Heidelberg. Immer wieder entdeckt der Heidelberger Kunstverein ganz neue, frische und nie gesehene Kunst für Heidelberg und die Region, derzeit die junge Künstlerin und Dichterin Rhea Dillon aus London. 1996 geboren, hat sie an der Central Saint Martins (University of the Arts London) studiert (Abschluss 2019) und hat im Heidelberger Kunstverein ihre erste Einzelausstellung auf deutschem Boden. Sie wird aber schon international wahrgenommen und hatte Ausstellungen in New York, Barcelona, Wien und Paris (unter anderem) sowie etliche Preise erhalten.
Ganz wichtig ist der Umstand, dass Rhea Dillon in dritter Generation aus der Karibik stammt und schwarz ist, was sie immer wieder thematisiert. Rassistisch geprägte Gesellschaften, strukturelle Diskriminierung und der vom Kolonialismus geprägte Geschichtsdiskurs bestimmen ihr Werk, das sich in Skulptur, Malerei und Poesie äußert.
Hier zeigt sie jetzt braune Holzkisten, in denen mit Ölkreide bemalte Blätter liegen, die in erster Linie das Zeichen Pik wie auf der Spielkarte zeigen. Und da geht es auch schon los: Dieses Zeichen heißt im Englischen „spade“, was zugleich „Spaten“ wie aber auch „Pik“ bedeutet. Es ist zudem eine herabwürdigende Bezeichnung für schwarze Menschen, vor allem gegenüber Angehörigen der sogenannten Windrush-Generation und ihren Nachkommen. Sprich, was als harmlose Geste erscheint, ist ganz klar im kolonialistisch-rassistischen Kontext zu verstehen: Der Ausdruck Windrush-Generation bezieht sich auf die Immigranten, die hauptsächlich zwischen 1948 und 1971 aus der Karibik nach Großbritannien einwanderten. Der Name leitet sich von dem Schiff „HMT Empire Windrush“ ab, das die Immigranten transportierte, die zum Wiederaufbau Englands nach dem 2. Weltkrieg beitrugen.
Große Holzkisten bestimmen den Eindruck des Raumes
Auch das Material der Holzkisten – Sapelli-Mahagoni – ist voller Anspielungen: Es ist das Holz der Schiffe, mit denen die Kolonialmächte versklavte Afrikanerinnen und Afrikaner nach Europa brachten… Dass manche der Kisten sehr kippelig an der Wand lehnen, macht einmal mehr auf die strukturelle Unfreiheit aufmerksam, die alle Einwanderer betraf. Dass die Blätter sehr fein in Ölkreide gezeichnet sind, mag für die Künstlerin keine Rolle spielen, aber für die Betrachtenden durchaus!
An der Wand stehen denn noch Sätze und Buchstaben, die sehr schöne Gedichte ergeben, die auch in der kostenlosen Broschüre stehen und die zudem die Titel der Werke bezeichnen.
Noch kurz zur Empore, auf der die Jahresgaben von Kunstschaffenden der Region, aber auch aus vergangenen Ausstellungen zu finden sind. Beispielsweise eine großartige Fotoarbeit von Anastasija Kocevska, aber auch von Alice Creischer oder Matthis Bacht. Auch aus der letzten Ausstellung mit Jakub Choma sind Beispiele zu erwerben. Auch feine Werke von Cholud Kassem und sehr demokratische von Klaus Staeck sind dabei.
Info: Heidelberger Kunstverein, Hauptstr. 97, bis 7. Sept., Di.–So. 11–18 Uhr
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