Mannheim. Die Babyboomer stehen vor dem Renteneintritt, der Wettbewerb zwischen den Firmen um Fachkräfte wird größer und die Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch - die Herausforderungen für die Unternehmen sind groß. Wie Roche-Arbeitsdirektorin Virginia Bastian damit umgeht.
Frau Bastian, Sie sind vor einem Jahr von der Deutschen Bank zu Roche gewechselt. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt und wie weit sind Sie damit in einem Jahr gekommen?
Virginia Bastian: Zum ersten, das Unternehmen und die Menschen, die hier arbeiten, gut kennenzulernen. Da hatte ich viele tolle Begegnungen und Einblicke, und das wird sich auch fortsetzen. Das andere ist: In welchen Rahmenbedingungen agieren wir, wo haben wir Chancen? Wir sind im Moment in Zeiten, in denen sich viel auch in Sachen Weichenstellung tut - ob geopolitisch, aber auch mit der neuen Bundesregierung, die sich sehr viel vorgenommen hat und einen großen Auftrag mit vielen Erwartungen aus verschiedenen Richtungen hat. Davon sind wir ein Teil, und da wollen wir uns gerne einbringen.
Virginia Bastian
Virginia Bastian (46 Jahre) ist seit September 2024 Arbeitsdirektorin und Mitglied der Geschäftsführung der Roche Diagnostics GmbH und Arbeitsdirektorin der Roche Deutschland Holding. Sie verantwortet den Personalbereich deutschlandweit.
Nach ihrem Psychologiestudium hat sie an der Universität Mannheim, am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie, promoviert .
Bevor Virginia Bastian zu Roche kam, war sie Global Head of Talent & Development bei der Deutschen Ban k, davor hat sie 13 Jahre in verschiedenen Positionen bei Nestlé Deutschland gearbeitet.
Im öffentlichen Diskurs wird gerade viel über Arbeits- und Freizeit, die Arbeitsmoral der Deutschen und den Krankenstand gesprochen. Würden Sie zustimmen, dass wir wieder mehr arbeiten müssen und zu oft krank sind?
Bastian: Ich glaube, das ist eine Debatte, die sehr pauschal geführt wird. Roche hat in den letzten Jahrzehnten sehr deutlich gezeigt, was für Potenzial in der industriellen Gesundheitswirtschaft steckt und wie wir unseren Beitrag leisten, mit unseren diagnostischen und pharmazeutischen Lösungen. Wir haben hier gute Voraussetzungen - motivierte Menschen, die mit einem klaren Ziel zur Arbeit kommen. Auch unsere Mitarbeiterbefragungsdaten zeigen das. Gleichzeitig fassen wir auch die Punkte an, die für uns wichtig sind, was Qualifizierung und Nachwuchskräfte angeht. Das Thema Flexibilisierung ist per se eines, worüber wir in Deutschland nachdenken müssen: Wie bleiben wir wettbewerbsfähig und wie stellen wir uns da auf?
Was kann der Arbeitgeber zu einer hohen Motivation der Mitarbeiter beitragen?
Bastian: Wichtig ist, Mitarbeitende teilhaben zu lassen an dem technologischen Fortschritt und ihnen aufzuzeigen, wie wichtig er ist. Über Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote, gerade was künstliche Intelligenz angeht, machen wir sehr viel. Wir müssen Vorbehalte und Ängste nehmen, die Einstiegshürden niedrig setzen, um sich mit der Technologie vertraut zu machen, sie auszuprobieren und zu lernen, wie das im Alltag hilft und wie sich Arbeitsweisen verändern. Wir haben viele Hightech-Anlagen, in die wir kontinuierlich investieren, um weiter vorne mitzuspielen, und dafür müssen wir Menschen qualifizieren. Das tun wir bisher sehr erfolgreich, auch wenn die Rahmenbedingungen schwieriger werden.
Die Künstliche Intelligenz sorgt bei vielen Arbeitnehmern für Ängste. Wie nehmen Sie das im Unternehmen wahr?
Bastian: Viele arbeiten schon damit. Es gibt einmal die Ebene, welche Erleichterungen jeder für sich im täglichen Tun nutzen kann. Zum Beispiel, ob ich Protokolle komplett selbst schreibe oder ob mir die KI hilft, Vorschläge zu erarbeiten und ich muss dann nur noch drüber schauen. Es braucht die menschliche Kontrollstreife und die kritische Einschätzung, das können wir nicht outsourcen. Gleichzeitig bietet die KI Riesenchancen für die Entwicklung von Innovationen. Das nutzen wir, und das wird meiner Meinung nach den Wettbewerb zukünftig mitentscheiden.
International sehen wir große Verwerfungen, insbesondere seit der erneuten Amtsübernahme von Donald Trump in den USA. Wie schätzen Sie die Perspektive für den Gesundheitsstandort Deutschland, aber auch speziell Mannheim innerhalb des Roche Konzerns ein?
Bastian: Es sind Dynamiken und Herausforderungen, mit denen wir als Unternehmen, als Branche und auch die Politik umgehen müssen. Das passiert auf allen Ebenen. Gleichzeitig haben wir unsere klare strategische Ausrichtung als Roche, an der wir auch festhalten. Wir haben in der Vergangenheit, egal, was die Themen global gewesen sein mögen, immer am Standort Deutschland festgehalten – und das werden wir auch in Zukunft. Wir haben in den letzten fünf Jahren deutschlandweit rund 3,1 Milliarden Euro investiert und planen, hier auch zukünftig Investitionen zu tätigen. Das tun wir, weil wir den Standort Mannheim und den Standort Deutschland innerhalb der Roche Gruppe für bedeutend und wichtig erachten in der Wertschöpfungskette.
Trump fordert, dass Unternehmen mehr in den USA investieren, was Sie auch vorhaben. Droht deutschen Standorten deswegen ein Nachteil gegenüber der Schweiz oder den USA?
Bastian: Nein. Wir haben unsere klare strategische Ausrichtung. Wir investieren aktuell und haben Pläne, auch in Zukunft in Mannheim, in Penzberg und in anderen Standorten zu investieren - und zwar in neue, innovative Technologien, aber auch in Instandhaltung und Aufbau von Kapazitäten, wie zum Beispiel derzeit in Mannheim mit unserer kontinuierlichen Glukosemessung. Oder, unser jüngstes Bauprojekt, der neue Eingangs- und Pfortenbereich mit einem offenen Landschaftspark, den wir im Juli mit einem Spatenstich offiziell auf den Weg gebracht haben. Das alles sind wichtige Signale an die Stadt und in die Region, an den Standort Deutschland.
Welchen Einfluss hat die geopolitische Lage auf die Rekrutierung von Fachkräften? Spüren Sie auch schon eine Verschiebung aus den USA nach Europa?
Bastian: Das stellen wir so nicht fest. Jedoch haben wir eine sehr starke Positionierung als Arbeitgebermarke in Deutschland. Das sehen wir an den Bewertungen über die Portale, aber auch daran, wie lange und gerne Menschen bei uns bleiben. Ich bin sehr beeindruckt über die hohe Zahl der Jubilare, die 30, 40, zum Teil 45 Jahre hier sind, die wir gerade mit Jubilarfeiern geehrt haben. Wir sehen eine absolut geringe Fluktuation, die unter dem Branchenschnitt liegt. Das sind alles Indikatoren, dass wir als Arbeitgeber hier einiges richtig machen.
Dann kommen wir mal zu den Problemen.
Bastian: Dennoch müssen wir auch anerkennen, dass sich der Talentmarkt verändert, und das hängt mit dem demografischen Wandel zusammen, Stichwort Fachkräftemangel. In der Branche der industriellen Gesundheitswirtschaft fehlen heute schon 125.000 Arbeitskräfte, mit der Prognose, bis 2030 weitere zwölf Prozent zu verlieren in diesem wichtigen Sektor.
Wie ist Roche davon betroffen?
Bastian: Wir können alle Stellen besetzen, wir haben gerade unseren neuen Ausbildungs- und dualen Studentenjahrgang begrüßt, wir setzen sehr auf den Nachwuchs und auf die Investition in die Zukunft. Aber wir merken: Es dauert manchmal länger, für bestimmte Fachrichtungen die richtigen Leute zu bekommen, weil das ein Markt ist, der natürlich auch für viele andere Unternehmen und Branchen relevant ist. Da müssen wir insgesamt nachdenken in Deutschland, wie wir die Weichen stellen und gemeinsam die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit wir uns auch zukünftig als Innovationsstandort hervortun können.
Für welche Positionen oder Bereiche ist es gerade schwierig, die geeigneten Fachkräfte zu finden?
Bastian: Engineering, Automatisierung, Data Science, Analytik oder digitale Kompetenzen sind nicht nur in der Biotechnologie und in der pharmazeutischen und Medizintechnik relevant, sondern in vielen anderen Branchen auch. Hier müssen wir es schaffen, die Weichen zu stellen, diese Fachrichtungen und Kompetenzen schon in der Schulbildung zu stärken, damit wir weiterhin eine Wissensgesellschaft bleiben. Wir verfügen bereits über die Basis, aber wir müssen hier gemeinsame Anstrengungen unternehmen, damit das so bleibt. Denn daraus speist sich die Innovation und letztendlich auch das Potenzial des Wirtschaftsstandorts Deutschlands.
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