Initiative

Mannheimer Projekt „Max Achtzig“ auf UN-Bühne in Genf

Der frühere Mannheimer Verkehrspolizeichef Dieter Schäfer präsentiert die Unfallpräventions-Initiative Max Achtzig bei der UN in Genf.

Von 
Bernhard Zinke
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Max Achzig. Die Comic-Figur steht für die Mannheimer Initiative zur Vermeidung von Unfällen im Schwerlastverkehr. © Karl Gärtner

Rhein-Neckar. Der tragische Unfall am Rosenmontag 2018 hat den früheren Mannheimer Verkehrspolizeichef Dieter Schäfer nie wieder losgelassen. Am Walldorfer Kreuz starben vier Menschen, weil ein Lkw-Fahrer ungebremst ins Stauende gerast war. Nur ein junges Mädchen überlebte den grauenvollen Unfall. Seitdem ist Schäfer gemeinsam mit seinen Mitstreitern, dem Marketingchef der Mannheimer Versicherung, Roland Koch, und dem früheren Mannheimer Contargo-Chef Konrad Fischer, unermüdlich in Sachen Unfallprävention unterwegs. Ihre Initiative „Max Achtzig“ ist mittlerweile deutschlandweit in der Logistikbranche präsent. Bei Fahrsicherheitstrainings und in Schulungen predigt Schäfer unermüdlich Achtsamkeit und Aufmerksamkeit im Führerhaus von Lkw. Jetzt bekommt der Verkehrsexperte die ganz große Bühne, um für die Idee zu werben. Schäfer spricht am kommenden Montag, 10. März, beim Forum der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa UNECE in Genf – ein Ritterschlag für die Mannheimer Idee.

Dieses globale Forum beschäftigt sich mit der Straßenverkehrssicherheit. Die Vereinten Nationen haben es sich zum Ziel gesetzt, innerhalb von zehn Jahren die Zahl der Todesfälle und Verletzungen durch Verkehrsunfälle zu halbieren. Weltweit fordern Verkehrsunfälle jährlich fast 1,2 Millionen Menschenleben. Das sind etwa 3.200 am Tag. Die UN-Generalversammlung hat dazu eine Aktionsdekade von 2021 bis 2030 ausgerufen. In Genf wird es einen Zwischenbericht zur Halbzeit geben. Und Dieter Schäfer darf das in Mannheim entstandene Projekt „Max Achtzig“ als Best Practise-Beispiel dort vorstellen. „Es ist vieles auf dem Weg in der Unfallprävention“, weiß Schäfer, „aber die Halbierung der Zahlen ist noch lange nicht geschafft. Die Entwicklung stagniert.“

Versandhändler Amazon überlässt Dieter Schäfer das Rednerpult

Den Weg zum Rednerpult in Genf hat ihm Tim Goodman geebnet. Der Amerikaner ist der stellvertretende Chefsyndikus des Versandhandelskonzerns Amazon und zuständig unter anderem für die weltweite Straßenverkehrssicherheit seines Unternehmens. Der wurde auf Dieter Schäfer während dessen leidenschaftlichen Vortrags zur Verkehrssicherheit bei einem Kongress in Barcelona aufmerksam. Er suchte den Kontakt und lud ihn schließlich ein, in Genf zu sprechen. „Tim Goodman hat eigentlich eine halbe Stunde Redezeit vor dem Forum. Er wird fünf Minuten in das Thema einführen und dann das Wort an mich weitergeben“, freut sich Schäfer.

Dieter Schäfer, früherer Chef der Verkehrspolizei des Polizeipräsidiums Mannheim. © Dieter Schäfer

Der frühere Verkehrspolizeichef wird angesichts stagnierender Zahlen bei den Todesopfern für die Max-Achtzig-Idee werben. Der einzige, der gegenwärtig sicher einen Unfall vermeiden könne, sei der Lkw-Fahrer. „Wir müssen durch intensive, aber einfache Aufklärung und Schulung die Fahrer ertüchtigen, Unfallgefahren zu erkennen“, mahnt Schäfer. Dazu hat er mit seinen Mitstreitern bekanntlich zehn Regeln aufgestellt, die Fahrer im Sinne der Verkehrssicherheit beachten sollten. Im Grunde seien das alles Binsenweisheiten – sich nicht ablenken lassen, Pausen- und Lenkzeiten einhalten, keine Handys am Steuer benutzen, auch kein Alkohol. Aber deshalb seien sie nicht falsch und würden trotzdem immer wieder missachtet.

Max Achtzig - 40 Tonnen Verantwortung

Nicht zuletzt deshalb hat Schäfer ein Buch geschrieben. „Max Achtzig - 40 Tonnen Verantwortung“ heißt es und richtet sich in einfacher Sprache an die Lkw-Fahrer. Die hätten in der Regel keine akademische Bildung. Deshalb ist das Bändchen auch dünn gehalten, dass es nicht schon vom bloßen Umfang abschreckt. Es gibt mittlerweile auch eine englische und – mithilfe von Amazon – eine polnische Übersetzung. Schließlich ist Polen ein wichtiger Markt. Nach Expertenschätzungen sind 24 Prozent aller Trucker europaweit im Auftrag einer polnischen Spedition unterwegs. Nach den Zahlen der International Road Transport Union (IRU) sind in Polen 640.000 Fahrer beschäftigt.

Max Achzig

Dieter Schäfer, Konrad Fischer und Roland Koch hoben gemeinsam nach einem schweren Unfall im Februar 2018 die Initiative Max Achtzig aus der Taufe. Der zugehörige Verein heißt „Hellwach mit 80 km/h“.

Max Achtzig steht für das maximale Tempo von 80 Studenkilometern , das für Lkw auf der Autobahn gilt.

Der Mannheimer Illustrator Karl Gärtner hat als Maskottchen eine Comicfigur für die Initiative entwickelt.

Mittlerweile ist die Initiative in allen wesentlichen Logistikverbänden, bei Transport-Unternehmen und auch beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat angekommen. Mehr als 60 Unternehmen und Verbände sind Mitglied der Initiative.

Infos und Max-Achtzig-Regeln unter www.hellwach-mit-80-kmh.de. bjz

Schäfer beobachtet zwar, dass sich auch bei den Assistenzsystemen in den Lkw vieles tut. Auch die Künstliche Intelligenz helfe bei der Weiterentwicklung, habe durchaus das Potenzial zum „Gamechanger“. Voraussetzung sei natürlich, dass die Fahrer mit diesen Systemen richtig umgehen könnten. Auch gebe es einen Lückenschluss im 5-G-Netz entlang der Autobahnen. Dieses könne die Fahrer in Echtzeit vor Staus und potenziellen Gefahrenstellen warnen. Aber die positiven Folgen werden sich wohl erst mittelfristig einstellen.

„Du brauchst Riesen, um Berge zu versetzen. Und Amazon ist ein Riese.“

Dass Amazon ihm den Weg zum Rednerpult ebnet, weiß Schäfer durchaus einzuordnen. Zwar gebe es durchaus manche Ansätze zur Kritik, an auch Subunternehmen für die letzte Meile bei den Zustellungen. Aber mit seiner eigenen Logistik sei Amazon auf dem richtigen Weg. In den Lkw würden die besten verfügbaren Assistenzsysteme verbaut. Und der Logistikgigant sorge dafür, dass die Fahrer an den Abladestellen auch tatsächlich nicht selbst Hand anlegen müssten, in den klimatisierten Wartebereichen Kaffee und Wasser gereicht bekämen. „Du brauchst Riesen, um Berge zu versetzen. Und Amazon ist ein Riese“, sagt Schäfer. Die Chance, vor einem solchen internationalen Publikum zu sprechen, komme nie wieder. Seine Mitstreiter Konrad Fischer und Roland Koch pflichten ihm bei: „Das wird unserer Bewegung für mehr vorausschauendes und rücksichtsvolles Fahren und der Max-Achtzig-Idee immense Schubkraft verleihen.“

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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