Verbraucherschutz

Lebensmittelkontrolleure aus dem Rhein-Neckar-Kreis berichten

Getrickstes Olivenöl und falsche Seezungen - 22 Betriebe aus dem Rhein-Neckar-Kreis mussten im vergangenen Jahr vorübergehend schließen. Auch Lieferdienste könnten dabei eine Rolle spielen

Von 
Stephan Alfter
Lesedauer: 
Backwaren mit Mottennesttern: Auch diese Entdeckung machten die Lebensmittelkontrolleure des Rhein-Neckar-Kreises im vergangenen Jahr. © Rhein-NEckar-Kreis

Rhein-Neckar. Als es in Deutschland im Spätjahr 2005 zu einer Reihe von Skandalen um verdorbenes Fleisch kommt, da ekelt sich die ganze Republik. Es geht um unterbrochene Kühlketten und um Schlachtabfälle, die neu etikettiert werden. Damals entsteht der Begriff Gammelfleisch, und Lebensmittelkontrollen nehmen rapide zu.

Im Rhein-Neckar-Kreis schauten sich im vergangenen Jahr 17 Mitarbeiter in 1722 von etwa 8500 Betrieben um - darunter Restaurants, Kiosken und Fabriken. Im Fokus: die Küchen, die Theken, das Getränkelager, die Maschinen und die Lebensmittel selbst. 22 Mal fiel danach das Urteil: Hier darf es vorübergehend keine Nahrungsmittelproduktion geben. Ein Beispiel ist eine inzwischen ganz geschlossene Bäckerei in Edingen-Neckarhausen. Dort konnte man einer Mäuseplage und dem dadurch verbreiteten Kot nicht adäquat begegnen, wie Beschäftigte des Kreises feststellten.

Billiger Rum statt Markenprodukt

Aufgefallen ist den Kontrolleuren auch, dass Verbraucher oftmals getäuscht werden: Da, wo Olivenöl drauf steht, ist nicht zwangsläufig Olivenöl drin. Immer wieder komme es vor, dass es sich um eingefärbtes Sonnenblumenöl handelt, hat Rudi Wolf, langjähriger Leiter des Referats Verbraucherschutz, festgestellt. So viel Olivenbäume gebe es auf der Welt nicht, wie Olivenöl auf dem Markt sei. Statt Bacardi werde mitunter ein billigeres Produkt in Kneipen ausgeschenkt.

Und dann ist da noch die Seezunge, ein delikater Speisefisch, der üblicherweise ziemlich teuer auf der Speisekarte steht. „In vielen Gaststätten wird Seezunge angeboten. Tatsächlich handelt es sich aber manchmal um Rotzunge oder Tropenzunge“, sagt Wolf. Die günstigere Variante.

Zahlen und Fakten aus dem Jahresbericht 2022

  • 2458 Kontrollen in 1722 Betrieben gab es 2022. Während der Pandemie Im Jahr 2021 waren es 2125 Kontrollen in 1212 Betrieben
  • 340 Mängelberichte wegen Verstößen gegen das Lebensmittelrecht wurden geschrieben.
  • Es gab 172 lebensmittelrechtliche Ordnungsverfügungen.
  • Es kam zu 18 Bußgeld- und zwölf Strafverfahren
  • Zwölf Mal wurde die Abgabe der Lebensmittel verboten oder eingeschränkt.
  • Zehn Mal wurde angeordnet, Lebensmittel zu vernichten
  • Das Veterinäramt und der Verbraucherschutz kontrollieren alle Unternehmen im Rhein-Neckar-Kreis, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen.
  • Hinzu kommen Vereins- und Straßenfeste und Betriebe, die mit kosmetischen Mitteln handeln. Auch Tabakerzeuger werden beispielsweise überwacht. sal

Wieder zugenommen hat die Anzahl der Beanstandungen im Rhein-Neckar-Kreis insgesamt. In 340 Fällen mussten Mängelberichte verfasst werden. So wurden Wiederholungskontrollen notwendig, die kurzfristig geschlossenen Betriebe konnten in der überwiegenden Anzahl schnell wieder geöffnet werden.

Betroffen waren zuletzt ein Unternehmen in Ketsch und ein weiteres in Weinheim, wie man auf einer Verbraucherschutzseite des Landes Baden-Württemberg leicht feststellen kann. Weil es sich meist um erhebliche Mängel in der Grundhygiene gehandelt habe, habe sehr oft ein ausgiebiges Putzen der Räumlichkeiten ausgereicht, berichten die Prüfer.

Mehr zum Thema

Hygiene

Kontrollen in Ludwigshafen: Abgelaufene Babynahrung, Rattenfalle auf dem Herd

Veröffentlicht
Von
Julian Eistetter
Mehr erfahren
Einkaufen

Ladensterben in Ludwigshafen: Stadt will Nahversorgung in Ortsteilen sichern

Veröffentlicht
Von
Julian Eistetter
Mehr erfahren
Umweltstreit

U-Boot-Transport nach Speyer ohne offizielle Genehmigung der Stadt

Veröffentlicht
Von
Stephan Alfter
Mehr erfahren

Dass es diese Vorkommnisse in gehäufter Form gibt, hat nach Ansicht Wolfs auch mit dem Boom bei Essenslieferungen zu tun. Teilweise werde in kleinen Räumen nur für Lieferdienste wie Uber Eats oder Lieferando produziert. Der enge Zeitrahmen von Bestellungen reduziere die Zeit für Putzarbeiten, so die Annahme der Verbraucherschützer. Ein weiterer Faktor ist womöglich in der oftmals knappen Personaldecke der Betriebe zu suchen.

Flächendeckende Kontrollen nicht möglich

Besonderes Augenmerk richteten die Verbraucherschützer auf Cannabidiol-Produkte, also Aromaöle, Mundspray und andere Erzeugnisse. CBD-haltige Artikel sind in der EU nicht verkehrsfähig, dürfen also nicht verabreicht werden. Als innerhalb einer landesweiten Schwerpunktkontrolle in den vergangenen Monaten zwei hiesige Händler überprüft wurden, da wurde ihnen der Verkauf verboten.

Dominika Hagel leitet das Veterinär- und Verbraucherschutzamt im Kreis. Sie sagt, dass allen Verbrauchern klar sein müsse: „Wir können nicht permanent und flächendeckend überall kontrollieren.“ De facto ist die Lebensmittelüberwachung nicht der einzige Tätigkeitsbereich, der arbeitsintensiv ist. Es geht auch um Kommunikation.

Glassplitter in der Packung

Jeder kennt die Rückrufmeldungen aus der Lebensmittelbranche. Salmonellen in der Sesampaste. Oder Glassplitter in der Packung. Wenn im Landratsamt solche Mitteilungen eingehen, muss es schnell gehen. Rudi Wolf beschreibt: „Wir treffen umgehend erforderliche Maßnahmen, damit das beanstandete Produkt nicht mehr in Verkehr gebracht wird, und informieren Betriebe, die mit den betroffenen Produkten beliefert wurden, damit diese schnellstmöglich handeln können.“

Hagel ergänzt, dass die Verantwortung für die Sicherheit der Lebensmittel jedoch immer bei den Unternehmen selbst liege, nicht bei der Behörde. Dies sei auch so in der EU-Gesetzgebung, die für alle EU-Mitgliedstaaten gilt, verankert. Eine permante Überwachung sei schon aufgrund der Anzahl der Betriebe nicht durchführbar. „Die Eigenverantwortung steht an oberster Stelle, und kein Hersteller oder Händler kann sich damit aus seiner Verantwortung stehlen, dass schon lange keine Kontrolle mehr stattgefunden hat“, sagt sie. Diese erfolgen nach bestimmten Rhythmen, aber bei Hinweisen auch außerplanmäßig.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen