Rhein-Neckar. Im Frühjahr 2020 - die Pandemie war noch vergleichsweise jung - da prägte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn diesen inzwischen oft zitierten Satz: „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen.“ Vermutlich muss auch ihm bald verziehen werden, denn die Einführung einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wird in diesen Tagen wahrscheinlicher, obwohl Jens Spahn im Bundestag vergangenes Jahr sein Wort gegeben hat, dass es „in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben wird“.
Zumindest in der Metropolregion sind die Akteure inzwischen oft anderer Ansicht, als der noch amtierende CDU-Minister. Fast täglich kommen Ärzte, Klinikchefs, Träger von Seniorenheimen und ganze Berufsverbände hinzu. Viel Prügel musste indessen noch KliLu-Geschäftsführer Hans-Friedrich Günther in diesem Frühjahr einstecken, weil er Restriktionen für sein nicht impfwilliges Personal im Klinikum Ludwigshafen ankündigte. Der Betriebsrat schrie, die Gewerkschaft pöbelte, aber die Impfquote stieg tatsächlich nochmal an. Die Sicherheit der Patienten gehe ihm über alles, sagte Günther damals wie heute. Prominente Unterstützung bekam der KliLu-Chef in den vergangenen Tagen, während sich die vierte Corona-Welle immer weiter auftürmte, vom baden-württembergischen Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Er forderte mit Nachdruck, eine Impfpflicht für Pflegekräfte einzuführen. Unterstützt wird der Vorstoß auch von der Evangelischen Heimstiftung, die mit rund 7000 Mitarbeitern 90 Pflegeheime betreibt und damit der größte Träger in Baden-Württemberg ist.
„Gesetzgeber soll handeln“
Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider sagte aktuell: „Wir waren lange überzeugt, dass es richtig ist, auf Beratung, Information und niederschwellige Impfangebote zu setzen, aber dieses Potenzial scheint jetzt ausgeschöpft zu sein.“ Er sei ziemlich sicher, dass diejenigen Mitarbeitenden, die sich bislang noch nicht für eine Impfung entschieden hätten, ihre Meinung nicht mehr ändern würden. Der Gesetzgeber müsse jetzt für eine Impflicht sorgen. Schneider geht sogar noch weiter: Nicht nur die Beschäftigten, sondern auch Angehörige, Besucher und Gäste müssten geimpft sein. Wer in der Pflege Verantwortung übernehme für alte Menschen, der muss sein persönliches Recht, über eine Impfung zu entscheiden, zurückstellen, findet er.
In den 90 Pflegeheimen der Evangelischen Heimstiftung sind nach Darstellung des Unternehmens fast alle Bewohner zweitgeimpft, etwa 40 Prozent hätten bisher auch die Booster-Impfung bekommen. Bei Mitarbeitenden sei dagegen noch Luft nach oben - etwa 70 Prozent haben sich zweimal impfen lassen. „Das reicht eben nicht, wie einzelne Impfdurchbrüche zeigen“, so Schneider.
Kassenärzte unterstützen Pläne
Wie viele Pflegekräfte sich bei der Evangelischen Heimstiftung mit einer Impfpflicht leben könnten, ist offen. 30 Prozent der Beschäftigten sind ungeimpft. Würden sich t alle gegen eine Immunisierung entscheiden, hätte das Unternehmen ein Problem.
Pflegekräfte gibt es schließlich nicht wie Sand am Meer. Alexandra Heizereder ist Pressesprecherin des Unternehmens. Sie sagt, dass man nicht von einer Kündigungswelle ausgehe. Das zeigten auch Erfahrungen aus anderen Ländern, die eine Impfpflicht verhängt hätten. Am Ende würden sich die Leute arrangieren.
Anders sieht man es bei den Pflegeheimen von Avendi im Rhein-Neckar-Kreis, wo zwischen 75 und 85 Prozent der Mitarbeiter doppelt geimpft seien, wie Marketing-Leiterin Sandra Freitag auf Nachfrage sagte. Geschäftsführer Achim Ihrig betont, jedem Einzelnen die Fähigkeit zur Abwägung einer eigenen Nutzen-Risiko-Einschätzung zugestehen. Gleichwohl befürwortet das Unternehmen die Impfung und empfiehlt die von der Deutschen Gesellschaft für Pflegewirtschaft empfohlenen offiziellen Informationsquellen. Mit Blick auf den allgemeinen Fachkräftemangel wäre es aus Ihrigs Sicht schwierig, ungeimpfte Pflegekräfte nicht mehr einsetzen zu dürfen.
Auf der anderen Rheinseite in Rheinland-Pfalz macht sich die Kassenärztliche Vereinigung für eine Impflicht in Gesundheitsberufen stark. Für diejenigen, die in direktem Kontakt mit Patienten und Bewohnerinnen zum Beispiel Seniorenheimen arbeiten, müsse schnellstmöglich eine Impfpflicht eingeführt werden. „Es kann nicht sein, dass die gefährdetsten Personengruppen durch nicht geschützte Beschäftigte einem zusätzlichen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind“, so der Vorstand der Vereinigung
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Corona-Impfung: Pflegekräfte in der Pflicht