Es soll ein echter Aufbruch werden. Das haben sich Grüne und CDU als Basis für die zweite grün-schwarze Landesregierung auf die Fahnen geschrieben. Musterländle im Klimaschutz, Innovations- und Fortschrittsmotor, Sicherung des Wohlstands, dazu Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das liest sich gut und klingt wie eine Antwort auf die Herausforderungen der Zeit. Zudem hat der grüne Regierungschef Stabilität und Verlässlichkeit als Prämissen für die Zusammenarbeit in der kommenden Landesregierung ausgegeben. Sollte das klappen, wäre es für alle Seiten eine Erleichterung. Ob die Absichtserklärungen aber im Ernstfall belastbar sind, darf bezweifelt werden.
Zudem stehen sowohl Grüne als auch CDU vor dem Umbruch. Die Grünen bekommen in einem halben Jahr eine neue Landesspitze, was die Zusammenarbeit zwischen Regierungschef und erstarkter Partei erschweren könnte. Zudem steht die Frage im Raum, ob Kretschmann vorzeitig abtreten und wer ihm nachfolgen könnte. Bei der CDU sind zwar die ersten Schritte zum personellen Neuanfang gemacht. Doch ob die im Südwesten traditionell wirtschaftsnahen Christdemokraten sich in der Breite tatsächlich in staatlicher Öko-Lenkungspolitik wiederfinden, ist fraglich.
Zudem werden die Zeiten schwieriger. Noch muss die Coronakrise gemanagt werden, deren wirtschaftlichen und sozialen Folgen nicht annähernd absehbar sind. Dazu kommt, dass die großen Vorhaben der neuen Koalition alle ins Geld gehen. Offen lässt der Koalitionsvertrag, wer dafür eigentlich zahlen soll. Weil unklar ist, wie viel Geld in den kommenden Jahren zur Verfügung steht, hat man fast durchweg darauf verzichtet, konkrete Zahlen und Ziele zu nennen. Dies macht das Vertragswerk zu einem Dokument der Unverbindlichkeit – und birgt entsprechendes Konfliktpotenzial, sobald Geld zur Verfügung steht.
Der ausgerufene ambitionierte Klimaschutz wird jedenfalls bei Weitem nicht zum Nulltarif zu haben sein. Die breite gesellschaftliche Allianz, die dafür ausgerufen werden soll, meint daher auch eine breite Akzeptanz der Bürger dafür, tiefer in die eigene Tasche greifen zu müssen. Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit – diesen Satz zitiert Ministerpräsident Winfried Kretschmann gern. Und die Wirklichkeit ist: Wenn es dem Volk ans Geld geht, ist schon so mancher ambitionierte Aufbruchsplan versandet. Grün-Schwarz geht daher, wenn auch ambitioniert, ungewissen Zeiten entgegen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Aufbruch ins Ungewisse
Ulrike Bäuerlein zum grün-schwarzen Koalitionsvertrag