach Mosbach aufmacht, um den Vor-Ort-Service der Justiz zu erleben. Das Gast-Domizil erweist sich als geschichtsträchtig - im Gegensatz zu jenem ehemaligen Bürogebäude, das im Mannheimer E 7-Quadrat dem Arbeitsgericht als Stammsitz dient. Bei den Außen-Gerichtstagen werden dort Kündigungskonflikte, Lohnstreitigkeiten und Zeugnisformulierungen ausgeleuchtet, wo der 1686 gegründete Franziskanerorden eine Sakralanlage erbaute. In dem wunderbar sanierten Kloster, dessen Schließung politisch bereits 1808 verfügt wurde, residieren nach einer Vogtei und mehreren Behörden inzwischen das Amtsgericht wie auch das übergeordnete Landgericht. Von deren Sitzungssälen stehen an festgelegten Wochentagen zwei den Arbeitsrichtern aus Mannheim zur Verfügung. Weil die „Ehrenamtlichen“ aus und um Mosbach berufen werden, bleiben ihnen lange Anfahrtswege erspart.

Hier in Mosbach läuft alles ein bisschen familiärer ab
Rolf Maier Präsident des Mannheimer Arbeitsgerichtes

Bei Güteterminen wird am Arbeitsgericht um Vergleiche gerungen 

An diesem Freitag stehen sowohl bei dem angereisten Arbeitsgerichtspräsidenten wie seiner Richterkollegin ausschließlich Gütetermine an. Und dies bedeutet: Konflikte werden zunächst ohne dreiköpfige Kammer diskutiert - mit dem Ziel, sich vor allem dann auf einen Kompromiss zu einigen, wenn die jeweilige Sachlage nicht eindeutig signalisiert, wer vermutlich als Sieger und wer als Verlierer aus dem Prozess hervorgeht. Und deshalb wird auch bei Außen-Gerichtstagen um Vergleiche gerungen, die Klägern und Beklagten ermöglichen, sich irgendwo in der Mitte zu treffen.

Und was unterscheidet arbeitsgerichtliche Verfahren in Mosbach von jenen in Mannheim? „Juristisch überhaupt nichts“, betonen Rolf Maier und Sima Faggin. Allerdings gelte es deutlich weniger Beschlussverfahren zu entscheiden - und damit kollektivrechtliche Auseinandersetzungen. Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der vor dem Kadi landet, entwickelt sich nämlich meist in Großunternehmen an Industriestandorten. „Außerdem haben wir so gut wie keine Masseverfahren“, so Arbeitsgerichtspräsident Maier und meint damit Klagewellen zu gleichgelagerten Rechtsfragen. Beispielsweise um Nachtschichtzuschläge. Dazu haben Einzelklagen von Männern und Frauen des in der Quadratestadt ansässigen Coca-Cola-Werks vor einigen Jahren fast alle Kammern des Arbeitsgerichtes Mannheim beschäftigt.

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„Hier in Mosbach läuft alles ein bisschen familiärer ab“, bringt Rolf Maier seine Erfahrung auf den Punkt. Richterin Sima Faggin nickt zustimmend und ergänzt, es als „angenehm“ zu empfinden, sich für einzelne Verfahren mehr Zeit lassen zu können. Manchmal auch, weil angesetzte Verhandlungen kurzfristig abgesagt beziehungsweise verlegt werden. Oder vorab eine außergerichtliche Einigung erfolgt. „Dann sitzt man schon mal zwischendrin zwei, drei Stunden rum“, so Sima Faggin.

Mit Rolf Maier ist sie sich einig: Der Blick aus den Sitzungszimmern in den gepflegten ehemaligen Klostergarten mit altem Baumbestand fördere eine entspannte Atmosphäre. Dass auf jenem Areal, wo sich einst die Kirche der Franziskaner himmelwärts reckte, heute das Mosbacher Gefängnis (als Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Adelsheim) befindet, wird bei Auseinandersetzungen rund um den Job eher als Kuriosität betrachtet.

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Vor dem Arbeitsgericht geht es auch um Lebensentwürfe und Selbstwertgefühl

Bekanntlich spielen in der Arbeitsgerichtsbarkeit weder Freiheitsentzug noch andere Strafen eine Rolle. Gleichwohl geht es häufig um sehr viel. Auch um Lebensentwürfe und damit verknüpftes Selbstwertgefühl. Dies blitzt bei einem Gütetermin auf: Eine Fachberaterin, die nach 16 Jahren unbeanstandeter, weitgehend eigenständiger Tätigkeit von einem neuen Teamchef kontrolliert wird, empfindet die seitdem gegen sie ausgesprochenen Ermahnungen wie Abmahnungen als demütigend. Die seelische Kränkung sitzt so tief, dass der krankgeschriebenen Mittfünfzigerin eine 50-prozentige Behinderung zugesprochen wurde. Arbeitsrichter Maier erkennt bei den emotionalen Ausführungen beider Parteien, dass eine Zusammenarbeit wohl nicht mehr möglich sein dürfte - zumal die Klägerin auch in Akten nachgewiesene Fehler als „an den Haaren herbeigezogen“ sieht und sich gemobbt fühlt. Der Richter legt der Arbeitgeberin nahe, ein akzeptables Angebot zu unterbreiten. Nach einer Verhandlungspause für Gespräche einigt man sich auf eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung samt Abfindung in Höhe von 37 000 Euro. Außerdem erreicht die Anwältin, dass ihre Mandantin für das zugesagte wohlwollende Zeugnis einen Entwurf formulieren darf.

Freie Autorin

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