In einem Pflegeheim in Brandenburg sind vergangene Woche zwölf Menschen nach einem Corona-Ausbruch gestorben. Inzwischen gibt es nach Medienberichten eine Strafanzeige wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Das Personal war – wie später bekannt wurde – nur zu 50 Prozent geimpft. Das ist schon krass. Wie verantwortungslos und unsolidarisch kann man denn diesen schwächsten Gliedern der Gesellschaft gegenüber eigentlich sein?
Dass eine Corona-Infektion insbesondere in dieser Alterskohorte vergleichsweise oft tödlich ist, sollte selbst derjenige inzwischen mitbekommen haben, der die „Tagesschau“ zwei Jahre lang verschlafen hat. Und dass aufgrund solcher – mit Verlaub – Dummheiten nun eine Debatte über eine Impfpflicht daherkommt, das braucht wirklich niemanden mehr zu überraschen.
Das große Jammern von Querdenkern, die es unter Pflegekräften offenbar mindestens genauso oft gibt wie im Rest der Republik, lässt sich ahnen. Sie werden argumentieren, dass Jens Spahn im vergangenen Jahr im Bundestag noch hoch und heilig versprochen habe, dass es in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben werde. Allerdings kannte da der Gesundheitsminister die Delta-Variante und deren recht großes Ansteckungspotenzial noch nicht. „Wir werden uns vieles verzeihen müssen“, hatte er selbst schon zu Beginn der Krise gesagt.
Nein, der Impferfolg ist nicht so durchschlagend, wie man sich das erhofft hat – vor allem nicht bei älteren Menschen. Hinzu kommt, dass noch immer nicht genügend Bürger immunisiert sind, um lange Infektionsketten zu unterbrechen und schwere Krankheitsverläufe zu verhindern. Insofern scheint zumindest für jene Gesundheitsberufe, die über lange Zeit sehr nahe am Menschen stattfinden, eine Impfpflicht unausweichlich. Gerne hätte man verzichtet. Der Staat muss Menschen vor Fremdschädigung schützen. Das ist im Grundgesetz verbrieft. In der jetzigen Situation mit vielen Todesfällen überwiegt diese Pflicht des Staates jedes andere Grundrecht.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Pflegekräfte in der Pflicht
Stephan Alfter zur Situation der Pflegekräfte in der Pandemie