Mannheim. „Back to the Future“ steht auf dem T-Shirt von Keyboarder Alex Grünwald. Der Titel des 80er-Jahre-Kultfilms blitzt in bunten Lettern unterm schwarzen Sakko hervor. Einer Zeitreise fiebert auch das Publikum im ausverkauften Mannheimer Capitol entgegen: Gut 1.000 Fans in Feierlaune sind bereit, sich von der Münchener Freiheit zurück in die schillernde Epoche der Neuen Deutschen Welle beamen zu lassen, in deren Sog die 80er-Jahre-Kultband mit dem unverwechselbaren Sound ihre größten Erfolge feierte. Kein Sitzplatz schafft Distanz oder hemmt die Stimmung im Saal. Die fünf Musiker, von denen drei bereits das Renteneintrittsalter erreicht haben, präsentieren sich bei ihrem vorletzten Konzert des Jahres taufrisch und glänzend aufgelegt – und deutlich rockiger, als man es von ihren Studioaufnahmen kennt.
Das wird schon beim Opener deutlich. „Liebe auf den ersten Blick“, geschrieben von Hubert Kah, einem anderen NDW-Star, wird so textsicher mitgesungen wie das folgende „Tausendmal Du“ und schnell wird klar: Die Musik der Münchener Freiheit hat nichts von ihrer Magie verloren. Vielmehr steht ihr das Druckvolle, Erdige ausgesprochen gut und macht es noch schwerer, die Band in eine musikalische Schublade einzusortieren. „Irgendwie sind wir doch alle Rocker“, ruft Sänger und Frontmann Tim Wilhelm unter großem Jubel.
Tim Wilheim ist „erst“ seit 13 Jahren Mitglied der Band
2011 hatte Bandgründer Stefan Zauner seinen vier Mitstreitern Aron Strobel, Michael Kunzi, Alex Grünwald und (dem in Mannheim krankheitsbedingt fehlenden) Rennie Hatzke nach 30 gemeinsamen Jahren den Rücken gekehrt. Sein Nachfolger, der 47-jährige Tim Wilhelm, wird in den Informationen zur aktuellen „Unterwegs“-Tour immer noch als „neu“ beschrieben – 13 Jahre sind in einer Band mit 45-jähriger Geschichte eben nicht mal ein Drittel.
Auf der 19 Songs umfassenden Setlist des gut 90-minütigen Auftritts in Mannheim stehen auch nur zwei Stücke, die nicht Teil der Zauner-Ära sind: „Ich brenne für dich“ aus dem Jahr 2018 und das fünf Jahre ältere „Magnet“. Aber: Tim Wilhelm findet sich in den großen Schuhen des Vorgängers wunderbar zurecht. Der ausgebildete klassische Sänger, Schauspieler und Fernsehmoderator imitiert nicht, sondern interpretiert und trifft auch die hohen Töne mühelos.
Größter Song der Münchener Freiheit zum Abschluss
Zu den Höhepunkten des Abends gehören der „Sommernachtstraum“, dem die Band ein sphärisches Instrumental-Intro verpasst, das gar nicht melancholische „Melancholie“ sowie das sentimentale „Herz aus Glas“. Ein von einem Hauch Nostalgie begleitetes Lichter- und Stimmenmeer untermalt den charakteristischen Harmoniegesang von Wilhelm, Gitarrist Strobel und Bassist Kunzi.
Über „S.O.S.“ und „Ich steh auf Licht“ aus dem Frühwerk der Band baut sich dann jene Stimmung auf, die auch das Publikum auf der Empore aus den Sesseln holt und nach 90 Minuten im Schluss- und Höhepunkt des Konzerts kulminiert: dem größten Song der Münchener Freiheit, der tief ins musikalische Gedächtnis gleich mehrerer Generationen eingesickert ist: „Ohne dich“.
„So lang man Träume noch leben kann“, das andere Stück, ohne das kein Freiheitsfan einschlafen will, gibt es (von symphonischen Pomp befreit) als Zugabe, ehe die Zeitreise mit „Bis wir uns wiederseh’n“ endet und gleichzeitig Vorfreude auf eine Fortsetzung weckt.
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