Mannheim. Kein Schlagzeug, nirgends. Dafür ein schwarzer Flügel und ein Barhocker, auf dem der über zwei Meter große Bertram Engel an diesem Abend im „Capitol“ nicht sitzen wird. Im Publikum das ein oder andere Peter Maffay T-Shirt, Menschen, die sich also dafür interessieren, wer denn noch so alles mit dem Peter musiziert.
Bertram Engel alias Bertram Lutz Wilhelm Passmann hat sich von Steinfurt in Nordrhein-Westfalen aus an die Spitze der deutschen Schlagzeuger getrommelt. Er ist der amtliche Drummer der beiden, wie er sagt, deutschen Rock-„Großmächte“: Udo Lindenberg und Peter Maffay. „Im Prinzip führe ich seit 48 Jahren zwei parallele Langzeitehen. Von Beginn an wussten beide Partner voneinander.“ Dieser Wechsel zweier extrem unterschiedlicher Persönlichkeiten sei für ihn jedes Mal „ein Trip in eine andere Dimension“.
Engels Biografie ist eine Nabelschau aus einem irrsinnigen Leben
Davon gilt es zu berichten. Engel hat zusammen mit dem Journalisten Tom Schäfer in seiner Biografie „Mit alten Männern spiel ich nicht“ dieses beeindruckende Leben in Buchform gefasst. Diese launige Aussage traf er im Alter von 27 Jahren, als die Maffay Band beim Proben in den Augen des Drummers zu lasch spielte. Ein Satz, der den „straighten und disziplinierten“ Maffay, so Engel, schwer beeindruckte. Maffay hat dieses Plädoyer für vollen Einsatz sich zwar nicht auf den drahtigen Körper tätowieren lassen, aber verinnerlicht.
Das Buch ist wohldosierte Nabelschau aus einem irrsinnigen Leben, allerdings keine Verklärung der Dreifaltigkeit „Sex Drugs and Rock and Roll“, obwohl man davon jede Menge findet, gerade bei Udo Lindenbergs legendärem Panikorchester, bei dem der junge Engel schon mit 19 Jahren hinter dem Set saß. Es erzählt neben endlosem Touren und Aufnehmen auch von der Härte dieses Business, angefüllt mit schillernden Figuren, Genies und Egomanen, Künstlerseelen und Blutsaugern, aber auch von Existenzängsten, denn Engel ist in erster Linie, wenn auch sehr prominent, Angestellter und Dienstleister. So steht da der Mann im schicken Anzug auf der Bühne, klappt die Kladde auf und liest im Stehen Passagen aus dem Buch. Von schiefgegangenen Lindenberg-Aufnahmen auf den Bahamas, die man dann als „Betriebsausflug“ abbuchte, von der australischen Hitze, wo man mit Maffay Videoaufnahmen machte, die dann auch irgendwie in die Hose gingen. Also auch vom Scheitern, der Kehrseite.
Der Drummer sitzt am Klavier und singt eigene Stücke
Wenn er Lindenberg zitiert, parodiert er dessen Nuschelsprache, tut dies liebevoll, behutsam. Und er sitzt am Klavier, insofern war dieser Abend auch in großen Teilen konzertant. Der ewig Sonnenbebrillte, der mit Eric Burdon, Joe Cocker und Bruce Springsteen gespielt hat, ist auch ausgebildeter Pianist. Und das ist zu Beginn verstörend. Der Drummer singt, rau, im balladesken Stil. In „1000 Wege“: „Wir müssen niemals alle Antworten kennen, wir können uns auch mal unsere Hände verbrennen.“ Das ist sehr maffayesk, schließlich hat Engel auch für ihn einen Teil dieser Songs geschrieben.
Es wird klar: Engel will diese andere Facette zeigen, den Songwriter. Er macht das ordentlich. Nur eigenes, keine Hits von den Stars. Vielleicht eine Frage der Rechte oder bewusster Teil des Konzeptes. Doch gerne hätte man mehr Geschichten gehört. Dennoch, das Publikum ist begeistert und feiert das Allroundtalent.
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