Die Corona-Bürgertests sind eigentlich ein klassisches Einerseits-Andererseits-Thema. Zum einen geben sie oft nur eine trügerische Sicherheit, weil sie die Omikron-Varianten schlecht erkennen. Zudem kommen sie den Staat und damit die Steuerzahler sehr teuer, auch weil bei der Abrechnung mancherorts dreist betrogen wurde. Die Kehrseite ist indes nicht weniger klar: Die kostenlosen Tests in einer Phase stark steigender Corona-Zahlen abzuschaffen, wäre ein fatales Signal. Zumal mit ihnen doch auch immer wieder einige Infektionen entdeckt werden, die ohne sie unbemerkt blieben.
Dieses Einerseits-Andererseits wollte die Bundesregierung, im Ansatz richtig, mit einen Kompromiss lösen. Die Bürgertests wurden modifiziert und sind nur noch für bestimmte Gruppen gratis. Für andere fällt ein Eigenanteil von drei Euro an. Wie bei Zuzahlungen für Medikamente. Das wäre, in dieser Schlichtheit, nachvollziehbar. Aber herausgekommen ist ein – es ist sehr traurig, wie oft man das in dieser Pandemie schreiben muss – überhastetes, unnötiges und bürokratisch völlig überfrachtetes Chaos.
Reicht eine SMS von der Oma?
Es war immer klar, dass die kostenlosen Tests am 30. Juni auslaufen. Wieso geht man das erst auf den letzten Drücker an? So stand noch nicht mal am Abend vorher abschließend fest, wie die neuen Regeln aussehen. Das führte bei Anbietern wie Kunden zu Verwirrung wie Verdruss. Und selbst in Ruhe betrachtet, wirken einige Punkte unverständlich. Wieso gibt es neben den Gratis-Beziehern und den Eigenanteil-Zahlern nun auch noch jene, die – rein theoretisch – den kompletten Test selbst berappen müssen?
Hinzu kommen alberne Nachweis-Pflichten. Da die Tests nur für unter Fünfjährige gratis sind, müssen Eltern die Geburtsurkunde oder einen Reisepass vorlegen, in dem die Kinder eingetragen sind. Damit auf keinen Fall ein Sechsjähriger durchkommt.
Noch mehr zum Sarkasmus lädt die Möglichkeit an, sich vor dem Besuch älterer Menschen für drei Euro testen zu lassen. Tut es da eine SMS: „Freue mich auf Dich heute Abend, Deine Oma“? Oder muss es ein handgefertigtes Schriftstück sein: „Hiermit bestätige ich, meinen Enkel zum Zwecke eines gemeinsamen Abendessens . . .“ Wären die Satiriker von der „heute show“ nicht bereits in monatelanger Sommerpause (auch da stellt sich übrigens die Frage: wieso eigentlich?) könnten sie ihr Glück kaum fassen. Bis zu ihrer Rückkehr im September sollte die Regierung bitte nicht warten, sondern schleunigst nachbessern.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Ärgerliches Chaos bei Corona-Bürgertests - mit albernen Nachweis-Pflichten
Wie muss bewiesen werden, dass man seine Oma besucht? Steffen Mack kritisiert die neuen Regeln, die seit dem Monatswechsel für Corona-Bürgertests gelten.