Mannheim. Klischees können etwas ganz Wunderbares sein. Schließlich greifen sie auf gemeinsame Erinnerungen zurück und verbinden Menschen – und manchmal eben auch Monster – miteinander. „Legends Are Made Of Clichés“ („Legenden werden aus Klischees geschaffen“) heißt der Song, mit dem die Band Lordi auf die Bühne des Mannheimer Capitol stapft, wo sie vor eineinhalb Jahren schon einmal für schaurig-schöne Rockunterhaltung gesorgt hat.
Die finnische Formation, die 2006 mit ihrem Song „Hard Rock Hallelujah“ in reichlich unvergesslicher Manier den Eurovision Song Contest gewann, greift tatsächlich tief in die Klischee-Kiste oder besser: in den Genre-Fundus der Gruselkultur. Der Kulissenaufbau mit zentralem Torbogen, über dem in großen Lettern „LORDI“ leuchtet, erinnert etwa frappierend an die Kunsthandschrift von „Alien“-Design-Schöpfer HR Giger. Und die aufwendig kostümierten Bandmitglieder selbst wirken wie liebevoll aus Groschenromanen und B-Horrorfilmen zusammengeflickte und durch Blitzenergie belebte Kreaturen: Frontmann Mr. Lordi mit Schädel-besetzter Rüstung, Plateaustiefeln und langen, klauenbewehrten Pranken, der arktische Bass-Troll Hiisi, die leichenhafte Puppen-Keyboarderin Hella, Zombie-Pastor Mana am Schlagzeug und Roboterkobold Kone an der Gitarre.
Musikalisch operieren diese Monster-Muntermacher mit ausladendem Hard- und Glamrock-Charme, über dem man sich die ikonische Band Kiss mit seligem Lächeln schwebend vorstellen darf. Dazu eine kleine Fan-Information: „Call Off The Wedding“, das die Finnen etwa zur Konzerthälfte anstimmen, hat Mr. Lordi zusammen mit dem langjährigen Kiss-Gitarristen Bruce Kulick geschrieben. Wobei an diesem Abend vor allem auch das aktuelle Album „Limited Deadition“ mit kurzweilig-kernig rockenden Songs wie besagtem „Legends Are Made Of Clichés“, „Syntax Terror“, „Retropolis“, „Fangoria“ oder „Hellizabeth“ vorgestellt wird. Dazu gesellen sich ältere, griffige Stücke wie „Girl in a Suitcase“ oder „Would You Love a Monsterman?“.
Zum Finale gibt es in Mannheim den ESC-Hit von 2006 „Hard Rock Hallelujah“
Obendrauf gibt es augenzwinkernde popkulturelle Querverweise, wie ein Drum-Solo zur „Knight Rider“-TV-Serien-Melodie (mitsamt rotem K.I.T.T.-Lichteffekt auf dem Schlagzeugpodest) oder Hiisis Bassspiel um das „Miami Vice“-Titelthema. „Blood Red Sandman“ dagegen darf auch Liebhaber des E.-T.-A.-Hoffmann–Œuvres entzücken, wobei Mr. Lordi seinen Opfern (also dem Publikum) hier keinen verhängnisvollen Sand, sondern harmloses Konfetti in die Augen streut.
Zur Show gehört neben dem launigen Schauer- und rauem Stimm-Charisma von Sänger und Conferencier Mr. Lordi auch der üppige Einsatz von Requisiten und Komparserie – wie eine Riesenkettensäge, ein dampfender Totenschädel oder auch eine Leib-sprengende „Alien“-Reminiszenz. Bei „Devil Is a Loser“ entfaltet Mr. Lordi (der bürgerlich Tomi Petteri Putaansuu heißt und auch Grafiker und Maler ist) riesige Fledermausflügel. Und natürlich, wie könnte es anders sein, wird mit „Hard Rock Hallelujah“ zu später Stunde das infernalische Finale gefeiert. Denn der gut besuchte Abend bietet eine extragroße Konzertportion: Im Vorprogramm präsentieren die Band Blood White ein kompaktes, einnehmendes Metal-Set und die Formation Null Positiv ihren eingängigen Nu-Metal.
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