Kleinkunst

Heinz Becker sinniert über Leben und Tod im Mannheimer Capitol

Hilde ist tot – und Gerd Dudenhöffer alias Heinz Becker muss jetzt allein klarkommen. Sein Publikum im Mannheimer Capitol lacht und fühlt mit ihm.

Von 
Ute Maag
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Das Leben ist das Ende: Gerd Dudenhöffer als Heinz Becker im Capitol in Mannheim. © Markus Proßwitz | masterpress

Mannheim. „Es Hilde“ ist gestorben. Nach 49 Ehejahren hat die Gattin eines Morgens „eefach dod im Bedd gelege“ und nun muss Heinz Becker schauen: „Wie geht des jetz weider wie bisher?“ Das Totenglöckchen bimmelt, als der saarländische Nörgler direkt von der Beerdigung in seine Küche schlurft, in der nun ein Stuhl zu viel am Tisch steht. Seine Batschkapp ist so schwarz wie der Anzug überm Manschettenhemd, das „es Hilde“ vor Kurzem noch gebügelt hatte, „als hätt‘ses gewisst“. Und nun kreisen seine Gedanken im leeren Kopf um die großen Fragen: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Warum ist man überhaupt auf der Welt? Und wer macht jetzt den Haushalt?

„DOD – das Leben ist das Ende“ heißt das Programm, mit dem der Kabarettist Gerd Dudenhöffer derzeit sehr erfolgreich auf Tour ist. Geschrieben hat er es schon im Sommer 2019, aber dann verhinderte die Pandemie viele Auftritte. Weil er es zu schade für die Schublade fand, hat er es fünf Jahre später wieder hervorgeholt – und anklingen lassen, dies könnte nach 40 Jahren in der Rolle des Heinz Becker vielleicht seine letzte große Bühnentournee sein.

Heinz bleibt Heinz – bisweilen alles andere als politisch korrekt

Wobei: Dass Dudenhöffer demnächst 76 wird, ist ihm bei seinen beiden ausverkauften Vorstellungen im Mannheimer Capitol ebenso wenig anzumerken wie der gerade überstandene grippale Infekt. Hoch konzentriert und auf den Punkt verkörpert er zweieinhalb Stunden lang (inklusive einer Pause) in kammerspielartiger Schwarz-Weiß-Atmosphäre sein kleinbürgerlich-spießiges Alter Ego, das durch die Trauer und das Schwelgen in Erinnerungen an die eigenen Eltern noch neue biografische und emotionale Nuancen erhält. Die Pointen, die er in dichter Frequenz in den Saal tropfen lässt, balancieren auf dem schmalen Grat zwischen Tragik und Komik, sind schwarzhumorig, makaber, blasphemisch und – Heinz bleibt Heinz – bisweilen alles andere als politisch korrekt.

Für den frischgebackenen Witwer bedeutet Alleinsein zuallererst Allein-Machen: „Die Fraa“ sei ja Hausfrau gewesen, „die hat nix gschafft“. Zu Lebzeiten habe sie niemandem zur Last fallen wollen, „awwer jetz isse schon e Belastung für mich“. Denn er muss nun alles selber organisieren: die Beerdigung, das Bier im Kühlschrank, die frischen Unterhosen, den Hausputz. Der Herrgott ist ihm überhaupt kein Trost: „Bügelt der jetzt meine Hemden?“ Und Sohn Stefan ist leider auch keine Hilde, äh: Hilfe.

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Die Gestaltung seines neuen Alltags will er „in Ruhe übers Knie brechen“: Bevor er Hildes Sachen weggibt, noch die Taschen nach Geld durchsuchen und den Karton mit alten Medikamenten und Stützstrümpfen ins Flüchtlingsheim bringen: „Die sinn‘ doch gut für Abschiebeflüge.“ Und während er übers Rentnerdasein, einen Lebensabend im Pflegeheim, die Vorzüge einer philippinischen Ehefrau, Organspenden sowie „passive und attraktive Sterbehilfe“ sinniert, fällt ihm auf: „Es ist niemand da, der auch nix sagt.“

Gerd Dudenhöffers Bühnenfigur führt die Zuschauer durch ein Wechselbad aus Ausgelassenheit und Melancholie. Die lieben diesen bornierten, rechthaberischen und in seiner Einfältigkeit auch rührenden Heinz Becker und lassen ihn in seiner unbeholfeneren Traurigkeit nicht allein. Nach dem gemeinsam gesungenen „Guten Abend, gut‘ Nacht“ gibt es stehenden Beifall.

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