Mannheim. „Sorry, verwählt!“ Das mag fürs Kreuzchenmachen in der Wahlkabine zutreffen, aber nicht für die Wahl, das Kabarett Dusche zu besuchen. Bissig, klug, amüsant und kein bisschen politisch korrekt - das trifft auch für das neue Programm in der Mannheimer Klapsmühl‘ zu. Der begeisterte Applaus bei der gut besuchten Premiere gilt auch dem eingespielten wie spielfreudigen Trio Josefin Lössl, Wolfgang Schmitter und Hans Georg Sütsch.
Wehe, wer keine Wahl hat. Aber ach, wenn man jene nur deshalb wählt, damit andere nicht gewählt werden. Oder erst gar nicht gewählt wird, um sich die Qual der Wahl zu ersparen. Ein weites Feld, das mit einem köstlich ins Kraut schießenden Szene-Mix aus Liedern und Texten beackert wird. Wie heißt es so schön: Tradition bedeutet, nicht die Asche, sondern die Glut des Feuers zu bewahren. Und genau das gelingt dem Traditionskabarett „Dusche“, das sich immer wieder neu erfindet, aber dabei nicht verliert. 53 Programme – und Wolfgang Schmitter ist von Anfang an dabei! Das dürfte in der Kleinkunstszene einzigartig sein.
Wolfgang Marschall schreibt die Texte und führt Regie beim Mannheimer Kabarett Dusche
Wolfgang Marschall, Markenzeichen „Untier“, hat schon für gut zwei Drittel der Produktionen die Texte geschrieben und Regie geführt. Auch diesmal. Die „Spottdrossel“ ist für Verbalkonstruktionen bekannt, bei denen sich Hirnwindungen leicht verknoten. Und diese ploppen bei dem Abend des Öfteren auf. Beispielsweise mündet die verzweifelte Suche nach der Kaste ehrlicher Politiker in die Erkenntnis, es liege wohl ein Paradebeispiel für eine Contradictio in adjecto und damit für einen Widerspruch in selbst vor.
Das neue Programm
Die Klapsmühl’ hat am Mannheimer Rathaus in D6, 3 ihr Domizil.
„Sorry, verwählt“ des Kabaretts „Dusche“ wird am Wochenende, 25. und 26. Oktober und am Mittwoch, 29. Oktober , aufgeführt. Vorstellungsbeginn ist um 20 Uhr, sonntags bereits um 18 Uhr
Nähere Informationen können per E-Mail an info@klapsmuehl.eu erfragt werden.
Klar ist das „Sorry, verwählt!“-Thema vor allem dem Kreuzchenmachen beim Urnengang gewidmet und der Tatsache, dass es anders als bei Türgeschäften oder Online-Kauf dafür kein Rücktrittsrecht gibt. In mehr als zwei Dutzend Szenen - von „Angelale for President“, nämlich Bundespräsidentin mit Fingerraute, bis zu Verschwörern der schwurbelnden Art – kommt Polit-Personal groß heraus.
Wolfgang Schmitter zum wohl letzten Mal als Winfried Kretschmann beim Kabarett Dusche
Es ist wohl das letzte Programm, in dem Wolfgang Schmitter in seiner Paraderolle als Landesvater Kretschmann zu glänzen vermag. Schließlich tritt der schwäbelnde Grüne nicht mehr zur Wahl an.
Hingegen will das bayerische Pendant weiterhin Omnipräsenz zeigen und drängt sich gar als ungebetener Gast auf die Mannheimer Kleinkunst-Bühne. „Bös bis ins Mark“ heißt die Nummer, die Hans Georg Sütsch bissig bis in die Mimikmuskeln rüberbringt. Der gemimte Markus Söder samt Bratwurst als Flöte hat das Zeug für einen Klapsmühl-Dauerbrenner.
Und Josefin Lössl kommt so richtig in Fahrt, wenn sie sich über toxische Männer, bis hin zu Trump, aufregt. Auch wenn jeder der Drei herrliche Solo-Einlagen hinlegt, so macht die Ensembleleistung die Qualität der „Dusche“ aus: Ob in Art einer psychoanalytischen Sitzung Wählerverhalten zwischen Contenance und Wut ausgeleuchtet wird, ob gemeinsam Pseudo-Hymnen gesungen werden. Beispielsweise auf „die Glyphosat-Julia“. Freilich dürfte sich Julia Klöckner nur wenig geschmeichelt fühlen, dass auf sie das Halleluja von Leonard-Cohen umgemodelt erklingt. Das Ensemble nutzt aber nicht nur Ohrwürmer. Auch diesmal hat Arrangeur Willi Haselbek wunderbare Kompositionen beigesteuert.
Übrigens taucht das Kürzel AfD in dem kleinen Programm-Flyer nirgends auf, gleichwohl durchzieht die Sorge vor „brauner Gesinnung“ den Abend gewissermaßen als roten Faden.
Dass die Qual der Wahl nicht nur eine politische Dimension hat, offenbart Speiseeis. Angesicht der Sorten-Inflation könnte man sich glatt die Kugel geben, in der Waffel versteht sich. Es war einmal, dass sämtliche Schleck-Varianten auf einmal genossen werden konnten - als Fürst-Pückler-„Sandwich“.
Publikum weiß das politische Kabarett Dusche in Mannheim zu schätzen
„Sorry, verwählt!“ belegt, dass politisches Kabarett keineswegs in der Zuschauergunst abgewählt ist. Dabei war die 1976 noch ohne eigene Spielstätte gegründete „Dusche“ zunächst als „Eintagsfliege“ verspottet worden. Freilich ist seit Jahren augenfällig, dass es so gut wie keine Jungen und kaum „Mittelalterliche“, sondern eher „Fünfzig Plus“ in jene Programme zieht, bei denen Humor verknüpft mit Haltung das Maß aller Beiträge ist.
In der Pause hören wir uns beim Publikum um, was zu einem Kabarettbesuch motiviert. „Politisch Poientiertes, gerade in diesen Zeiten“, sagt Christiane Sych. „Toll“ findet sie, dass sich die „Dusche“ stets auf der Höhe der Zeit präsentiert.
Als „Fan der Kleinkunst“ bezeichnet sich Petra Schmid. Sie schlägt vor, die Lieder – „unglaublich super“ – über „YouTube“ einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Gerhard Rietschel outet sich im Gespräch als Langzeitbesucher – seit über 45 Jahren. „Fantastisch“ sei, dass das Mannheimer Kabarett immer noch existiert. „Und jedes Mal auf Neue habe ich großen Spaß mit Tiefgang“.
Die Kleinkunstszene, insbesondere das Polit-Kabarett, erfülle eine gesellschaftliche Aufgabe, findet Majid Khoshlessan und betont, wie wichtig es sei, dass Einrichtungen wie die Klapsmühl‘ erhalten bleiben - finanziellem Druck zum Trotz.
Bei der Frage, ob und wie das Kabarett überlebt, verhält es wie in dem „Dusche“-Song „Hinter-her“. Ja, hinterher ist man immer schlau.
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