Noch nie hat die Wissenschaft in einem derart hohen Tempo gegen eine Krankheit gekämpft wie in der aktuellen Corona-Pandemie. Und noch nie haben Forschungsinstitute, Industrie und Staaten ihre Kräfte so effizient gebündelt. Dabei zeigt sich: Ohne die lange nur als Kostentreiber angesehenen Pharmakonzerne wäre eine derart schnelle und schlagkräftige Reaktion kaum denkbar.
Als das neue Coronavirus auf der Bildfläche erschien, begann in den privaten wie öffentlichen Laboren dieser Welt emsige Betriebsamkeit. Es galt, den neuen Erreger zu verstehen, um ihn wirksam zu bekämpfen. Die Zeit drängte – und sie drängt noch immer. Denn mit jedem Tag, der nicht effektiv genutzt wird, sterben mehr Menschen. Dazu kommt: Die Pandemie wirkt sich verheerend auf die Wirtschaft aus. Veranstaltungen, Gastronomie und Geschäfte leiden, Exporte sinken. Zahlreiche Menschen bangen um ihren Arbeitsplatz oder haben ihn gar verloren. Jedes Mittel, das die Krise verkürzt, ist da ein Segen.
Während die Bundeskanzlerin und die 16 Länderchefs und -chefinnen mühsam um Reaktionen auf die Gefahr ringen, stellen die marktwirtschaftlich agierenden Pharmafirmen auf beeindruckende Weise ihre Agilität unter Beweis. Da werden Studien im Eiltempo konzipiert, Präparate getestet, neue Ideen entwickelt und wieder verworfen – und währenddessen läuft schon die Produktion an. Nicht immer rechnet sich das auf die Schnelle für den Umsatz. Doch das Engagement beginnt sich auszuzahlen. Das zeigen die Zahlen des Pharmakonzerns Roche, der aus Mannheim Corona-Tests in alle Welt liefert.
Auch die Gesellschaft profitiert. Ein Dreivierteljahr nach Beginn der Pandemie steht die Diagnostik auf soliden Beinen. Das Virus lässt sich sicher nachweisen, auch Schnelltests sind bereits im Einsatz. Ebenso Tests auf Antikörper, die eine überstandene Infektion anzeigen. Erste Medikamente liegen vor, an weiteren – dringend benötigten – wird unter Hochdruck gearbeitet. Und die Königsklasse, die Impfung, befindet sich auf einem guten Weg.
Allein hätte das kein Land, kein Konzern geschafft. Insofern hat die Krise auch gezeigt, dass die Zeit der Sonderwege und Einzelinteressen vorbei ist. Wo gestern Konkurrenz herrschte, muss nun kooperiert werden. Immer mehr Daten werden vom gehüteten Firmengeheimnis zum Allgemeingut. Denn so viel ist klar: Diese Pandemie lässt sich nur gut bewältigen, wenn möglichst viele an einem Strang ziehen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/meinung/kommentare_artikel,-kommentar-ein-neuer-blick-auf-die-pharmakonzerne-_arid,1703201.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Ein neuer Blick auf die Pharmakonzerne
Madeleine Bierlein über die Rolle der Pharmafirmen