Mannheim. Rhein-Neckar. Wie ein Mantra wiederholt Mannheims früherer Verkehrspolizeichef Dieter Schäfer in all seinen Vorträgen und Interviews den Satz: „Kein Lkw-Fahrer fährt absichtlich auf das Stauende und will sich oder andere töten.“ Weil aber immer noch viel zu viele schwere Unfälle an Stauenden passieren, kämpft die im Mannheimer Hafen gegründete Initiative „Hellwach mit 80 km/h“ dagegen an und setzt vor allem auf Aufklärung.
Mittlerweile haben sich fast 50 Unternehmen und Organisationen der Initiative angeschlossen, treiben die Überzeugungsarbeit bundesweit voran. Zuletzt hat der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), Deutschlands bedeutendste Unfallpräventionsorganisation, seinen Beitritt erklärt. Nun macht sich auch die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) das Konzept von „Hellwach mit 80 km/h“ zu eigen. Und setzt dabei bewusst auch auf Schockmomente.
Gefahren plastisch vor Augen
Im Gepäck hat die BG bei ihren Schulungen auch einen Anhänger, auf dem das völlig zerstörte Führerhaus eines Daimler Actros steht. In diesem Cockpit ist am 13. Juli 2021 auf der A 6 am Walldorfer Kreuz ein 43-jähriger Lkw-Fahrer aus Rheinland-Pfalz ums Leben gekommen. „Er hinterließ eine Frau und 2 Kinder“ steht auf einem Plakat daneben. Auf einem anderen Banner sind Originalbilder vom Unfall zu sehen. „Wir klären seit Jahr und Tag über die Folgen von Unfällen auf. Aber es ist etwas komplett Anderes, wenn wir den Fahrern die Folgen sehr plastisch mit diesem Wrack vor Augen führen“, erläutert Klaus Schäfer, Präventionsleiter der BGHW aus Mannheim. Immerhin ist die Berufsgenossenschaft als Unfallversicherung auch mit dem gesetzlichen Auftrag der Prävention ausgestattet und einer der größten Qualifizierer im Logistik-Gewerbe. Täglich finden vier bis sechs Seminare zu allen möglichen Themen statt. Auch Fahrsicherheitstrainings gehören zum Programm. Jetzt werden auch die „Max Achtzig“-Regeln geschult, also Pausen einzuhalten, sich am Steuer nicht ablenken zu lassen, beim Fahren nur zu telefonieren, wenn’s notwendig ist und auch dann nur mit Freisprecher, keinen Alkohol zu trinken.
„Im Grunde sind das alles Selbstverständlichkeiten“, weiß Dieter Schäfer. Aber zuviele Fahrer blendeten die Gefahren aus, die im 40-Tonner mitfahren, wenn der Mann am Steuer unaufmerksam ist. „Wir kommen wir in deren Köpfe“,laute die Kernfrage. Es müsse das Gefahrenradar des Lkw-Fahrers geschärft werden. Denn - das haben Untersuchungen ergeben. 90 bis 95 Prozent der schweren Unfälle passieren durch Ablenkung der Fahrer. Wenn es also im Polizeibericht heißt „aus unbekannter Ursache“, war meist das Handy im Spiel oder irgendeine andere Ablenkung. Auch der Sekundenschlaf sei ein Thema, bedingt durch permanenten Stress und übermäßigen Termindruck durch Zeitschienen an den Auf- und Abladestellen. Hinzu komme die Parkplatzsuche zum Feierabend, die meist schon um 15.30 Uhr beginne.
"Haben massives Fortbildungsproblem"
Ein Herzensanliegen ist Schäfer auch die Schulung des richtigen Umgangs mit dem Notbremsassistenten. Der kann verhindern, dass es selbst beim Einsatz 30 Meter vor dem letzten Fahrzeug im Stau noch mit glimpflichem Blechschaden ausgehen kann - wenn der Fahrer das System nicht unbeabsichtigt abschaltet, indem er beispielsweise vor Schreck das Lenkrad verzeiht und damit das System deaktiviert. 25 Prozent der untersuchten Unfall-Lkw hätten ein funktionsfähiges Bremssystem an Bord gehabt. „Wir haben ein massives Fortbildungsproblem“, weiß Schäfer, der mit dem Prokuristen der Mannheimer Versicherung, Roland Koch, und dem früheren Mannheimer Contargo-Chef Konrad Fischer die Initiative 2018 aus der Taufe hob. Deswegen setzt Schäfer drauf, dass die Figur „Max Achtzig“, dem sympathischen Fernfahrer die Ideen des richtigen Verhaltens im Straßenverkehr bei den Lkw-Fahrern triggert - über alle Sprachgrenzen hinweg.
„Diese Initiative ist definitiv unterstützenswert“, sagt auch Ismail Ertug, SPD-Europaabgeordneter und zuständig für den Güterverkehr, beim Ortstermin in der Mannheimer Spedition Graeff. Ziel müsse sein, den Markt und Wettbewerb in der Logistik europaweit zu regeln.
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