Mannheim. Die Anmutung eines durch Zeit und Raum treibenden Troubadours oder einer Minnesängerin umflort Gérald Arev Kurdian ein Lied lang im Studio Werkhaus des Mannheimer Nationaltheaters: Angetan mit einem Lederwams, aus dem heraus sich Rosenblatt-artige Puffärmel bauschen, dazu knappe Ledershorts, glitzernde Strumpfhosen und Sneakers, die Beine übereinandergeschlagen. Keine Laute wird hier in den Händen gehalten, dafür ein E-Bass, um eine „mittelalterliche Ode an einen Pornostar“ in Gesang und Instrumentenklang zu kleiden: Eine bittersüße Ballade, zerbrechlich, sehnsuchtsvoll und dramatisch.
Schillertage in Mannheim: „The Transition Pieces“: konzertante Album-Vorstellung
Diese Ode ist Teil eines neuen Albums, das Gérald Kurdian nach eigenem Bekunden gerade aufnimmt und das von den gegenwärtig selbst auf allen Ebenen durchlaufenen „Transitions“ erzählt – von Transformationen also. „The Transition Pieces“ heißt auch der 2024 begonnene Kompositionszyklus von Gérald Arev Kurdian, alias Hot Bodies of the Future. Kurdian ist – in non-binärer Lesart – „Aktivist*in, Performer*in, Musiker*in und Theaterkünstler*in“, wie das Programm der Schillertage verrät, wo Kurdian/Hot Bodies die Deutschlandpremiere von „Transition Pieces: Chant I (Glitches, Fairies and Warrior Godesses)“ präsentiert. Wir erleben mithin eine konzertante Album-Vorstellung, bei der Gérald Kurdian – zunächst etwas aufgeregt, aber mit viel Humor und Charme gesegnet – auch am E-Piano sowie als Live-Elektroniker an Synthesizer und Sampler mit hoher Musikalität und performativer Kraft besticht.
Es geht um Übergänge, Wandlungen und Metamorphosen
In den Stücken geht es also um Übergänge, Wandlungen und Metamorphosen (wobei auch diejenigen des Ovid als Inspiration dienten). In den dargebotenen Texte und Gedichten vereinen sich zarte Poesie und offensive Sprache; wir begegnen einem mythologischen, schmalen „Twink“-Mann, der sich in ein „riesiges Sexmonster“ verwandelt, stoßen auf Dualitäten wie Castor und Pollux, und es geht hier auch um Selbstermächtigung und Selbstliebe: „Eure Körper sind schön“ / „Ihr wurdet von Anfang an geliebt“, singt Kurdian.
Die Stücke lassen uns immer wieder an die wunderbar melancholischen, flamboyant-folkigen Popmusik-Variationen des britischen Musikers Patrick Wolf denken, zugleich aber dringen sie immer wieder auch in technoide Club- und Dance-Bereiche vor, verbinden zudem, so im zweiteiligen Werk „Clit Manifesto“ / „Witch Bitch“ der Fall, dunkel schillernden Hip-Hop mit Diamanda-Galas-artiger, aufgereizter Elektro-Avantgarde.
Völlig hingerissen zwischen Weinen und Lachen
Eindeutigkeiten und Geschlechtsgrenzen, Digitales und Analoges, verfließen in dieser Performance – was sich auch im Gesang und in der Musik widerspiegelt, wenn Hot Bodies‘ klarer Bariton etwa durch Stimmeffekte in helle Höhenlagen klettert, die einem ganz anderen Körper zu entspringen scheinen, oder Vocoder-Effekte den sanften Klang des E-Pianos mit einem Element vokaler Verstörung verquicken.
Auch die Zugabe entzückt: Auf einer kleinen Diaprojektor-Leinwand zeigt ein Film in Super-8-Anmutung einen doppelten, über einen Bergkamm gespannten Regenbogen. Und wir hören zur Klaviermusik eine Englisch sprechende Stimme (womöglich Kurdians eigene), die völlig hingerissen zwischen Weinen und Lachen changiert. Man denkt: Die schönsten Dinge sind manchmal gar nicht so eindeutig zu fassen.
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