So lief die zweite Show der Sommerbühne

Glück gehabt: Ami Warning vertreibt den Mannheimer Sturzregen

Entspannt, kreativ und erstaunlich tief tönend begeistert die Münchner Soul-, Reggae- und Pop-Sängerin mit Band beim Open Air der Sommerbühne vor der Alten Feuerwache. Der „Surprise Act“ am Sonntag wird auf jeden Fall im Saal spielen.

Von 
Jörg-Peter Klotz
Lesedauer: 
Ami Warning lässt vor der Alten Feuerwache entspannt die Sonne aufgehen.Bild: Jörg-Peter Klotz © Jörg-Peter Klotz

Mannheim. Die Sommerbühne der Alten Feuerwache (AFW) macht ihrem Namen bisher noch keine Ehre: Der Auftakt am Donnerstag musste schon nach innen verlegt werden. Am Freitagabend sind 19 Grad zwar nicht übel für ein Open Air, aber vier Minuten vor dem offiziellen Beginn um 20 Uhr setzt es einen Guss - heftig und kalt. Aber das Publikum des zweiten Konzerts mit der Münchner Sängerin Ami Warning ist nach den Sturzregen-Attacken der letzten Tage größtenteils gut gewappnet – und vor allem unerschrocken.

Mehr zum Thema

Interview

Das läuft bei der Sommerbühne 2025 der Alten Feuerwache in Mannheim

Veröffentlicht
Von
Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren
Konzert

Starke Stimme, große Party: Ronis Goliath in Mannheim

Veröffentlicht
Von
Ute Maag
Mehr erfahren
Veranstaltungstipps

Kostenlose Open-Air-Konzerte, Music meets Art und mehr - Das geht am Wochenende in Mannheim

Veröffentlicht
Von
Esther Lehnardt
Mehr erfahren

Viel mehr Leute hätten kaum Platz gefunden auf dem neuerdings zur Straße hin abgesperrten Vorplatz. Beim nur noch leicht verregneten Soundcheck stellen sich die meisten ohnehin am Rand des nach außen offenen Saals des Kulturzentrums unter.

Dann geht die Sonne auf – zumindest auf der Bühne

Nach dem nur noch leicht verregneten Soundcheck sagt Warning um 20.10 Uhr sanft lächelnd: „Ich glaub‘, wir gehen jetzt noch eine Minute runter und holen unsere Jacken. Und dann spielen wir.“ Und dann geht die Sonne auf – zumindest auf der Bühne. Der karibisch grundierte Sound von Warning und ihrer kompakt groovenden dreiköpfigen Band vertreibt den Mannheimer Regen. Ein Glück, denn DJ-Sets kann die Feuerwache einfach und vor allem schnell nach innen verlegen – Bandauftritte nicht. Am Rande der Show war zu erfahren, dass der Auftritt des Surprise Acts am Sonntagabend auf jeden Fall in der AFW stattfinden finden soll – aufgrund des zu erwartenden Andrangs bei einer Künstlerin, die inzwischen in 2000er- bis 3000er-Hallen auftritt.

Die 29-jährige Münchnerin Ami Warning hat bereits fünf Alben veröffentlicht. © Stef Zinsbacher

Dort kann Ami Warning auch mal landen. Denn die 29-Jährige hat auf bereits fünf Alben reihenweise potenzielle Hits mit – ein Paradoxon – unaufdringlichen Ohrwurm-Refrains veröffentlicht. Vor allem: Ihre Stimme hat enormen Wiedererkennungswert, seit sie überwiegend auf Deutsch singt. Sie klingt wohlig warm, voller Soul – aber ohne die meist üblichen vokalartistischen Girlanden um die Vokale zu flechten. Und sie kann ungewöhnlich tief abtauchen, bis in den im deutschen Frauen-Pop sehr selten zu hörenden Kontra-Alt.

Gefragte Duettpartnerin - etwa bei Mia., Fatoni, Il Civetto, Oehl oder Jesper Munk

Das macht Warning zu einer erstaunlich gefragten Duettpartnerin – in einem Spektrum von Rapper Fatoni über die österreichischen Electro-Popper Oehl und das belgisch-kongolesische Stil-Chamäleon Témé Tan bis zuletzt zur altgedienten Deutschpop-Combo Mia, Il Civetto, Mola oder Neo-Blues-Mann Jesper Munk. Ihr Vortrag ist dabei virtuos rhythmisiert bis hin zum Sprechgesang – und ungewöhnlich unaufgeregt.

Typisch Bassistin, möchte man meinen. Als solche hat ihre Karriere schon in jungen Jahren in der Band ihres von der Karibik-Insel Aruba stammenden Vaters Wally Warning begonnen. Was den authentischen Zugang zu Reggae, Dancehall-Sounds und Latin-Percussions erklärt.

Also erlebt das Mannheimer Publikum unter trübem Himmel und Herbsttemperaturen ein nahezu perfektes Sommerkonzert. Nach ruhigem Beginn mit „Meer will ich nicht“, das Ami Warning solo mit Akustikgitarre steigt zu „Blaue Augen“ die Band ein, mit dem gelassen funkigen Groove früher Fanta-Vier-Balladen. Schon wird mitgeklatscht und getanzt. Bein mitreißenden „Chaos“ zeigt die Frontfrau, dass sie auch eine raue, druckvolle Gangart beherrscht.

Sie beherrscht die paradoxe Kunst des unaufdringlichen Ohrwurms

Wie gesagt: Unaufdringliche Ohrwürmer wie „Wie lang“, ein Lied über notwendige Veränderung, sind typisch. Sie stellen Sinnfragen, die nicht nur den Nerv von Warnings Altersgenosse treffen: „Wie lang willst du noch diese Dinge tun (…) schon seit ner Weile brauchst du eigentlich Zeit dich auszuruhen. Wenn nicht jetzt, wann dann, wann dann?“ Und weiter: „Du hast schon immer gedacht, du musst gefallen. Es recht machen, am besten.“

Ami Warning begeistert mit ihrer Band das Mannheimer Publikum - und umgekehrt. © Jörg-Peter Klotz

In all dem Chaos unserer Tage ist Selbstachtsamkeit die Botschaft der Stunde, verpackt in handwerklich exzellent gebauten Liedern, in denen Maxwell Lists zeitlose Gitarrensounds und Funk-Rhythmen auf dem exzellenten Rhythmusgerüst von Drummer Simon Kerker und Bassist Isaac Reed herumturnen. Das gilt auch für das eingängige „Auszeit“, den Titelsong des jüngsten Albums, der schon kräftig mitgesungen wird.

„Liebe ist laut“ zählt zu den zahlreichen Liedern, in denen Warning Beziehungsfragen verarbeitet. Es gibt aber auch eher gradlinige Mutmacher wie „Bergauf“ oder „Schöne Stunden“. In diese Kategorie zählt auch „Gegenwind“ mit dem standhaften Refrain „Es gibt immer, immer, immer Gegenwind. Wir bleiben, wer wir sind.“ Und Einblicken in das, was sich die Songwriterin so alles anhören muss: „Und du bist so emotional. Warum heulst du jetzt schon wieder? Willst alles kontrollieren, es ist mir so zuwider. Und du singst jetzt auf Deutsch. Machst du das fürs Geld?“ (…) „Und auf der Bühne schau doch nicht so ernst. Du merkst doch selber, wie du dich vom Publikum entfernst.“

Selbstachtsamkeit und Mutmachen als Botschaften

Letzteres ist in Mannheim höchstens zu Beginn des Konzerts der Fall. Das euphorische Publikum aus vier Generationen taut die Sängerin schnell auf, mitunter strahlen ihre Augen mit den sparsam eingesetzten Scheinwerfern um die Wette. Gegen Ende wird das karibische Element dominanter: Als Bassist und Schlagzeuger zu Doppel-Drum-Soli abheben, fliegen die Fans mit. „War dabei“ kann da gut mithalten, auch weil Warning den Part von Fatoni kompetent selbst rappt.

Die schnelle Zugabe „Fliegen“ ist eine eindrucksvolle Solonummer aus der Mutmacher-Sparte, bei der die Sängerin fast im Liedermacher-Stil singt und die Chanson-Facette ihrer Balladen hervorkehrt. Nach zwei weiteren Songs unter anderem mit der tröstlichen Zeile „Das Leben ist eigentlich gut“ aus „Schubidu‘“ ist Schluss, obwohl ein anrührendes „Bleib doch noch ein bisschen“ aus dem Publikum die Sängerin fast umdenken lässt. Die Show ist auch so eindrucksvoll genug. Wenn die letzten fünf Jahre ohne Pandemie, Inflation und geldfressende Mega-Tourneen gelaufen wären, stünde diese Frau längst auf ganz anderen Bühnen als zuletzt im April im geschmackssicheren, aber kleinen Heidelberger Kulturfenster.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke