Kolumne #mahlzeit

So erlebte Mark Twain das Nationaltheater Mannheim - und ich "Dune"

196 Minuten dauert der Abend mit dem Film "Dune - Part two". Das ist fast so lang wie Wagners "Lohengrin". Den hatte Mark Twain sich in Mannheim im ausgehenden 19. Jahrhundert auch angesehen - und so gelitten wie unser Kolumnist

Von 
Stefan M. Dettlinger
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© kako

Ich war im Kino. Okay, das ist eher unwesentlich. Viel wichtiger ist: Ich habe das Kino überlebt und keine Blessuren davongetragen, wenn man mal davon absieht, dass meine Ohren immer noch sausen. Ich meine: Der Film hieß „Dune – Part two“. Er handelt von einem Wüstenplaneten im Universum und genau so abstrusen Dingen wie „Dune – Part one“. „Dune – Part two“ ist spannend: Es geht um Rache. Macht. Liebe. Es geht um dieselben Dinge wie in den Dramen von Schiller oder Shakespeare. Rache. Macht. Liebe. Schiller und Shakespeare kommen aber ohne 120 Dezibel aus. Kampfjetlautstärke. „Dune – Part two“ hat den zulässigen Kino-Schallpegel von 93 dB ziemlich sicher deutlich überschritten.

Der Film dauert ja nur (!) 166 Minuten, was im Vergleich zu Arturo Toscaninis „Parsifal“-Version von 1931 (288 Minuten) ein Klacks ist. Zwei Stunden Differenz. Das sitzen hauptamtliche Hocker auf einer Backe der Regio glutaea ab. Bei „Parsifal“, dessen Story mindestens so abstrus ist wie die von „Dune – Part one“ und „Dune – Part two“ zusammen, hat man es trotzdem leichter. 1. Es gibt zwei Pausen. 2. Es gibt keine Werbung. 3. Man muss nicht während der „Kunst“ auch noch Bier trinken und eimerweise Popcorn, Nachos mit Dip oder M & M’s (fr)essen.

Trailer von "Dune _ Part two":

Da sitze ich also, schlürfe Bier, kaue M & M’s weg, biete der Nachbarin was an (sonst geht mein BMI von 24,9 flöten) und starre nach vorn. Was ich sehe, ist nicht schön. Explosionen. Blut. Erschießungen. Blut. Hass. Blut. Hüpfende Affen, mordende Monster und teuflische Maschinen. Schuld und Sühne. Ein großer Affe konstatiert irgendwann in akademischer Nüchternheit: „Es ist nicht gut, dass wir Jagd auf Menschen machen.“ Wo der Mann, äh, Affe recht hat, hat er recht. Werbung.

Ich addiere mal die 30 Minuten Werbung zu „Dune – Part two“ und komme auf 196 Minuten, was fast so lang wie Wagners „Lohengrin“ ist (eine Art „Parsifal – Part two“). Und da kommt Mark Twain ins Spiel. Als Opernmensch kenne ich natürlich die Beschreibung von Twains Besuch im Nationaltheater Mannheim – ja: einer Vorstellung von „Parsifal – Part two“.

Hans Zimmers Musik ist nicht so sehr das Problem in "Dune - Part two" - es ist das Geballere

Der Autor von „Tom Sawyer“ berichtet, es habe gegen Neun noch mal eine Pause gegeben: „Aber inzwischen hatte ich so viel durchgemacht, dass all meine Lebensgeister hin waren und ich nur noch einen einzigen Wunsch besaß, nämlich: in Frieden gelassen zu werden.“ Twains Zustand entsprach exakt dem meinen in „Dune – Part two“. Auch das Folgende kann ich unterschreiben: „Ich möchte nicht zu verstehen geben, dass es all den anderen Leuten genauso wie mir ergangen sei. Denn das war wahrhaftig nicht der Fall. Ob sie diesen Lärm von Natur aus schätzten, oder ob sie durch Gewöhnung gelernt hatten, ihn gern zu haben, wusste ich zu der Zeit nicht. Aber sie hatten ihn gern. Das war mehr als deutlich. So lange er andauerte, saßen sie da und sahen so hingerissen dankbar aus wie Katzen, wenn man ihnen den Rücken streichelt.“

„Dune – Part two“ ist viel lauter als Wagner, wobei Hans Zimmers Musik nicht das Problem ist. Es ist das Rumgeballere. Froh bin ich dennoch: Ich habe es überlebt.

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Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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