Mannheim. Dieses Buch ist nicht besonders billig, 178 Euro soll es kosten. Doch Raoul Schrott erwartet trotzdem nicht, damit ein reicher Mann zu werden. Mit den Krimis, die er unter seinem Pseudonym Donna Leon verfasse, schaffe er das eher, scherzt der Schriftsteller in Mannheim in seinem Tiroler Singsang.
Mühe hat er sich für das vier Kilo schwere Werk aber gemacht. Sechs Jahre Arbeit lägen hinter ihm, sagt Schrott, jetzt sei er endlich fertig: sein „Atlas der Sternenhimmel“. Denn da gibt es nicht bloß einen Himmel, sondern nach der Schrott’schen Zählung stolze 17 – falls man die Kulturen aus der ganzen Welt heranzieht. In vergleichender Betrachtung habe das noch niemand unternommen, hören wir. Der Anspruch Schrotts ist ein enzyklopädischer, „nichts ausgelassen“ habe er, verspricht der österreichische „Poeta doctus“ gar im ausverkauften Planetarium, dem für dieses Thema einzig adäquaten Ort.
Die Sterndeutung war damals auch nicht seriöser als ein Horoskop
Die Sternbilder waren so etwas wie die erste Schrift der Menschheit. Man las daraus auch die Schöpfungsmythen ab, mit Göttern, die oft Superhelden waren. Zu der sinnstiftenden religiösen kam auch eine praktisch kalendarische Funktion, die dabei half, zu säen und die Ernte einzubringen. „Unser“ Himmel, also der, zu dem wir Mitteleuropäer aufschauen, stammt übrigens, wie vieles andere, aus dem Zweistromland.
Schrott betont, wie willkürlich die Namen für die Sternbilder erfunden und auf dem Kulturtransfer verändert wurden, häufig durch banale Übersetzungsfehler. Der berühmte Ptolemäus hat zwar alles katalogisiert – was freilich keineswegs als „Wissenschaftlichkeit“ nach heutigem Verständnis gelten kann. Zumal Astrologie, als eine Art Physik des Weltalls, die wohl wichtigste Funktion der ganzen Sterndeutung gewesen ist. Und die, weiß Schrott, war damals auch nicht viel seriöser als ein Horoskop in einer Illustrierten heutzutage.
Dass der Sternenhimmel anderer Kulturen mit ganz anderen Gestalten, Tieren, Fabelwesen ausgestattet war, ist keine Überraschung. Ob das Krokodile in Ägypten, Papageien bei den Maya oder Elche bei den „Eskimos“ sind (in der Sicht der Inuit sei „Eskimo“ kein diffamierender Begriff, erfahren wir von Schrott, sondern ein ehrenvoller).
Im Himmel der Apachen sind Frauen dominante Wesen
Überraschend ist weit eher, dass es manchmal, wenn auch selten, bei Kulturen, die sich nie begegnet sind, dasselbe Sternbild gibt. Schrott nennt das Beispiel Skorpion – das bei den Ureinwohnern in Australien wie auch bei den Maya auftaucht. Und natürlich hat der Schriftsteller für diesen Umstand eine kühne These aufgestellt, die er im Planetarium wiederholt: Es liege daran, dass die frühe Menschheit, als sie von Ostafrika aus peu à peu die ganze Erde in Besitz genommen habe, schon mit einer ersten Interpretation des Sternenhimmels unterwegs gewesen sei. Die habe sie auf allen Kontinenten mitgeführt.
Was allerdings in Mannheim Eindruck macht, sind eher die enormen Unterschiede in der Wahrnehmung des Himmels und in den damit verknüpften Schöpfungsmythen. Schrott ist fasziniert vom Himmel der Apachen – weil dort Frauen dominante Wesen seien. „Aber manche Himmel waren mir auch unsympathisch“, sagt er. Etwa der im alten China, der präzise die hierarchische Palastkultur des Riesenreichs gestützt habe: „Da oben stand sogar ein Plumpsklo.“
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