Kabarett

Witzig, bitter, politisch: Hormuths „Quatsch“-Premiere in Mannheim

In der Klapsmühl’ zeigt Frederic Hormuth, wie aus Spaß Ernst wird – und warum man trotzdem lachen muss. Leider vor halbleerem Haus.

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Frederic Hormuth variiert versiert das Thema Quatsch in seinem neuen Programm. © Jörg-Peter Klotz

Mannheim. Alles Quatsch! Zumindest bei Frederic Hormuths Premiere in der Mannheimer Klapsmühl‘ am Rathaus dreht sich alles um das vielfältig auftretende Unfugsphänomen, das inzwischen sogar auf der großen Bühne der Weltpolitik in vergoldeten Sälen zelebriert wird. Der designierte künstlerische Leiter der Kleinkunstbühne macht daraus ein kleinkunstvolles Proseminar zum Thema Quatsch. Nicht mit Soße, aber „mit Songs“. Und mit allen Mitteln der Satire, die ihm zur Verfügung stehen.

So packt der gebürtige Mannheimer seine sprachlich teilweise virtuosen Variationen von Quatsch in einen Genre-Mix aus Stand-up, politischem Kabarett, Lesung und Musik-Comedy. Der Kabarettist, Autor, Pianist und Sänger schafft es sogar, die Schwere der globalen Lage abzuhandeln und trotzdem sehr positiv zu enden: mit „Es wird besser werden“, seinem besten Song seit langem. Trotz tosendem Schlussapplaus hat der Abend für Hormuth auch eine frustrierende Komponente: Die Premiere und der Folgetermin am Samstag sind so schwach besucht, dass der zweite Auftritt mittags abgesagt wird.

Vielfältiges Programm mit Mix aus Stand-up, politischem Kabarett, Lesung und Musik-Comedy

Das mag an der starken Veranstaltungskonkurrenz mit Lichterfest und großen Kerwen in Feudenheim und Seckenheim zu tun haben. Vielleicht auch mit der Krise des politischen Kabaretts, dass das Publikum zurzeit oft meidet wie die in der Regel deprimierenden Nachrichten.

Dabei tut es bei Hormuth gar nicht so weh, wie es der Protagonist selbst eigentlich gern hätte. Er beginnt in klassischer Stand-up-Manier mit Interaktion und will wissen, welchen Quatsch sein Publikum heute schon erlebt habe. Dass als erstes „Beerdigung“ kommt, will nicht recht passen. Der Gewinner ist aber schnell klar: „Ich war in Ludwigshafen …“ – „das reicht, sie haben gewonnen“, nimmt Hormuth die Steilvorlage auf und eröffnet in der Klapsmühl‘ eine Selbsthilfegruppe für Quatschgeschädigte. Den nötigen Kampfgeist dafür bringt er mit, wie seine souveräne Reaktion auf den Begrüßungsapplaus verrät: „Ist das schon Begeisterung oder noch Mitleid?“

Als Kind der 70er referiert der 56-Jährige zunächst versiert über Plumpaquatsch, eine mysteriöse Wasserhandpuppe, die ab 1972 im Kinderfernsehen der ARD sehr beliebt war. Da könne man aus heutiger Sicht schon auf die Idee kommen, dass die Autoren damals recht ungehinderten Zugang zu Drogen gehabt hätten. Recht erhellend ist sein Hinweis, dass der Name wohl einfach für „plumper Quatsch steht“. Apropos seltsame Namen im Kinderfernsehen: Pippi Langstrumpf wäre heute wohl ein Fall für die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

Man schickt ja auch Clowns in Kriegsgebiete. Wie damals Xavier Naidoo zur Truppenbetreuung nach Afghanistan.
Frederic Hormuth Mannheimer Kabarettist

Quatsch könne auch wichtige Funktionen haben, etwa Leichtigkeit in ernste Situationen zu bringen. „Man schickt ja auch Clowns in Kriegsgebiete. Wie damals Xavier Naidoo zur Truppenbetreuung nach Afghanistan.“ Quatsch sei auch oft ein taktisches Mittel, er werde auch gern mit Fremdwörtern getarnt oder frei erfunden. Selbst Zahlen, am glaubwürdigsten mit Kommastellen. Was Hormuth profund belegt: „21,3 Prozent aller Zahlen sind erfunden. Tatsache!“ Man denke nur an Donald Trumps Zölle – aber das sei eher eine Mischung aus Improtheater und Free Jazz.

Wenn es um den US-Präsidenten geht, wird das momentane Problem des politischen Kabaretts greifbar: Die Nummer ist gut und wohl unvermeidlich. Aber die gelöste Stimmung verfliegt, es wird fast eher gestöhnt als gelacht. Auch die brandaktuelle Nummer zur deprimierend dilettantisch geführten Wehrpflicht-Debatte ist nicht gerade erheiternd. Dabei bringt Hormuth dabei Herzblut und die Betroffenheit des Vaters eines zehnjährigen Jungen ein. Besser kann man das kaum machen. Es mögen derzeit nur nicht viele hören.

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Ein starkes Stück ist der leicht essayistische Lesetext „Democracy“. Mit treffenden Beobachtungen wie „TikTok ist der neue Volksempfänger“ und „Goebbels wäre heute in der Timeline statt im Sportpalast“. Hormuth hat auch ein potenzielles Rezept gegen die kommunikative Dominanz der Rechtspopulisten, indem er zunächst fragt: „Wie hilflos sind wir eigentlich, dass wir ein Viertel der Wähler haben derartig verwahrlosen lassen?“

Er empfiehlt dann eine Art individuelle AfD-Wählerbetreuung, dafür könne man bei der Steuer den Solidaritätszuschlag erlassen bekommen. Frisch am Vorabend geschrieben ist der Lesetext „Stadtbild“, inspiriert von der mäßig bedacht geäußerten Beobachtung von vereinzelten Bundeskanzlern, die zwischenzeitlich jahrzehntelang keinen Großstadtbahnhof gesehen haben. Es ist ja nicht so, dass man dorthin „früher“ leichtherzig seine Kinder zum Spielen hingeschickt hätte.

„Wenn es nur unterhaltsam ist, dann kannst du auch Ballonknoter werden“

In der zweiten Halbzeit bekommen Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und polarisierte Gesellschaft ihr Quatsch-Zeugnis. Hormuth befürchtet einen „Rückfall ins Mittelalter, zwischen Scheiterhaufen und KI“. Dann wird er grundsätzlich, auch was seine Arbeit angeht: „Als Kabarettist kann man nicht nur harmlosen Quatsch machen, es muss auch mal gemeingefährlich sein (…) wenn es nur unterhaltsam ist, dann kannst du auch Ballonknoter werden.“ Mit Blick auf den Kontrast zwischen Euphorie und Umfang des Publikums am Ende bedankt sich der Wahl-Heppenheimer bittersüß: „Das war die beknackteste und auch schönste Premiere, die ich jemals hatte.“

Ein Blick auf den Songtext der Schlussnummer "Es wird besser werden". © Frederic Hormuth

Und er schafft es, hoffnungsvoll zu enden: „Vielleicht regieren hier bald die Schlümpfe / Neue Besen mit uralten Ideen / Vielleicht übernimmt aber auch die Tigermücke und sticht die AfD, wir werden sehn“, heißt es im Boogie-getakteten „Es wird besser werden“. Mit dem eingängigen Refrain: „Es wird besser werden / Am Ende wird es sogar richtig gut / du braucht vorher nur ein kleines bisschen Mut / oder jede Menge Geld. / Am Ende werden wir zusammen lachen / über all diese furchtbaren Sachen / vor dem Untergang der Welt / der dann kurz vor knapp entfällt.“ Bleibt zu hoffen, dass sich das nicht als Quatsch entpuppt.

„Quatsch – Kabarett mit Songs“ soll am 6. März 2026 noch einmal in der Klapsmühl‘ zu sehen. Vorher gibt es noch Hormuths traditionellen satirischen Jahresrückblick „Wie war's für dich?“ am 11., 17., 20. und 21. Dezember 2025.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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