Mannheim. Er nennt sich gern „Korrekturensohn“. Und sein Markenzeichen, den Overhead-Projektor, rollert er in Filmeinspielern bis zu jenem legendären Schiefen Turm, dessen in Marmor gemauerte Fehlentwicklung glatt für die PISA-Studie stehen könnte. „Herr Schröder“, der als Deutschlehrer vom Klassenzimmer auf die Bühne gewechselt ist, begeistert im ausverkauften Mannheimer Capitol auch deshalb, weil er nicht in Art von Frontalunterricht sein Programm präsentiert, sondern mit dem generationsüberschreitenden Publikum köstlich wie klug interagiert.
Lehrende, Lernende, Eltern und natürlich Comedyfans machen den besonderen Mix im Saal aus. Und da ploppt manch ein Rätsel auf. Hat die zahlreich vertretene Grundschule aus dem Odenwald tatsächlich ihr pädagogisches „Leidbild“ mit einem mittigen „d“ formuliert oder ist Schröder´sche „Instagrammatik“, so ein Buchtitel des 50-jährigen, als Gag im Spiel?
Der vom Beruf des Lehrers eigentlich überzeugte, aber von Schulpolitik eher frustrierte Beamte sinnierte in einem Interview, wie es wohl gewesen wäre, wenn er sich schon mit Anfang Zwanzig getraut hätte, Comedian zu werden. Nur gut, dass dies nicht so war. „Herr Schröder“ profitiert nämlich von Johannes Schröder, der im echten Leben – und das inszeniert bekanntlich die skurrilsten Geschichten – gut ein Jahrzehnt als Gymnasiallehrer in Offenburg Erfahrungen sammelte. Und deshalb ist sein Lehrkraft-Solo keine kraftlose Leer-Nummer.
„Ich weiß zwar nicht, ob das hierher gehört, aber . . .“
Schließlich hat er selbst erlebt, wie (einstige) Kollegen beziehungsweise Kolleginnen so ticken. Ob der verhasste Kettenraucher, der Klassenbucheinträge nach Rechtschreibfehlern durchforstet. Ob die Kollegin, die bei Klassenfahrten im Bus ständig durchzählt. Obendrein weiß Schröder aus eigenem Erleben, was droht, wenn beim Elternsprechtag eine Mutter oder ein Vater säuselnd einen Rundumschlag mit den Worten beginnt: „Ich weiß zwar nicht, ob das hierher gehört, aber . . .“
Ja, „Herr Schröder“ entspricht dem Klischee eines Lehrers, jedenfalls äußerlich mit schwarzer Stoffhose, blauem Hemd, Brille und gepflegtem Blondschopf. Dafür ist sein didaktisches, aber nie belehrendes Programm kunterbunt und kein bisschen düster. Selbst wenn die eine oder andere Misere der Schulbildung aufblitzt, wird diese mit Tröstlichem verwoben. Ist es nicht wunderbar, wenn gelangweilte Jugendliche ihrem Gedicht interpretierenden Deutschlehrer freundlich in Lümmelposition signalisieren, er störe nicht beim Klassenzimmer-Dämmerschlaf?!
Gelbe Reclam-Heftchen im Einsatz
Der Germanist mit den gelben Reclam-Heftchen saugt komödiantischen Honig aus Spontan-Befragungen, insbesondere von Lehrern und Referendaren. Der Wahl-Kölner versteht sich freilich auch auf selbst getextete Monologe, beispielsweise über die nie abgeschlossene Pubertät, „die noch mit Ende Dreißig dazu führen kann, Comedian werden zu wollen“. Gemäß seines Programms „Der Rest ist Hausaufgabe“ gibt er auf, darüber nachzudenken, wie Schiller`scher Sturm und Drang anno 2025 erfrischend Unterricht durchwehen könnte. Aber bitte schön ohne KI, so Schröder, der für den analogen Präsenz-Lehrer aus Leib und Seele samt gestählten Humor wirbt. „Auch, weil es keinen QR-Code für Wertschätzung gibt.“
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