Das Wichtigste in Kürze
- Das DasDing-Festival fand zum vierten Mal in Mannheim statt. die Fortsetzung 2026 ist noch offen. - Zartmann begeisterte als Headliner das Publikum. - Filow sprang für den erkrankten Greeen ein.
Mannheim. Das Wetter scheint trotz geringer Regenwahrscheinlichkeit zu halten. So erleben 3500 meist sehr junge Fans am Samstag ab 15 Uhr bei fast optimaler Witterung eine musikalisch spannende und abwechslungsreiche vierte Auflage des DasDing-Festivals auf dem Mannheimer Maimarktgelände - erst gegen Abend beim Auftritt von Dilla gibt es eine kalte Dusche.
Die Tochter eines Opernsängers aus Schwerin, die bürgerlich sehr musikalisch Amadea Ackermann heißt, eröffnet das Abendprogramm beim Ein-Tages-Event des jungen SWR-Radiosenders. Und zwar so, wie man sie kennt: selbstironisch, poppig und verdammt nahbar. Als ihr Intro-Tape sie ankündigt, stürmt sie auf die Bühne – mit roter Plüschjacke, pink getönter Sonnenbrille und einem Bier in der Hand. Der Beat von „Avenue“ pulsiert dazu leichtfüßig und clubtauglich aus den Boxen. Als eine schnalzende Clap dazu kommt, klatscht das Publikum begeistert mit. Während des ersten Songs tritt ihre Band auf die Bühne – und Dilla ruft ins Mikrofon: „Der Festival-Sommer ist offiziell eröffnet!“
Zum Hit „Photosynthese“ wird im Regen getanzt
Es folgt „Teen“, ein Indie-Pop-Song über eine Liebe, die aufregend ist und gleichzeitig wehtut. Dilla singt von einem Typen, der ständig zu spät kommt, Deadlines verpasst, aber trotzdem ihr Herz gewinnt. Im Pre-Chorus klingt kurz Taylor Swift durch, im Refrain ist ein Hauch von Mia Morgan zu spüren – doch am Ende ist alles unverkennbar Dilla: nah, ehrlich, leicht ironisch. Wer schon mal in die falsche Person verliebt war, hört sich hier selbst singen.
Dilla spielt ein neues, bisher unveröffentlichtes Stück namens „Schönstes Kleid“, covert „Denkmal“ von Wir sind Helden, als sei der Song für ihre Stimme geschrieben worden, und bringt mit „Girls“ eine feministische Hymne auf die Bühne. Als während „Unter ihrem dress“ der Regen einsetzt, tanzen die Fans unbeirrt weiter – unter Schirmen, unter Kapuzen, im Matsch. Auch verletzliche Momente gibt es in ihrem Set: „Ich hatte Angst, diesen Song zu singen, weil da so viel Autotune drauf ist“, sagt sie vor „Willst du“.
Doch die Angst ist unbegründet – der Song macht noch einmal richtig Laune. Spätestens bei „Photosynthese“ tanzt das Publikum dann mit ausgestreckten Armen im Regen.
Bei Badchieff geht es ums Trotzdem
Badchieff beginnt sein Set kurz darauf im Zelt mit tiefen Bässen, pulsierenden String-Akkorden und entschleunigter Atmosphäre. „Gut aus“, seine Nummer mit Makko und Sira, eröffnet das Programm. Der Track „Nüchtern“ folgt mit Gitarren-Sample und House-Groove. Und weil draußen die Welt langsam im Regen versinkt, meint Badchieff: „Es ist schön, dass wir hier drin geschützt sind vom Regen und die Sonne strahlen lassen können.“ Sein Sound erinnert an Cro – nicht nur melodisch, sondern auch textlich: Melancholie ist ein Teil seiner Lyrics, aber Badchieffs Songs versinken nicht in Traurigkeit. Es geht ums Trotzdem – darum, optimistisch zu bleiben.
Beispiel: In „Halb voll“, einer introspektiven Klavierballade, bittet er das Publikum, das Glas immer als „halb voll“ anzusehen und die Arme schwenken im Takt. Als Badchieff seinen Zwillingsbruder Wilsn auf die Bühne holt, performt dieser seine Songs „Nie vergessen“ und „Zu zweit“ – ein schöner, familiärer Moment. Seinen großen Hit „9 bis 9“ feiert die Crowd, bevor Badchieff mit „Ich liebe“ – und dem spontanen Einschub „Ich liebe Mannheim“ – ohrenbetäubenden Applaus erntet. Die Zugabe: ein House-Remix von „Tempo“, der Bass geht hier tief unter die Haut.
„Filow - kennst du den?“
Im Vorfeld musste der Mannheimer Rapper Greeen krankheitsbedingt absagen, am Samstagabend springt für ihn Filow ein. Ein junger Mann fragt seine Begleitung auf dem Weg: „Filow, - kennst du den?“ Sie antwortet: „Ja, aber der ist mir irgendwie zu assi.“ Dann betritt Filow die Bühne – und wird seinem Ruf gerecht. Sein Einstieg: „Atze seit Tag 1“. Der Song ist eine Hommage an den Berliner „Atzen-Rap“ – laut, provokant, nostalgisch. In „Potz Blitz“ liefert er danach sein künstlerisches Credo in Textform mit der Zeile: „Ich bin Großverdiener durch asoziale Lieder, in meinem Portemonnaie ist Lila.“
Breitseiten gegen Podcaster Hoss & Hopf
Doch hinter dem gespielten Proll steckt auch politisches Bewusstsein. In „Lieber Gott“, einem satirischen Rundumschlag, demontiert er Prominente mit der Ironie eines Stand-up-Komikers und der Wucht eines Battle-Rappers. Podcaster Philip Hopf wird gleich zweimal zur Zielscheibe: etwa bei „Danke, dass ich nicht so hässlich bin wie Philipp Hopf“ und „Warum heißen Hoss und Hopf nicht Arschloch und Hurensohn?“ Filow fragt sich dann, warum sich Alice Weidel auf „Nazi-Schlampe“ reimt, und mit: „Till, ich lache laut, wenn ich dich mit meinem Bus hitte“, dürfte Rammstein-Sänger Till Lindemann gemeint sein.
Die drückenden Beats und harten Disses kommen beim Publikum gut an, das tanzt und einen Moshpit eröffnet. Doch wie sind diese Zeilen zu verstehen? Immerhin beleidigen sie reale Personen. Filows Texte sind bissige, schmähende Satire im Rap-Gewand – ein wütendes Pamphlet gegen rechte Politik, Promikult und Doppelmoral. Statt subtiler Kritik setzt er auf brachiale Überzeichnung und Proll-Exzess – als bewussten Bruch mit glattgebügelter Pop-Ästhetik.
„Lieber Gott“ ist ein politisches Statement in radikalen Reimen. Ein Statement, dass mit harten Beleidigungen durchsetzt ist. Ob das angemessen ist, muss jeder selbst entscheiden. Filow spielt noch seinen Hit „JF / Jungfrau“ (im Original mit Ikkimel), der auf TikTok bereits viral geht. „Dieser Song wird nie rauskommen“, sagt er und lacht. Es folgen „Turbo“ und als Zugabe das millionenfach geklickte EM-Atzen-Lied „Rasenschach“ zum zweiten Mal – ein Song in Berliner Schnauze, der zeigt: Filow ist Satiriker und Provokateur zugleich. Aber da strömen die ersten schon ins Palastzelt, um sich die besten Plätze für die Zartmann-Show zu sichern.
Zartmann startet mit seinem größten Hit „Tau mich auf“
Plötzlich ist es zehn Uhr. Die Bühne wird dunkel, das Zelt ist voll. Synthies brummen, Licht blitzt, Jubel bricht aus. Hauptact Zartmann betritt die Bühne – und startet mit „Tau mich auf“, seinem bisher größten Hit, den das Publikum lautstark mitsingt. Zartmann tänzelt, klatscht, wirbelt sein Hemd durch die Luft. Es folgen „Einsam und allein“, „Ein Anruf entfernt“ und „Fuß baumeln“. Viele seiner Songs handeln vom „jung und dumm sein“ – aber niemand fühlt sich herabgewürdigt, eher verstanden.
Der Jubel wird immer lauter – und es wird klar: Die meisten sind wegen Zartmann gekommen. In wenigen Monaten ist er vom Stadtfest-Act zum Headliner geworden. Aber wie? In Mannheim überzeugt vor allem sein Spiel mit Nähe. Die Ballade „Wie du manchmal fehlst“ singt er nur mit Gitarre. Der Part von Rapper Ski Aggu läuft vom Band – das Publikum singt mit.
Bei „Meinen die uns“ mit Kasi, Aaron und Antonius erreicht die Stimmung ihren Höhepunkt. Noch einmal springt das Zelt. Noch einmal tanzen alle wie wild. Zum Schluss kommt noch einmal „Tau mich auf“ - und dann als Zugabe noch der Song „Eehhhyyy“, bei dem wieder alle Fans jede Zeile kennen. Das Licht geht langsam aus. Die Menge bleibt noch einen Moment stehen. Zartmann verbeugt sich und verlässt mit seiner Band die Bühne.
Ob das Festival fortgesetzt wird, bleibt vorerst offen
Das Zwei-Bühnen-Event läuft im Rahmen des Zeltfestivals Rhein-Neckar. Ob dieses spannende Forum für junge Popmusik 2026 hier wieder stattfindet? „Über die Fortsetzung wird noch entschieden“, sagt Veranstalter Timo Kumpf, der am Wochenende zuvor das Maifeld Derby verabschiedet hat. Dass die Zukunft des DasDing-Festivals offen bleibt, ist mehr oder weniger Routine. Es kamen zwar schon mal mehr Besucherinnen und Besucher, vor allem bei der ersten Ausgabe. Aber die Begeisterung und die positive Atmosphäre auf dem Platz sprechen deutlich dafür.
Popakademikerin Meller staunt über die Resonanz am frühen Nachmittag
Den Tag eröffnet hat eine junge Wahl-Mannheimerin: Meller. Die erste Position in einem Festival-Lineup ist meist undankbar: zu hell, wenig Leute vor der Bühne fast keine Stimmung. Das erlebt die Hamburger Dark-Pop-Songwriterin ganz anders. Die hat als Popakademie-Studentin ein halbes Heimspiel und staunt hocherfreut über die Resonanz: „Danke, dass ihr so offen zugehört habt. Ich dachte, hier stehen vielleicht zehn Leute. Und ihr wart deutlich mehr als zehn.“ Dann folgt unter intensivem Jubel ihr größter Hit „Winter“, der wie viele ihrer Songs zwar keinen Sonnenschein verbreitet, aber live hervorragend funktioniert. Sie ist in der Karrierephase, wo man nach so einem souveränen halbstündigen Auftritt noch Fans zum „Quatschen am Merch-Stand“ einlädt. Das wird auch wahrgenommen. Wer weiß, was die Selfies, die dabei entstehen, irgendwann einmal wert sind.
Der große Vorteil der zwei benachbarten Bühnen: Fast nahtlos folgt im benachbarten Palastzelt schon die Ansage für die nächste Sängerin: Dani Lia. Auch die Chimperator-Künstlerin Daniela Tuscher aus Niederösterreich freut sich über die zu früher Stunde schon sehr „volle Bude“. Sie nutzt ihre halbe Stunde am intensivsten mit „Ganz nach vorn“, normalerweise ein Duett im Stadionformat mit Tjark“.
Später bekommt sie noch mehr Jubel von noch mehr Zuhörenden, als sie bei Aarons Auftritt für den gemeinsamen Song „Bittebitte“ auf die Open-Air-Bühne kommt. Aber auch eigene Songs wie „Halbes Herz“ werden intensiv mitgesungen, aber sie verschätzt sich etwas mit der Spieldauer, muss ein Lied überspringen und die Schlussnummer „Glitzerstein“ wirkt etwas hektisch.
Filly folgt auf Dani Lia
Filly liefert als Solo-Act mit englischen Texten und Musik aus der Konserve etwas Kontrastprogramm. Sie hat mit „Belohnen“ ein millionenfach geklicktes Feature an der Seite der Pop-Rap-Größen Ski Aggu und Bausa zu bieten – aber nicht im Programm. Sie überzeugt auch mit ihren eigenen Nummern und steht mit der vielleicht weitesten Jeans-Shorts der weiblichen Popgeschichte für ein Selbstbewusstsein, das auf den lange üblichen Körperkult pfeift. Ihr Schlusssong „Motorola“ schlägt richtig ein.
Ein Deutsch-Ägypter aus der sachsen-anhaltinischen Provinz trifft den Nerv am Nachmittag vielleicht am deutlichsten: Jassin. Schon ab dem ersten Lied „Kinder können fies sein“ und dank einer Mischung aus Rap und Gesang mit leicht orientalischen Einschlag, wie man sie auch bei manchen der frühen Apache-207-Balladen findet. Generell bekommt man an diesem Nachmittag einen Eindruck, welche Themen die GenZ beschäftigen: Identität, Selbstfindung, Zweifel. Sinnfragen. Jassin bringt das in „Pretty Privilege“ auf den Punkt mit Zeilen wie „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Schönste im ganzen Land?“ Er hat viel mehr zu bieten als den melancholisch-eingängigen Hit „Dieses eine Lied“.
Vor allem kluge Texte wie „Bind mir die Augen zu“: „In dieser Welt gehen ein paar hundert Mios für einen Fußballspieler drauf / Und ein paar hundert Mio Menschen wegen Hungersnöten auch. / Ach, die Welt ist so.“ Den Namen wird man sich merken müssen, zumal er auch im Hip-Hop Anklang findet. Immerhin war er schon 2024 beim Zeltfestival, bei der Süd: Süd-Sause des ambitionierten Manneimer Rappers OG Keemo.
Erkrankter Mannheimer Greeen kündigt Rosengarten-Konzert 2026 an
Mit Cro-Vibes entert dann Aaron, nicht nur als Schlagzeuger von Zartmann heftig umjubelt, die Bühne für druckvolle, mitunter fast rockige 45 Minuten. Als sein Frontmann, er und der Rest der Band am Merchandising-Stand für Selfies und ein paar Worte zur Verfügung stehen, bildet sich eine epische Schlange - mit der nur der Waffelstand halbwegs konkurrieren kann. Der Star des Abends überreicht eigenhändig die schlicht gestalteten T-Shirts - erstaunlich für einen eher öffentlichkeitsscheuen Popstar, der sogar aus seinem Vornamen ein Geheimnis macht.
Noch euphorischer begrüßt wird die queer gelesene Songwriterin Rebecca Thomalla alias Becks. Am Abend sollte es dann weitergehen mit Dilla („Photosynthese“), dem Rapper Badchieff, dem Potsdamer Social-Media-Star Filow („Rasenschach“, „Jiggy“) und dem besonders sehnlichst erwarten, und dann heftigst gefeierten Deutschpop-Senkrechtstarter Zartmann als Headliner bis zum Abschluss gegen 23 Uhr erwartet. Während dem Auftritt von Sängerin Dilla setzte dann schließlich doch noch der Regen ein.
Und nicht zu vergessen: Filow war als kurzfristig als Co-Headliner für den erkrankten Rap-Star Greeen eingesprungen. Der Mannheimer ist aber relativ bald doch noch live in seiner Heimatstadt zu sehen: am 15. Mai 2026 bei seinem bisher größten Mannheimer Konzert im Rosengarten. Karten und mehr unter delta-konzerte.de.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-regionale-kultur-dasding-festival-in-mannheim-warten-auf-zartmann-lohnt-sich-_arid,2309204.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/dossiers_dossier,-_dossierid,57.html
[3] https://www.delta-konzerte.de/shows/fr-260515-greeen