Die Schule ist gerade zu Ende gegangen an jenem Dienstag, 24. Januar. Die Neuntklässlerin Sophia Belakov steht mit Klassenkameraden am Bahnhof in Neckargemünd und wartet auf die S-Bahn. Da sieht sie einen jungen Mann auf den Gleisen, der nicht auf Rufe reagiert. Die 15-Jährige reagiert – und rettet so dem jungen Mann, der danach in den Neckar springt, das Leben. Dafür wurden Sophia aus Schönau und zwei weitere Schüler sowie zwei Lehrer jetzt im Neckargemünder Rathaus im Rahmen der Aktion „Beistehen statt rumstehen“ geehrt.
„Ich stand ganz am Ende des Bahnsteigs“, erinnert sich Sophia. Der junge Mann sei zwischen den Schienen in Richtung der Neckarbrücke gelaufen. Die Jugendliche zögerte nicht, lief in Richtung der wartenden S-Bahn und signalisierte dem Fahrer den Notfall. Dann folgte sie dem offenbar Lebensmüden auf dem Gleis. Sie weiß: Jede Minute könnte aus der Gegenrichtung die S-Bahn in den Bahnhof einrollen.
Sophias Klassenkameraden Berfin aus Neckarsteinach und Dominik Kratz aus Leimen, beide besuchen die Realschule Neckargemünd, laufen ebenfalls los und alarmieren weitere Hilfe. Der S-Bahnfahrer gibt laute Signale.
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„Ich habe das Hupen des Zuges gehört und wusste, da muss etwas passiert sein“, beschreibt Patrick Helten aus Speyer das Geschehen. Der Lehrer des Max-Born-Gymnasiums Neckargemünd und sein Kollege Frank Steininger rennen zur Brücke. Beide unterrichten nicht nur Sport und Gemeinschaftskunde, sondern sind zudem ausgebildete Rettungsschwimmer – was wenig später für den jungen Mann auf den Schienen entscheidend wird. Der war inzwischen auf der Brücke.
Ins fünf Grad kalte Wasser
„Ich sah, dass er an ausgestreckten Armen unter der Brücke hing. Plötzlich hörte ich ein Platschen“, beschreibt Helten die folgenden Minuten. Er rennt die rund 400 Meter zum Flussufer und behält dabei den im Wasser treibenden Körper im Blick: „Während ich mich bis auf die Unterhose ausgezogen habe, habe ich versucht, die Strömung abzuschätzen.“ Dann geht der 41-Jährige ohne zu zögern ins nur etwa fünf Grad kalte Neckarwasser und schwimmt auf den jungen Mann zu. Der scheint inzwischen bereits sehr schwach zu sein und lässt sich widerstandslos im Wasser in den Rettungsgriff nehmen. Sein Retter schwimmt los. „Meine Muskeln wurden von der Kälte hart“, erinnert sich der Sportlehrer. Doch er sieht seinen Kollegen am Ufer und weiß: Er ist nicht alleine. Steininger und Schüler Kratz gehen ebenfalls ins Wasser. „Die Außentemperatur lag bei zwei Grad“, wissen beide heute. Sie bilden eine Kette im Fluss, ziehen den regungslosen Körper ans steile Ufer und schließlich mit den alarmierten Rettungskräften an Land.
„Ich bin wirklich begeistert, was ihr als Team geleistet habt“, lobt Bürgermeister Frank Volk. Auch der Leiter des Polizeireviers Neckargemünd Gerhard Mackert und die Geschäftsführerin des Vereins Kommunale Kriminalprävention Rhein-Neckar, Tanja Kramper, sind beeindruckt. „Ihr Verhalten zeigt, dass es Menschen gibt, die helfen und nicht wegschauen“, unterstreicht Kramper dankbar. Solche Signale seien sehr wichtig für das Sicherheitsempfinden der Menschen einer Stadt oder Gemeinde. „Bis wir vor Ort waren, waren bereits wichtige Weichen gestellt“, erklärt Mackert. Über das Notfallmanagement der Bahn war die Strecke bereits gesperrt.
Eine halbe Stunde, nachdem er das Hupsignal des Zuges gehört hatte, sitzt Helten in einer S-Bahn, die ihn nach Hause bringt. „Ich habe nicht groß nachgedacht, bon einfach ins Wasser gesprungen“, beschreibt er sein mutiges Handeln, das ihm auch selbst hätte gefährlich werden können. Die Retter bleiben zum Glück unversehrt.
Schulübergreifend agiert
„Neckargemünd ist eine Schulstadt. Rund 2800 Schülerinnen und Schüler besuchen unter anderem sechs kommunale Schulen“, ergänzt Volk. Dass in diesem Fall Jugendliche der Realschule mit Lehrern des Gymnasiums Hand in Hand zusammen agiert hätten, findet der Bürgermeister besonders beeindruckend. Das können die Schulleiter Ulrich Falter und Joachim Philipp nur unterstreichen.
Der Notfall-Einsatz ist im Unterricht nachbereitet worden. „Den Schülern war es sehr wichtig zu erfahren, ob es dem jungen Mann gut geht, dass er im Krankenhaus behandelt wird und jemanden hat, der sich um ihn kümmert“, erinnert sich Falter. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes kennt niemand den Namen.
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