Rhein-Neckar. Die neueste Aktion der Mannheimer Initiative „Hellwach mit 80 km/h“ hat in diesen Tagen eine erschreckende Aktualität bekommen: Am Freitag haben Einsatzkräfte gleich mit zwei schweren Unfällen in der Region zu tun gehabt. Kurz vor 12 Uhr rast ein 53-jähriger Lkw-Fahrer mit hoher Geschwindigkeit am Walldorfer Kreuz von der A 5 auf die Parallelfahrbahn, verreißt ganz offensichtlich aus unbekannten Gründen das Lenkrad, schlägt mehrfach in die Schutzplanken links und rechts der Fahrbahn ein. Der Lkw bleibt quer zur Fahrbahn stehen, das Fahrzeug fängt Feuer, der Fahrer stirbt in seiner Führerkabine.
Keine 20 Kilometer davon entfernt gibt‘s den nächsten Crash am Freitagabend. Ein weiterer Lkw-Fahrer ist zwischen Sinsheim und Wiesloch/Rauenberg ganz offensichtlich nicht mit offenen Augen auf der Straße vor sich. Er prallt laut Polizei ungebremst auf ein Absperrfahrzeug der Autobahnmeisterei, das einen Pannen-Lkw auf der Standspur absichert. Die Fahrer-Kabine des Unfall-Lkw wird zertrümmert, der Fahrer schwer verletzt.
Bereits Mitte Mai gab es ebenfalls in diesem Bereich einen schweren Unfall mit ähnlichem Ablauf: Ein Lkw prallt ungebremst auf ein Stauende vor der Baustelle. Drei Menschen, darunter auch der Unfallverursacher, werden schwer verletzt.
Ein schlimmer Unfall von 2018 lässt Schäfer nicht mehr los
Es war ein noch schlimmerer Unfall am Rosenmontag 2018, wieder am Walldorfer Kreuz, der den früheren Mannheimer Verkehrspolizeichef Dieter Schäfer bis heute nicht mehr loslässt. Er selbst sagt, dass dieser Unfall auch bei ihm selbst eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst hat – auch wenn er gar nicht selbst am Unfallort war. Dort löschte der Unfallfahrer eine ganze Familie aus.
Nur ein junges Mädchen überlebte wie durch ein Wunder. Schäfer hat sie mittlerweile kennengelernt, mit ihr gesprochen. Er hat gesehen, wie der Unfall ein Leben brutal verändert hat und mit wieviel Kraft sich die junge Frau seitdem zurück ins Leben kämpft.
Kampf gegen den Unfalltod am Stauende
Auch diese Erfahrung hat den hartgesottenen Polizisten, der in seiner Karriere jede Menge Not und Elend auf den Straßen gesehen hat, nicht mehr losgelassen. Seitdem kämpft Schäfer mit seinen nicht minder engagierten Mitstreitern Roland Koch von der Mannheimer Versicherung und Konrad Fischer, dem früheren Mannheimer Contargo-Chef, gegen den Unfalltod am Stauende. Die Initiative Hellwach mit 80 wirbt bei Speditionen, Versicherungen, Logistik-Verbänden mit zehn Regeln, die im Grunde banal sind, aber trotzdem immer wieder missachtet werden, mit dramatischen, nicht selten tödlichen Folgen. Eine Studie des Deutschen Verkehrssicherheitsrates belegt, dass durch einen solchen tödlichen Unfall 113 Menschen eine posttraumatische Belastungsstörung erleiden: Helfer, Augenzeugen, Angehörige. Schäfer hat ein Buch für Lkw-Fahrer geschrieben („Max Achtzig - 40 Tonnen Verantwortung“), vor einer UN-Konferenz in Genf referiert – der Chef des Internet-Großhändlers Amazon für weltweite Verkehrssicherheitsfragen, Tim Goodman, hat ihm die Rednerbühne überlassen. Die Mannheimer Initiative schult Fahrer, wird mittlerweile von einer Vielzahl von Firmen und Verbänden unterstützt, auch über Deutschland hinaus.
Damit die Botschaft noch mehr verfängt, vielleicht noch mehr Menschen erreicht, geht Schäfer jetzt einen ganz neuen Weg: Er will die Botschaft über die Emotion transportieren. Udo Schöpf, Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik und ebenfalls ein mächtiger Unterstützer der Initiative Hellwach mit 80 km/h, hat ihn auf die Idee gebracht: „Wir müssen Prävention mehr über Emotion betreiben“, postuliert Schöpf. Und Schäfer wählt die Musik als Emotionsträger. Gerne hätte der bekennende Fan der Bee Gees ein Stück der australischen Gruppe genommen, umgetextet und neu vertonen lassen. Es scheiterte an den Lizenzen und Urheberrechten. Als rechtlich saubere Alternative hat Schäfer nun die Künstliche Intelligenz (KI) genutzt. Er schrieb einen Songtext und ließ ihn vom Computerprogramm Suno vertonen – in acht verschiedenen Stilen: als Blues, Poprock-Song, Schlager, R&B, Rock-Song zweimal im Country-Stil.
Die einfache Botschaft: Pass auf, pass auf!
In allen – sehr unterschiedlichen – Versionen singt die KI-Stimme denselben Refrain: „Und ich hab da eine Botschaft an alle: Passt auf, passt auf! Nur Sekunden und du zerstörst ein Leben. Pass auf, pass auf.“ Die Songs sollen auf zahlreichen unterschiedlichen Plattformen, unter anderem auf Youtube und Spotify. Schäfers Idee ist es nun, diesen Song in den kommenden Monaten intensiv zu bewerben. „Ich träume von einer Hymne“, gesteht er.
Schäfers ehrgeiziger Plan: Ende September findet in Karlsruhe die Nutzfahrzeugmesse NUFAM statt. Dort trifft sich die Logistikbranche aus dem In- und europäischen Ausland. Dort würde er gerne die Version der Präventionshymne live spielen lassen, die am meisten geklickt wurde und damit der Publikumsliebling ist. So hofft er auf Verbreitung der Ideen in einem anderen, vielleicht noch größeren Kreis. Den Mannheimer Kulturbürgermeister Thorsten Riehle hat Schäfer als ideellen Unterstützer mit dieser Aktion schon auf seiner Seite.
Die einzelnen Songversionen finden sich als Link auf der Internetseite der Initiative hellwach mit 80 km/h.
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