Interview

Neue Künstlerische Leitung der SWR-Festspiele: Cornelia Bend verführt die Sinne

Cornelia Bend leitet die SWR-Festspiele in Schwetzingen und setzt auf das Thema „Verführung“. Im Interview spricht sie darüber, was die Besucher erwartet.

Von 
Hans-Günter Fischer
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Cornelia Bend, Künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der Schwetzinger Festspiele. © SWR

Schwetzingen. Wer den Schlosspark durch den Haupteingang betritt, vorbei an freundlich einen Weg weisenden Pförtnern, überquert auch eine Schwelle. Lässt die Außenwelt ein Stück weit hinter sich. Cornelia Bend hat Schwetzingen in unterschiedlichen Funktionen im Kulturbetrieb seit langem schon umkreist. Oft auch besucht. Dass sie jetzt Künstlerische Leiterin der SWR-Festspiele ist, erlebt sie als besondere Erfüllung. Für die erste Spielzeit unter eigener Regie hat sie die Überschrift „Verführung“ ausgesucht. Macht also einige Versprechungen. Wir treffen sie im Schlosscafé.

Frau Bend, so oft wie in den letzten Wochen mussten Sie wohl nie über „Verführung“ sprechen. Haben Sie denn überhaupt noch Lust?

Cornelia Bend: In jedem Fall. Ich habe das Programm im Übrigen noch gar nicht so oft vorgestellt. Und die „Verführung“ naht ja mit der Festivaleröffnung erst.

Der Kristallisationspunkt war die neue Opernproduktion, das Auftragswerk „Adam und Eva“ von Mike Svoboda?

Bend: Richtig, sie war mein Impulsgeber, als erster und vielleicht auch wichtigster „Verführungs“-Fall in der Geschichte. Danach haben wir die meisten anderen Veranstaltungen ausgerichtet.

Der Apfelbiss wird in der Oper zum Befreiungsakt in einem Überwachungsstaat, zur Trennung von dem Schutz gebenden Machthaber im Paradies.

Dass „Verführung“ immer auch ein doppeldeutiger Begriff ist, wird also beachtet?

Bend: Ich denke schon. „Adam und Eva“ nach der Peter-Hacks-Komödie etwa bringt auch die DDR-Geschichte dieses Autors ein. Der Apfelbiss wird in der Oper zum Befreiungsakt in einem Überwachungsstaat, zur Trennung von dem Schutz gebenden Machthaber im Paradies. Um Freiheit zu erlangen.

Viele große Künstler sagen ja, man müsse raus aus solchen trügerischen Paradiesen …

Bend: Na ja, es gibt auch viele, die gern reinwollen. Weil es bequemer ist. Eine geschützte Zone.

Doch zurück zum Festival: Da gibt es durchaus auch die vordergründig kulinarische „Verführung“, die mit Sekt und Häppchen operiert?

Bend: Ja, doch immer in Verbindung mit bedeutender Musik. Die Sinne werden dadurch noch ein bisschen stärker angesprochen. Und es wird ja nicht so sein wie einst beim Kurfürsten Carl Theodor: Da wurde aufgetragen, während die Musik spielte. Wir haben das fein säuberlich getrennt.

Aus der „Kurfürstenstube“ dicht am Schlosseingang wird auch ein Festspielzentrum werden. Haben Sie sich da vom Heidelberger Frühling inspirieren lassen?

Bend: Wie auch bei anderen Festivals machen sie das in Heidelberg sehr gut mit ihrem Zelt. Das Schöne bei uns ist, dass auch Besucherinnen und Besucher kommen können, die davor gar nicht im Schloss waren. Bei schönem Wetter werden die Gespräche mit den Künstlern überdies ins Freie übertragen.

Cornelia Bend und „ihre“ ersten SWR-Festspiele

  • Bend, in Offenbach geboren, fing als Solooboistin an, doch nach dem Studium orientierte sie sich immer mehr in Richtung Management .
  • Am Nationaltheater Mannheim etwa wurde sie Orchesterdirektorin , nahm dem damaligen Generalmusikdirektor Adam Fischer alle administrativen Mühen ab.
  • Danach ging sie zum Rundfunk und war 20 Jahre lang Managerin des renommierten SWR-Vokalensembles .
  • „Ihre“ ersten Schwetzinger Festspiele als neue Künstlerische Leiterin dauern vom 1. bis zum 31. Mai . Bewährtes führt sie weiter, wie die zwei Musiktheater-Produktionen: eine Uraufführung (mit Mike SvobodasAdam und Eva“) sowie eine Ausgrabung (mit Johann Christian Bachs Kantate „Amor vincitore“). Zu den Residenzkünstlern zählen Cellistin Raphaela Gromes, Tenor Julian Prégardien und Komponist Mike Svoboda.
  • Stark ausgebaut hat Bend die Angebote zur Musikvermittlung , insbesondere für junges Publikum. HGF

Und die dunklen Seiten der „Verführung“: Werden die vor allem durch den Katja-Riemann-Abend abgedeckt?

Bend: Ja, für Katja Riemann war schon in den Vorgesprächen klar, dass sie hier nicht „Cherchez la femme“ bedienen möchte. Sondern eher die Verführung durch die „Führer“ und die Ideologen zeigen will. Aber sie sagt zugleich, dass diese beiden musikalisch-literarischen Programme, die sie ganz neu konzipiert hat, nicht allein bewegen sollen. Sondern auch unterhalten. Eine besondere Herausforderung, die sie fulminant einlöst.

Leider müssen wir jetzt auch ein Thema streifen, das in dieser Welt nun mal das Wichtigste von allen darstellt: Geld. Wie hoch ist Ihr Budget? Als Ihre Amtsvorgängerin begann, waren es wohl knapp zwei Millionen Euro.

Bend: Wir liegen mittlerweile noch ein bisschen drunter, aber stemmen mit dem Geld ein umfangreicheres Programm, zum Teil mit günstigeren Eintrittspreisen, um den Zugang niedrigschwellig zu gestalten. Perspektivisch aber sind die Festspiele in Zukunft noch mehr auf Sponsoren angewiesen.

Was den SWR betrifft, kommt immer nur die nächste Sparrunde?

Bend: Ich bin froh, wenn es so bleibt, wie es jetzt ist.

Ein bisschen traurig ist nur, dass es bei den Einsparungen stets die Klassik trifft. Könnte nicht auch der „Schlagerspaß mit Andy Borg“ herhalten? Mit das Edelste am SWR ist doch sein Bildungs- und Kulturauftrag …

Bend: Dabei geht es dem SWR um das Beibehalten starker Kulturangebote für die hiesige Region. Darin sieht der Sender seine besondere Verantwortung. Das bleibt auch so.

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Man wurde früher hier durch große Stars „verführt“. Aber der letzte echte Wunderknabe, der in Schwetzingen gesichtet wurde, spielte noch zuzeiten Ihrer Vorvorgängerin Marlene Weber-Schäfer: Daniil Trifonov. Das war ein Ausnahme-Klavierabend, an Trifonovs Chopin-Préludes kann ich mich heute noch erinnern. Diese Zeiten sind vorüber?

Bend: Na ja, da frage ich mich, ob es nicht mehr unsere Aufgabe ist, den jungen, bislang etwas weniger bekannten Künstlern oder Künstlerinnen eine Bühne zu verschaffen. Dadurch lässt sich mehr aus dem Etat machen, als wenn man einen Topstar einfliegt: für ein einziges Konzert, das man auch anderswo in dieser Form erleben könnte.

Aber Sponsoring wird dennoch immer wichtiger?

Bend: Durchaus, und anderswo kümmern sich ganze Abteilungen darum. Als Künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin bin ich in einer Doppelrolle und habe nur ein kleines, doch sehr schlagkräftiges Team. Wir stellen ein Programm mit mehr als 60 Veranstaltungen in vier Wochen auf die Beine.

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