Nationaltheater

Nationaltheater Mannheim: Einsparungen bedrohen Kulturangebot

Mannheims größte Kultureinrichtung, das Nationaltheater, muss wegen finanzieller Engpässe der Stadt viel sparen. Das ist in den nächsten Jahren geplant.

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Stefan M. Dettlinger
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Dieses Rendering des Spielhauses am Goetheplatz zeigt, wie das Haus nach der Generalsanierung aussehen soll. © Schmucker und Partner

Mannheim. In Zeiten angespannter städtischer Finanzen müssen auch Kultureinrichtungen ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Das Nationaltheater Mannheim (NTM), die zentrale kulturelle Institution Mannheims, sieht sich gezwungen, erhebliche Einsparungen umzusetzen - hier die wichtigsten Fragen zum Sparkurs.

Warum muss die Stadt Mannheim überhaupt viel Geld einsparen?

Die Stadt Mannheim steht vor erheblichen finanziellen Herausforderungen, die in den kommenden Jahren zu umfangreichen Einsparungen führen müssen. Bis Ende 2028 wird ein Liquiditätsdefizit von rund 603 Millionen Euro erwartet. Diese Situation resultiert aus mehreren Faktoren:

  • Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen: Für das Jahr 2025 rechnet die Stadt mit einem Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen um etwa 90 Millionen Euro.
  • Steigende Ausgaben: Die Kosten für soziale Leistungen, Kinderbetreuung und Investitionen in Infrastrukturprojekte wie die Sanierung des Nationaltheaters sind gestiegen.
  • Verluste städtischer Eigenbetriebe: Einige städtische Unternehmen verzeichnen finanzielle Verluste, die den Haushalt zusätzlich belasten.

Wie viel davon muss die Kulturszene einsparen?

Die städtischen Kulturhäuser müssen ihren Teil zum Sparkurs beitragen: Weniger Sonderausstellungen, angepasste Eintrittspreise, kürzere Öffnungszeiten – das sind nur einige der Stellschrauben, die die Stadt in ihrem Mannheimer Zukunftshaushalt (MZH) nennt. Beim Kulturamt soll die Projektförderung ab 2027 schrittweise um rund zehn Prozent gekürzt werden.

Das Nationaltheater Mannheim ist dabei ein eigener Posten: Hier soll vor allem bei der teuren Generalsanierung gespart werden, zudem wird am jährlichen Zuschussbedarf gedreht.

Die Stadt will unterdessen künftig gezielt auf Stiftungen setzen. Mit Einnahmen aus Erbschaften oder Schenkungen sollen kulturelle und soziale Projekte unterstützt werden.

So soll der Chorprobensaal nach der Sanierung aussehen. © Schmucker und Partner

Wie viel muss das NTM tatsächlich einsparen?

Die Einsparsumme für 2025 beträgt laut dem Geschäftsführenden Intendanten Tilmann Pröllochs 914.000 Euro. Das entspreche zwei Prozent der gesamten Zuschusssumme der Stadt an das NTM, so Pröllochs (45,7 Millionen Euro – ohne den Schuldendienst von rund acht Millionen Euro). Für das Jahr 2026 entsprechen drei Prozent einer Einsparung von 1.454.000 Euro. Diese Werte beruhen auf den Daten des MZH, die in den Nachtragshaushalt der Stadt Mannheim einfließen.

Zwischenzeitlich sei auch vorgesehen, diese Vorgabe um weitere zwei Prozent zu erhöhen, also auf insgesamt fünf Prozent ab 2026, so die Theaterleitung. Das entspricht dann knapp 2,5 Millionen Euro. Aktuell würden weitergehende strukturelle Maßnahmen zur Konsolidierung des Wirtschaftsplans erarbeitet, die dem Gemeinderat in gesonderten Entscheidungsvorlagen zur Beschlussfassung vorgelegt würden. Konkret wird das NTM da noch nicht.

Belastet den Etat Mannheims massiv: die Baustelle des Spielhauses auf dem Goetheplatz. © Maximilian Borchardt

Wie ist das aktuelle Jahresbudget und wie teilt es sich auf?

Das Jahresbudget beträgt inklusive der Zuschüsse für die Projektorganisation der Generalsanierung und den Schuldendienst sowie des Interims insgesamt rund 63,4 Millionen Euro und gliedert sich wie folgt:

  • Betriebskostenzuschuss Land: 19,9 Millionen Euro
  • Betriebskostenzuschuss Stadt: 35,9 Millionen Euro
  • Sanierungs- und Interimskostenersatz (Zuschuss): 3,6 Millionen Euro
  • Eigenmittel (u.a. aus Ticketerlösen): 4,9 Millionen Euro

Die Frage, ob das Land, wie üblich, seine Zuwendung adäquat zur Stadt ebenso senken wird, ist derzeit auf Anfrage beim zuständigen Ministerium noch nicht geklärt.

Wie verteilt sich das Budget von 63,4 Millionen Euro prozentual auf die unterschiedlichen Intendanzen?

Das Budget verteilt sich wie folgt:

  • Oper: 35 Prozent (22,19 Millionen Euro).
  • Schauspiel: 9 Prozent (5,71 Millionen Euro).
  • Tanz: 3 Prozent (1,9 Millionen Euro).
  • Junges Nationaltheater Mannheim: 3 Prozent (1,9 Millionen Euro).
  • Zentralbereich: 39 Prozent, Projektorganisation (24,73 Millionen Euro - im Zentralbereich sind Verwaltung, Werkstätten und Bühnentechnik sowie Hausdienste, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit inbegriffen).
  • Interim Sanierung: 11 Prozent (6,97 Millionen Euro).
Sie steuern Mannheims größte Kultureinrichtung (v.l.): Stephan Thoss (Intendant Tanz), Albrecht Puhlmann (Intendant Oper), Christian Holtzhauer (Intendant Schauspiel), Ulrike Stöck (Intendantin Junges Nationaltheater), Tilmann Pröllochs (Geschäftsführender Intendant) und Kulturbürgermeister Thorsten Riehle. © Foto: Natalie Grebe

Wie hoch sind die Kosten für die Kollektive Orchester und Chor sowie die Ensembles?

Die Personalkosten für die laut Opernintendant Albrecht Puhlmann rund 840 Mitarbeitenden des Nationaltheaters belaufen sich für das gesamte Haus laut Pröllochs auf 53,5 Millionen Euro. Demnach werden für das Orchester rund 10 Millionen Euro, für den Opernchor rund 4,5 Millionen Euro aufgewendet, der Zentralbereich zusammen mit der Geschäftsstelle Generalsanierung schlägt mit 28,9 Millionen Euro zu Buche. Das Spartenpersonal einschließlich der Ensembles kostet in der Oper 4 Millionen Euro, im Schauspiel 2,9 Millionen Euro, im Tanz 1,5 Millionen Euro und im JNTM 1,7 Millionen Euro. Das NTM weist darauf hin, dass es sich um gerundete Zahlen handelt.

Wo genau will das NTM nun die oben genannten Summen einsparen?

Jede Sparte erbringt Pröllochs zufolge ihren Sparbeitrag entsprechend der Kostenverteilung (Detailsummen siehe Infobox). Die Einsparungen werden sowohl in den Personal- als auch den Sachkosten erbracht. Die Zahl der Produktionen ist für 2025/26 gegenüber den Vorjahren bereits reduziert.

Die operativen Einsparungen werden in drei Kategorien geplant: 1) Reduktion von Produktionskosten (z. B. Anpassung der Bühnenbilder, weniger Gastkünstler), 2) Personalmaßnahmen (Nicht-Besetzung freiwerdender Stellen, Verringerung von Ausbildungsstellen auf das vom Haus benötigte Maß), 3) Sachkosteneinsparungen in allen Bereichen.

Haushaltstechnisch wird der Betriebskostenzuschuss dieser Jahre jeweils um den Kürzungsbetrag reduziert.

Die geplanten Einsparsummen im Einzelnen (in Euro):

  • Anpassung Personalaufwand: 410.400 (2026), 251.800 (2027), 0 (2028)
  • Reise/Übernachtung/Bewirtung: 110.000 jeweils in den Jahren von 2026 bis 2028
  • Leasing, Miete f. Drucker, Kopierer etc: jeweils 60.000 in den Jahren von 2026 bis 2028
  • Außenreparaturen, Gebäude (zeitlich strecken): jeweils 70.000 in den Jahren von 2026 bis 2028
  • Reinigungszyklen anpassen: jeweils 100.000 in den Jahren von 2026 bis 2028
  • Verbrauchskosten Immobilien/Mobilien senken: jeweils 35.000 in den Jahren von 2026 bis 2028
  • Marketing & Werbung reduzieren: jeweils 45.000 in den Jahren von 2026 bis 2028
  • Büro/Porto/Versand reduzieren: jeweils 25.000 in den Jahren von 2026 bis 2028
  • Dienstleistungen Stadt MA: jeweils 85.000 in den Jahren von 2026 bis 2028
  • Personaletat (Vakanzen), Zentralbereich: 280.000 im Jahr 2028
  • Produktionsetat Oper: 339.000 (2026), 316.000 (2027) und 331.000 (2028)
  • Personal Oper: 205.000 (2026), 250.000 (2027) und 260.000 (2028)
  • Produktionsetat Schauspiel: 86.000 (2027) und 90.000 (2028)
  • Produktionsetat Tanz: 45.000 (2027) und 45.000 (2028)
  • Produktionsetat JNTM: 34.100 (2027) und 34.100 (2028)
  • Personal JNTM: 12.200 (2027) und 12.200 (2028)
  • In Summe macht das 1.484.000 Euro Einsparung im Jahr 2026, 1.525.100 Euro im Jahr 2027 und 1.582.300 Euro im Jahr 2028.

Wo werden die Besucherinnen und Besucher den Sparkurs am Nationaltheater bemerken?

Bislang versuche man, „interne Lösungen für die Einsparungen zu finden“. Mit der Absage der Opernproduktion „Greek Passion“ für die Spielzeit 2025/26 haben die Sparauflagen sichtbar Auswirkung auf den Spielplan gezeigt, so das NTM. Im weiteren Verlauf sei mit Serviceeinschränkungen (z.B. Öffnungszeiten der Theaterkasse) zu rechnen oder dem Fortbestand von Unannehmlichkeiten für die Besucher (Zugangsweg zur Ersatzspielstätte OPAL), die wegen Geldmangels nicht behoben werden könnten.

Wie hoch sind die veranschlagten Kosten für die Generalsanierung?

Auf der Website des Theaters findet man unter dem Punkt Generalsanierung/FAQ alle Daten zur Generalsanierung. Dort steht auch, dass das interdisziplinäre Planungsteam unter der Leitung des Mannheimer Architekturbüros Schmucker und Partner im März 2020 für die Generalsanierung des Nationaltheaters einen Kostenrahmen von 247,08 Millionen Euro brutto berechnet habe. Laut Prognosen des beauftragten Projektsteuerers Drees & Sommer von Dezember 2024 habe sich demgegenüber zuletzt allerdings eine potenzielle Kostensteigerung von 62,5 Millionen Euro bis zum Bauzeitende abgezeichnet. Diese Mehrkosten würden zum Teil durch den Verzicht auf den Neubau des Zentrallagers gedeckt, wie es dort heißt.

So soll nach der Sanierung der Aufgang zur Oper aussehen: Rendering des Foyers. © Schmucker und Partner

Wann wird die Sanierung beendet sein?

Aktuell gehe das interdisziplinäre Planungsteam um das Architekturbüro Schmucker und Partner davon aus, dass das Spielhaus am Goetheplatz zur Spielzeit 2028/2029 wiedereröffnet werden könne, sagt das Nationaltheater Mannheim.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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