Metropolregion. Es treibt ihn um, das sieht man. Robert Montoto will Freiheit – die des Denkens und die des Diskurses. Und hier sieht Montoto autoritäre Bestrebungen, Denk- und Sprechverbote. Das maßgeblich von ihm organisierte Denkfest am 8. und 9. Oktober in Landau dreht sich genau um diese „Kampfzone Freiheit“, wie das Motto der Veranstaltung auch lautet – ein Interview.
Herr Montoto, das Denkfest steht in diesem Jahr unter dem Motto „Freiheit“. Fühlen Sie sich unfrei in diesem Land?
Robert Montoto: Was den öffentlichen Diskurs anbelangt und die Art und Weise, wie mit Positionen umgegangen wird, die vom jeweiligen Gegenüber oder einer Gruppe nicht geteilt werden, fühle ich mich tatsächlich, immer wieder, in meiner Freiheit eingeschränkt. Mich stört vor allem, dass Auseinandersetzungen oft emotional und nicht rational geführt werden.
Sprechen Sie da von – unausgesprochenen – Denk- oder gar Redeverboten?
Montoto: Ja! Und mittlerweile werden Denk- und Sprechverbote auch artikuliert, sogar gefordert. Ich kann und will nicht akzeptieren, dass mir jemand, gleich welcher Couleur, vorschreibt, wie ich mich äußern darf. Gegenwärtig gefährden vielgestaltige autoritäre Bestrebungen unsere Demokratie. Wenn eine Position nicht dem jeweiligen Comment entspricht, wird sie allzu oft an den Pranger gestellt und es offenbart sich der ungeheure Wille, sie und die Person, die sie einnimmt, geradezu auszulöschen. Daran sollten wir uns nicht gewöhnen.
Warum, glauben Sie, ist das so?
Montoto: Ist es vielleicht die Sehnsucht der Menschen in sehr unsicheren Zeiten zu einer Gemeinschaft mit moralischer Überlegenheit zu gehören oder über eine nationale Identität Sicherheit zu erfahren? Es gibt diese Tendenz einerseits, zur moralischen Absolutheit und andererseits, den Rückgriff auf autoritäre Führerfiguren und einen behaupteten Volkswillen, die Grenzen dieser Haltungen sind dabei fließend. Liegt dem allem womöglich, vereinfacht gesagt, die Angst vor der Freiheit zugrunde? Autoritäre Bestrebungen versprechen emotionale, soziale und psychologische Entlastung in Zeiten großer Umbrüche. Schließlich löst sich gerade die alte Weltordnung auf und wir wissen nicht, wie unser Zusammenleben zukünftig aussehen wird. Die Menschen schrecken deshalb vor der Ambiguität zurück und streben nach scheinbar seligmachender Eindeutigkeit, die mit Ausschließlichkeit einhergeht, aber unserem komplexen Dasein nicht gerecht wird.
Vielleicht werden wir mal konkreter: Wenn Sie diese Themen öffentlich diskutieren wollen, dann haben Sie sicherlich ambivalente Gäste eingeladen, oder?
Montoto: Wir haben keine Angst vor Ambivalenz und dies drückt sich in der Auswahl der Personen aus, die wir gebeten haben, ihre Positionen darzustellen. Ich verwende bewusst nicht die üblichen Kategorien, um die zum Teil sehr gegensätzlichen Meinungen zu beschreiben, die aufeinandertreffen werden, aber das Spektrum reicht weit. Susan Neiman kritisiert eine moralisch absolut auftretende Identitätspolitik, Hamed Abdel-Samad ist streitbar und umstritten, er stellt sich den Fundamentalisten, gleich welcher Richtung, entgegen. Meron Mendel kennt sich mit ideologischen Kampfzonen aus und besitzt die Fähigkeit, Antipoden an einen Tisch zu bringen. Es wird vielstimmig werden. Aber wir hoffen, dass wir miteinander und nicht übereinander reden, jenseits aller ideologischen Linien.
Aber was ist das Ziel des Miteinander-Redens – in einer Art dialektischem Prinzip die Vision einer neu denkenden Gesellschaft zu entwickeln, in der man – fast – alles darf und – fast – alle respektiert?
Montoto: Respekt für jeden. Was man darf oder nicht darf, sagt uns das Grundgesetz. Für die künstlerische Produktion allerdings, sollte kaum eine Einschränkung gelten, die muss Grenzen überschreiten dürfen.
Aber brauchen wir nicht ein paar Leitplanken in unserem Kommunikationscode?
Montoto: Ja, und für guten Streit sind das: Argumentiere nicht affektiv, sondern überlegt, begegne der Gegenmeinung mit Anerkennung, versuche zu verstehen, was dein Gegenüber sagt, erwäge immer, dass du dich irren kannst.
Und wie entgegnet man jemandem, der sagt: Deutschland den Deutschen?
Montoto: Jemand, der das sagt, schreit wahrscheinlich und ist nicht an einer sachlichen Auseinandersetzung interessiert.
Also endet hier die Freiheit der freien Rede?
Montoto: Meiner Meinung nach, nein. Denn ich muss es aushalten, dass extreme Aussagen in einer Demokratie erlaubt sind, auch wenn es schmerzt. Natürlich kommt es auf den Kontext an, in dem etwas gesagt wird. Und wenn mein Counterpart mir signalisiert, dass er sich mit mir streiten will, dann nehme ich das Angebot gerne an. Soweit er sich an die eben erwähnten „Leitplanken der Kommunikation“ hält.
Robert Montoto
- Robert Montoto: Der Leiter des Kulturbüros der Metropolregion, geboren 1962, stammt aus Darmstadt. Nach abgebrochenem Studium (Germanistik, Theaterwissenschaft) arbeitete er als Assistent, Regisseur und Projektleiter. Danach war er Gründungsgeschäftsführer des Besucherrings am NTM sowie Vorstandsmitglied des Besucherrings Deutschland.
- Das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar: Es ist eine zentrale Organisation zur regionalen Kulturförderung in der Region. Es versteht sich als Netzwerk- und Servicestelle für Kunst- und Kulturschaffende, Institutionen sowie Kommunen der Region. Das Kulturbüro unterstützt und vernetzt Akteurinnen und Akteure der Kulturszene, organisiert eigene Kulturprojekte und -festivals und entwickelt neue Formate, die die Sichtbarkeit und die Zusammenarbeit im kulturellen Bereich stärken sollen.
- Das Denkfest: Beim Denkfest 2025 am 8. und 9. Oktober in Landau steht die Freiheit in Kunst und Gesellschaft im Mittelpunkt. Unter dem Motto „Kampfzone Freiheit – Wer hat Angst vor Ambivalenz?“ sollen Engführungen, Vorgaben und neue Ideologien ebenso diskutiert werden wie verhärtete Positionen in der Identitätspolitik und autoritäre Machtverschiebungen. Das Festival lädt Kulturakteurinnen und -akteure sowie die Öffentlichkeit zu einem offenen Diskurs ein, der auf Widerspruch setzt und Differenz als kreativen Motor begreift. Ziel ist es, neue Räume für Freiheit zu erschließen und Debattenkultur jenseits ideologischer Linien zu fördern.
Aber genau an diesem Punkt wird doch die Debatte interessant: Jemand sagt etwas, was überhaupt nicht in mein Weltbild passt und auch nicht zu Paragraf eins des Grundgesetzes, dass nämlich die Würde des Menschen unantastbar ist. Da bleiben Sie ganz cool?
Montoto: Wir könnten jetzt einen Juristen befragen, ob diese Aussage gegen Paragraf eins des Grundgesetzes verstößt, der würde wahrscheinlich keine eindeutige Antwort geben, aber um diese tatsächlich extremistischen Positionen geht es ja meistens nicht. Wir unterstellen einem Menschen oft jemand zu sein, der er nicht ist, oder eine Position zu vertreten, die er tatsächlich nicht vertritt, weil wir uns nicht ernsthaft mit seinen Aussagen, Schriften oder Positionen beschäftigen. Menschen werden an den Pranger gestellt, weil sie für ein Land Partei ergreifen oder eine Position vertreten, die eine bestimmte Gruppe keinesfalls gelten lass will. Künstlerinnen und Künstler werden ausgeladen, weil sie Israelis, Palästinenser, Russen oder Ukrainer sind. Gemälde werden aus Museen entfernt, weil sie als ethisch problematisch empfunden werden. Vorlesungen werden abgesagt, weil bestimmte Thesen umstritten sind, jemand fühlt sich von einem Gedicht im öffentlichen Raum so verunsichert, dass es beseitigt wird. Eine ganze Designbewegung und deren Zeugnisse wird angegriffen, Museums- und Theaterleute werden entlassen, weil sie der jeweiligen Regierung nicht gehorchen. Darum geht es und das dürfen wir nicht und niemals akzeptieren.
Sind Sie ein Gegner von Wokeness und Political Correctness?
Montoto: Ich würde mich als Gegner aller Tendenzen bezeichnen, die die Freiheit einschränken und unterschiedliche Meinungen und Positionen nicht respektieren. Die Begriffe, die sie genannt haben, vermeide ich, weil es Stereotype sind. Ich will all diesen Phänomenen, die wir in diesem Gespräch thematisiert haben, mit Verständnis begegnen und niemanden denunzieren und das erwarte ich auch von meinen Mitmenschen. Und deshalb machen wir das Denkfest, weil wir zu einem offenen performativen Diskurs einladen, der Widerspruch nicht scheut und Differenz als kreativen Motor versteht. Der Mastermind des Denkfests, Christian Schüle, zitiert immer wieder gerne Voltaire, der gesagt haben soll: „ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“ Klingt ein wenig pathetisch, und leider gar nicht zeitgemäß, denn wir erleben zu Zeit das genaue Gegenteil.
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