Stadtgeschichte

Ein Bau mit Hindernissen: 40 Jahre Mannheimer Planetarium

Eine Bürgerinitiative hat dafür gekämpft, sogar echtes Mondgestein nach Mannheim geholt. Erst beschließt der Gemeinderat den Bau eines Planetariums, dann wird der Beschluss gekippt, schließlich doch gebaut. Ein Rückblick

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Peter W. Ragge
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Lange umstritten, aber seit 40 Jahren ein Anziehungspunkt: das Planetarium an der Autobahneinfahrt. © Markus Prosswitz

Mannheim. Es wird als „Sternstunde“ und „schönstes Weihnachtsgeschenk“ gefeiert: Vor 40 Jahren, am 4. Dezember 1984, läuft die erste Vorstellung im neuen Planetarium. Nur 25 Monate dauert die Bauzeit – das ist Rekord. Aber davor droht das Projekt zu scheitern. Obwohl vom Gemeinderat beschlossen, wird es zwischendurch gekippt.

Ein Planetarium für Mannheim - das ist eigentlich nichts Neues. 1927 eröffnet in der Quadratestadt das weltweit erste kommunal betriebene Planetarium – im Unteren Luisenpark. Heute sind davon aber nur noch die Fundamente und Kellerräume vorhanden, genutzt als Umkleiden für den „Planetariumssportplatz“ genannten Sportplatz.

Ein Bild aus der Bauzeit. In nur 25 Monaten war die Sechseck-Stufenpyramide auf der sogenannten „Karnickelweise“ errichtet. © marchivum

Das Gebäude selbst ist im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und die Reste in den 1950er Jahren abgerissen worden. Aber der Wunsch, wieder solch ein Sternentheater zu errichten, bleibt – und führt zur Gründung einer Bürgerinitiative. Sie seien „die wohl einzige Bürgerinitiative in Deutschland, die einen Bau nicht verhindern, sondern ermöglichen wolle“, so Heinz Haber der als „Weltraumprofessor“ bekannte Mannheimer, im Jahr 1975.

Heinz Haber zeigt bei der Buga 1975 echtes Mondgestein

Bei der damaligen Bundesgartenschau kann man im Herzogenriedpark dort, wo sich heute der Evangelische Kindergarten befindet, echtes Mondgestein sehen – nur sechs Jahre nach der ersten Mondlandung eines Menschen ist das damals eine große Sensation. Auch zwei Mondkameras sind ausgestellt. Eine davon hat Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond, selbst benutzt. Sie verfügt über einen extra großen Einstell-Hebel, damit sie mit den dicken Raumanzug-Handschuhen bedient werden kann.

Der als „Weltraumprofessor“ populär gewordene Haber hat die Ausstellung initiiert und organisiert. 200 000 Besucher werden gezählt. Auch Millionen von Fernsehzuschauern sehen das Mondgestein - in der Sendung „Der Blaue Bock“, die live aus der Multihalle ausgestrahlt wird. Moderator Heinz Schenk schart dort die Bloomaul-Ordensträger Franzl Schmitt, Seppl Herberger, Feuerio-Präsident Franz Biedermann vom Verleihungskomitee und eben Haber um sich.

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Haber, Biedermann und der seinerzeitige Verwaltungsdirektor des Nationaltheaters, Hanns Maier sind die Gründer und Motoren der Bürgerinitiative für das Planetarium. Die Ausstellung auf der Bundesgartenschau wirkt als Initialzündung. 1977 wird aus der Initiative ein Verein, im gleichen Jahr beschließt der Gemeinderat den Bau des Sternentheaters - am alten Standort. Bei der Firma Zeiss wird auch gleich ein Projektor gekauft und im Keller einer Schule eingelagert. Dem beeindruckenden Entwurf liegt der Planet Saturn zugrunde, mit vielen Nebenräumen in den Ringen um die Kuppel sowie einem 58 Meter hohen Turm mit Foucault- Pendel, das die Erdrotation nachweist.

Mannheimer Gemeinderat stoppt 1980 den Bau des Planetariums

Doch realisiert wird das Projekt nicht. 1980 stoppt der Gemeinderat das Vorhaben, obwohl bereits 5,6 Millionen D-Mark für Planung und Vorbereitung ausgegeben worden sind - aus finanziellen Gründen. Doch die Bürgerinitiative wirbt weiter intensiv dafür, und der damalige Oberbürgermeister Wilhelm Varnholt wirbt auch dafür. Allerdings plädiert Varnholt, der die Entwicklung Mannheims Richtung Osten vorantreibt, für den Standort auf dem nur als Karnickelwiese bekannten Autobahnoval und damit ganz in der Nähe der Fläche, wo da bereits das Technische Landesmuseum (heute Technoseum) geplant ist.

1992 empfängt der damalige Planetariumsdirektor Wolfgang Wacker die schwedische Königin Silvia und deren Mutter. © privat

Zudem werden die Pläne kräftig abgespeckt, der Turm gestrichen, der Durchmesser der Kuppel auf 20 Meter verringert und die Zahl der Nebenräume reduziert. Statt der zunächst vorgesehenen 20 Personalstellen soll es lediglich sieben Mitarbeiter geben. Unter dieser Bedingung bewilligt der Gemeinderat am 23. November 1982 das neue Planetarium - mit einer Stimme Mehrheit. Mit dem Bau wird, auch das ist Teil des Sparkonzepts, die städtische Tochtergesellschaft MWS beauftragt, mit der Auflage, es unter zehn Millionen D-Mark zu schaffen. Davon kommen je zwei Millionen Euro von der Landesregierung und Spenden von Privatpersonen und Firmen.

Schon am 23. März 1983 ist erster Spatenstich, am 29. Februar 1984 Richtfest – so schnell geht das damals. Pünktlich zum Advent wird die von Architekt Wilfried Beck-Erlang geplante Sechseck-Stufenpyramide, deren Form bewusst an die Observatorien der Maya anknüpft, eröffnet. „Neue Sterne über Mannheim“ lautet der Titel des ersten Programms, das die Besucher von den bequemen Drehsesseln aus erleben können.

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„Die Bürger dieser Stadt machen sich mit dem Planetarium ihr schönstes Weihnachtsgeschenk“, freut sich Oberbürgermeister Gerhard Widder bei der Einweihung, ehe der Direktor Wolfgang Wacker den Schlüssel erhält. Er schafft es über viele Jahre, einen Großteil seines Etats selbst zu erwirtschaften. In einem Jahr kann er den Zuschuss der Stadt sogar zurückzahlen. Höhepunkt seiner von 1984 bis 2010 währenden Amtszeit ist 1992 der Besuch der schwedischen Königin Silvia in einer ganz normalen Samstagnachmittags-Veranstaltung, „den ich auf Bitten von Silvia streng geheim halten musste“, wie er sich erinnert. Aber kaum ist sie weg, schickt er dem „MM“ doch ein Foto.

Redaktion Chefreporter

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