Augen zu und durch

Von 
Peter Reinhardt
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Kommentarfoto Peter Reinhardt © Rinderspacher © Manfred Rinderspacher

Der Befund ist überraschend. Als die Lehrer noch mit der verbindlichen Grundschulschulempfehlung über die Wahl der weiterführenden Schule entschieden haben, haben die Viertklässler mehr Mathe und Deutsch gelernt – und zwar unabhängig vom Druck der Eltern. Deshalb waren die Leistungen in den beiden Kernfächern deutlich besser, bevor Grün-Rot vor bald zehn Jahren die Schulwahl in die Hände der Eltern legte. Der Preis war allerdings, dass die Zehnjährigen mehr Stress hatten.

Vor- und Nachteile liegen mit der neuen Untersuchung für Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt klar auf der Hand. Eigentlich müssten die Bildungspolitiker froh sein, auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen das Für und Wider einer so zentralen Frage diskutieren zu können. Das Gegenteil ist der Fall. Die Beteiligten verschließen die Augen und tun so, als wäre nichts geschehen. Nach dem Abrutschen ins bundesdeutsche Mittelmaß wäre es doch gerade in Baden-Württemberg notwendig, jeden Stein umzudrehen.

Aber die Schulpolitiker trauen sich nicht mehr, Eltern auch mal unangenehme Wahrheiten zuzumuten. Stattdessen wiederholt sich das immer gleiche Muster: Wenn Fakten zur eigenen Ideologie passen, werden sie ins eigene Weltbild übernommen. Widersprechen sie, werden sie ignoriert. Eigentlich geht es doch um das Beste für die Schüler. Da muss man abwägen, ob langfristig schulischer Erfolg nicht wichtiger ist als weniger Stress in den Monaten vor der Entscheidung über die weiterführende Schule.

Korrespondent Landespolitischer Korrespondent in Stuttgart

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