Es hilft nichts: Die Unternehmen können sich in Sachen Brexit nicht mehr auf die Politik verlassen, sondern müssen pragmatische Lösungen finden. Und sich auf den schlimmsten Fall vorbereiten: eine Loslösung Großbritanniens vom Wirtschaftsraum der Europäischen Union mit Zollschranken, unterschiedlichen Produktstandards, Visapflicht für Arbeitnehmer und jeder Menge Unklarheiten.
Seit Jahren verhandeln die EU und die britische Regierung über ein Handelsabkommen nach der Übergangsphase – doch ob sie noch rechtzeitig eine Lösung finden, ist fraglich. Verlassen kann sich die Wirtschaft sowieso nicht mehr darauf. Die Unternehmen, die Handelsbeziehungen zu Großbritannien haben, müssen – jedes für sich – klären, ob sich Exporte auf die Insel unter deutlich erschwerten Bedingungen noch lohnen. Und sie werden sich die möglichen neuen Rahmenbedingungen genauestens anschauen.
Einige werden sich vom britischen Markt zurückziehen, weil ihnen der Aufwand zu hoch ist. Viele werden bleiben, etwa weil sie große Standorte und Tochtergesellschaften dort führen. Oder weil sie verlässliche Geschäftspartner und wertvolle Verbindungen aufgebaut haben. Es wird nun darum gehen, auf dieser Ebene, weit unterhalb der politischen Streitereien, Wege zu finden und sich auch auf die drohenden bürokratischen Schranken vorzubereiten.
Klar ist aber: Großbritannien wird in den kommenden Monaten ein schwieriger Geschäftspartner und viel mit sich selbst beschäftigt sein. Das liegt auch daran, dass es massive wirtschaftliche Probleme hat. Das Land ist wegen der Corona-Krise in die schwerste Rezession seit Beginn der Aufzeichnungen gerutscht. Im zweiten Quartal schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 20,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Experten rechnen mit Schlimmerem, etwa einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit. Und natürlich dürfte der endgültige Brexit die Wirtschaft zusätzlich belasten.
So mancher Manager, so manche Unternehmerin mag den Starrsinn und die Unvernunft der Brexit-Anhänger bedauern oder sich über die aufgeheizte politische Stimmung im Vereinigten Königreich Sorgen machen – entscheiden werden aber die Zahlen und die Frage, ob sich Geschäfte mit Großbritannien auch nach dem Jahresende profitabel gestalten lassen. Und zwar möglicherweise mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen.
Viele werden erst einmal improvisieren, sich durchwursteln müssen – es aber wagen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Finale mit Schmerzen
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