Mannheim. Die ganze Stadt soll singen, zehn Tage lang. Ein Jahr vor der geplanten Großaktion von „Mannheim singt“ spricht Kulturbürgermeister Thorsten Riehle über die Idee, die persönliche Motivation und darüber, wie gemeinsames Singen die Stadtgesellschaft stärken kann.
Herr Riehle, in einem Jahr soll ganz Mannheim zehn Tage lang singen. Sie wollen dabei möglichst viele Menschen an allen möglichen Orten zum Singen bringen. Was bedeutet Ihnen persönlich das Singen?
Riehle: Ich bin mit Chören aufgewachsen. Ich habe als Kind in Ladenburg gesungen und viele Stationen gemacht in einem Kirchenchor. Ich war Teil des Celebration Gospel Choirs, habe dort Xavier Naidoo kennengelernt. Insofern ist Singen für mich die Grundlage gewesen als Geschäftsführer am Capitol und eigentlich auch jetzt als Kulturbürgermeister.
„Mannheim singt“ findet ja dann zum ersten Mal statt. Wie kam es zu der Idee?
Riehle: Auf der einen Seite haben wir die Fliehkräfte der Gesellschaft. Die Menschen reden nicht mehr miteinander, wir haben immer mehr Vereinsamungen, wir haben Vereinzelungen, wir sehen Menschen, die komische Gedanken im Kopf haben – da habe ich überlegt: Wie kriege ich die Menschen zusammen? Auf der anderen Seite wollen wir die Stadt wieder attraktiver machen. Da sind wir an vielen Stellen nach Corona immer noch bei der Frage: Wie bekommen wir Menschen zurück in die Innenstadt, wie sehen wir die Zukunft von Mannheim? Für mich war wichtig diese beiden Dinge zu verbinden und im gemeinsamen Singen sehe ich ein mögliches verbindendes Element, und das möchte ich gerne stärken. Insofern war „Mannheim singt“ eine Herzensangelegenheit.
Also es geht schon darum, auch die heterogene Gesellschaft ein bisschen zu homogenisieren? Haben Sie Signale, dass auch gesellschaftliche Gruppen an der Aktion teilnehmen werden, die sonst vielleicht nicht so in der kulturellen Öffentlichkeit stehen?
Riehle: Wir haben ja zunächst bei Chören angefragt. Es gibt sehr unterschiedliche Chöre. Es gibt die, die seit vielen Jahrzehnten institutionalisiert sind. Aber es gibt auch ganz neue Formen, zum Beispiel beim Mannheimer Thekenchor. Und da haben wir tatsächlich auch den Befund, dass Menschen zusammenkommen, die erstmal mit dem Singen gar nichts zu tun haben, sondern die Freude daran haben, sich zu treffen. Daraus entwickelt sich dann die Freude am Singen. Wir wollen zeigen, wie vielfältig Chöre sein können –vom Kinderchor über den Kirchenchor, gemischte Chöre, Frauenchöre, Männerchöre bis hin zu nicht institutionalisierten und damit eigentlich auch nicht geführten Gesangsformationen. Die Idee ist, all das mit Menschen zusammenzubringen, die mit dem Thema Singen noch gar nichts zu tun haben.
Wie weit können Sie vordringen in die migrantischen Teile der Mannheimer Bürgerschaft?
Riehle: Das wird die spannende Herausforderung sein, auch zu überlegen, ob wir einen Chor zusammenbekommen, der zum Beispiel türkische Volksmusik singen kann, oder ob wir einen Chor zusammenbekommen, der arabische Musik gemeinsam macht.
Die arabische Musik ist halt nicht unbedingt durch Mehrstimmigkeit geprägt.
Riehle: Nein, aber die arabische Musik ist natürlich durch ihre charakteristische Melodik geprägt, die für viele zunächst fremd klingt, dann aber in ihrer Stilistik total spannend ist. So hoffe ich, dass es uns gelingt, das auch zu Menschen zu tragen, die sich damit noch gar nicht beschäftigt haben, aber dem Chorsingen gegenüber offen sind. Wir müssen also auch über Chorliteratur nachdenken.
Also quasi die Fragestellung: Kann es gelingen, einen Männergesangsverein dazu zu bringen, ein türkisches Lied zu singen?
Riehle: Also, das habe ich noch nie gehört. Aber das wäre spannend, ja.
Wie weit oder konkret sind denn die Planungen für die Aktion?
Riehle: Wir sind jetzt ein Jahr davor. Wir stellen uns vor allem Fragen: Was machen wir überhaupt? Wie wollen wir die Tage füllen? Festgelegt ist bislang, dass wir in der Kunsthalle mit einer großen Veranstaltung beginnen wollen und wir wollen enden mit einer großen Veranstaltung in der Innenstadt. Der Samstag, der 10. Oktober, wird der Samstag vom Erlebniswochenende sein, das werden wir bewusst auch nutzen.
2. Chorfestival und „Mannheim singt“
„Mannheim singt“: Die Aktion beginnt am Freitag, 2. Oktober 2026, mit einer großen Veranstaltung im Atrium der Mannheimer Kunsthalle und endet am Sonntag, 11. Oktober 2026, ebenfalls mit einer großen Veranstaltung in der Stadtmitte. Dazwischen plant Bürgermeister Thorsten Riehle zusammen mit Antje Geiter von der Heinrich-Vetter-Stiftung und Mitgliedern eines eigens gegründeten Vereins möglichst viele weitere Aktionen.
2. Chorfestival Rhein-Neckar: Die zweite Ausgabe des Chorfestival Rhein-Neckar (CFRN) wird am Samstag, 3., und Sonntag, 4. Oktober 2026, im Opal stattfinden. Nähere Informationen zum Ablauf, den Kategorien und den Anmeldemodalitäten wird es ab Mitte November auf der Website (www.mannheimer-morgen.de/cfrn) geben.
Thorsten Riehle: Geboren am 16. April 1970 in Mannheim, ist Riehle seit dem 1. März 2024 Bürgermeister der Stadt Mannheim und leitet das Dezernat II, zuständig für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur. Zuvor war er 25 Jahre lang Geschäftsführer des Mannheimer Capitols und von 2014 bis 2023 als Stadtrat sowie zuletzt als Fraktionsvorsitzender der SPD im Mannheimer Gemeinderat tätig.
Sie sind ja auch auf uns, die Redaktion des „Mannheimer Morgen“, zugekommen und wollten, dass wir das 2. Chorfestival Rhein-Neckar im Rahmen von „Mannheim singt“ veranstalten. Waren Sie denn beim ersten Chorfestival dabei?
Riehle: Beim ersten Chorfestival auf der Buga hatte ich tatsächlich was anderes zu tun, es war kurz nach der Wahl, in der ich ja als Oberbürgermeister kandidiert habe. Da war mein Fokus nicht so sehr auf solche Veranstaltungen gerichtet. Aber ich habe viele Freunde, die damals daran teilgenommen haben. Und die waren alle sehr, sehr begeistert. Mit Chorwettbewerben bin ich ja aufgewachsen. Also das war absolut klar, dass wir als Chor auch immer zu Chorwettbewerben gefahren sind. Das gibt es in der Form leider immer seltener. Insofern ist so ein Chorfestival etwas Tolles, um einfach auch gegenseitig sich zu zeigen, wo man steht, wie man arbeitet – und beim zweiten Mal ist der Ort auch fantastisch.
Das Chorfestival wird im Opal stattfinden. Sind es auch solche Öffnungsaktionen, die Sie jetzt vonseiten des Nationaltheaters gut finden?
Riehle: Ja, ganz dringend. Ich unterstütze das vorbehaltlos. Das Nationaltheater muss sich auch weiter öffnen. Das tut es auch tatsächlich. Das nimmt immer mehr Fahrt auf. Wir haben viele Veranstaltungsformate, die im Opal beispielsweise stattfinden, aber auch im alten Kino Franklin oder im Werkhaus. Es ist enorm wichtig, dass wir das eben nicht nur als Ort sehen, in dem das Nationaltheater stattfindet, sondern auch als Ort für allgemeine Kultur, für andere Formate wie die „Mannheimer Reden“. Es müssen von dort Impulse in die Stadtgesellschaft wirken.
Gleichzeitig wird das Theater an dem Wochenende keine Einnahmen generieren.
Riehle: Dem würde ich widersprechen. Natürlich generiert es Einnahmen. Nämlich dadurch, dass Menschen diesen Ort kennenlernen – niederschwellig. Und sich überlegen, ob sie zukünftig das Opal auch besuchen. Insofern ist das immer auch als Werbeveranstaltung enorm wichtig. Und wenn das ein paar tausend Menschen sind, dann haben wir mit Sicherheit da viele Menschen drunter, die die Oper am Luisenpark noch gar nicht kennen. Und genau das ist die Investition, die auch ein Nationaltheater leisten muss.
Wir hatten schon darüber geredet, Sie wollten ja das Chorfestival auch eröffnen. Würden Sie das auch singend machen?
Riehle: Wenn mir einer dazu ein Lied schreibt, mit dem ich zurechtkomme, dann mache ich das selbstverständlich gerne auch singend. Von mir aus würde aber ein Klavier als Begleitung reichen, und wenn am Klavier Stefan Dettlinger sitzt, mache ich das sofort. Klar: Das machen wir.
Zum Schluss noch die Frage, „Mannheim singt“ ist neu in der Stadt. Es gibt ähnliche Aktionen in anderen Städten. Koblenz zum Beispiel. Ist das nun ein Pilotprojekt, nach dem man, wenn es erfolgreich war, sagt: Das machen wir jetzt jedes Jahr?
Riehle: Ob es jährlich stattfinden kann, weiß ich nicht. Aber es soll aus meiner Sicht keine Eintagsfliege sein. Ich glaube, gerade aus den anfangs genannten Gründen ist es ganz wichtig, dass wir überlegen, wie wir Menschen miteinander in Beziehung setzen können. Gemeinsames Singen ist ein großes Miteinander. Es sollen sich Menschen kennenlernen und die Stadt dabei Attraktivität gewinnen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es weitergeht. Wir haben ja mit der Heinrich-Vetter-Stiftung, dem neuen Verein „Mannheim singt“ als Träger und dem Kulturamt drei Projektpartner, die mit Sicherheit auch weitermachen wollen. Da bin ich ziemlich optimistisch.
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