Kommentar Brexit: Schmerzhaft und unnötig

Bettina Eschbacher zu fast 100 Tagen Brexit

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Bettina Eschbacher
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Die ersten Wochen nach dem Brexit haben das gebracht, wovor die Wirtschaft schon vorab gewarnt hatte: Verzögerungen, Mehrkosten, Unmengen an Formalitäten – und erst einmal einen kräftigen Einbruch bei den Ein- und Ausfuhren zwischen Großbritannien und der Europäischen Union. „Ohne Brexit wäre uns natürlich lieber gewesen“, so eine Unternehmerstimme. Aus Sicht der Firmen ist das alles unnötig, aber sie haben sich längst damit arrangiert.

Viele haben Schritt für Schritt ihre Geschäfte mit den Briten reduziert oder eingestellt und Investitionen in andere Länder verlagert – der Exportumsatz Richtung Insel etwa für Baden-Württemberg hat sich in den vergangenen Jahren vor dem Brexit schon fast halbiert. Der britische Absatzmarkt hatte wegen der ständigen Unsicherheit an Bedeutung verloren.

Die Firmen wiederum, die an den Handelsbeziehungen festhalten, haben sich meist Monate im Voraus auf all die neuen Prozesse und Formalitäten vorzubereiten versucht – auch wenn das nur begrenzt möglich war. Und sie kämpfen sich jetzt zähneknirschend über immer neu auftauchende bürokratische Hindernisse, in der Hoffnung, dass die Infrastruktur für die neuen Prozesse, Anträge und Genehmigungen endlich irgendwann steht.

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Während die Wirtschaft eher versucht, trotz Papierkrieg vernünftige Handelsbeziehungen mit den Briten zu erreichen, oder sich neuen, vielversprechenderen Märkten zuwendet, läuft es auf der politischen Ebene deutlich weniger rational ab. Warum die britische Regierung zum Beispiel die ersten Brexit-Wochen als Erfolg feiert, trotz massiver Einbrüche bei den Exportumsätzen und Lieferverzögerungen, ist nicht nachzuvollziehen. Zu offensichtlich sind die wirtschaftlichen Nachteile, die der Bruch mit Brüssel gebracht hat.

Doch Premierminister Boris Johnson gelingt es bestens, von den Brexit-Schwächen abzulenken. Und hier kommt, wie so oft in diesen Tagen, das Coronavirus mit ins Spiel. Kann Johnson doch, anders als die EU, glänzende Impferfolge vorweisen. Das Vereinigte Königreich hat sehr viel schneller und sehr viel mehr Impfstoff beschafft, als es den EU-Staaten gelungen war. Und genau dieser Erfolg dient Johnson jetzt als Beweis dafür, dass man ohne Europa doch alles viel besser hinbekommt. Und in Sachen Impfkampagne kann er das tatsächlich auch behaupten.

Wie eklatant die Brexit-Folgen aber sind, wird sich den Briten erst nach der Pandemie offenbaren – dann muss rationale Schadensbegrenzung das Ziel sein.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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