Beschimpfung mit Schmäh

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Die in Feuilletons als furios gerühmte, aber auch als „eitles Blasenspektakel“ kritisierte „Bühnenbeschimpfung“ von Sivan Ben Yishai am Berliner Gorki ist zum „Stück des Jahres“ gekürt worden. Ob der Umkehr von Handkes „Publikumsbeschimpfung“ aus dem Jahr 1966 eine ebenso lange Berühmtheit beschieden ist wie dieser oder sie eher einem Kulissendonner gleicht, wird die Zukunft zeigen. Hingegen offenbart die Vergangenheit: Schimpfen und Schmähen gehören zum Theater wie Irrungen und Wirrungen.

Und schon pirscht sich Hanswurst an, der in der deutschsprachigen Stegreifkomödie derb Karriere machte und obendrein als personifizierte Schmähung in die Sprache einging. Wer will schon mit einem Hanswurst verglichen werden?! Nicht zu vergessen den Schurken, den das Wörterbuch der Brüder Grimm als „nichtswürdigen Menschen“ definiert und zu dessen theatralischer Einordnung aus Shakespeares Hamlet zitiert: „Es lebt kein Schurk’ im ganzen Dänemark, der nicht ein ausgemachter Bube wär.“

Und klar, der Lump gehörte auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ebenfalls zum Stammpersonal und wurde zwecks Beschimpfung gern aufgepeppt. Motto: So ein elender Lump! Bekanntlich kreierte der geniale Volksdichter Johann Nestroy eine alles andere als lumpige Verballhornung. Der „böse Geist des Lumpacivagabundus“ wabert bis heute. Ach ja, da wäre noch der Halunke, der sich vorzugsweise in Possen tummelt.

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Heutzutage kämpft dieser freilich nicht so sehr gegen sein Image als Spitzbube, sondern gegen das Vergessen. Just deshalb prangt „Halunke“ in Großbuchstaben auf einem Unterarm des Schauspielspielers Jürgen Vogel. Und der ließ sich den etwas ältlich anmutenden Mehrsilber eintätowieren, um dem aussterbenden Wort ungewöhnliche Publizität zu verleihen. „Welch hautnahes Halunkenstück!“, würde wohl der Wiener Schmäh-Spezialist Nestroy sagen! 

Freie Autorin

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