Mannheim. Dass die Hannoveraner Erfolgsband Fury In The Slaughterhouse an Äppelwoi-Äquator auf der Höhe von Frankfurt abprallte, wie an einem unsichtbaren Gatter war lange so – und es ist lange her. Am Freitagabend füllten 4200 Fans auf dem Zeltfestival Rhein-Neckar das 5000 Leute fassende Palastzelt stimmungstechnisch komplett – beim letzten Gastspiel 2017 waren es rund 2000 weniger gewesen. Zehn Minuten zu pünktlich und zwei Stunden lang begeistert das live zu sechst spielende Quintett um Sänger Kai und Songwriter Thorsten Wingenfelder ihr Publikum durchgängig und restlos.
Blick zurück auf „Monsters Of Rock“ 1986 auf dem Maimarktgelände vor Bon Jovi
Dabei breiteten die Brüder relativ ausführlich ihre Mannheimer Konzertgeschichte aus. Vor allem ihren ersten Auftritt auf dem Maimarktgelände, 1986, kurz nach Bandgründung, beim Festival „Monsters Of Rock“ früh am Tag vor Bon Jovi (in denen man damals noch Rock-Monster vermuten durfte). Launig spielen die Furys ein paar von deren Hits. Und erinnern sich mit leichtem Schaudern, dass ihre eigene Musik vor Hardrock-Publikum nicht so gefragt war.
Das änderte sich zumindest im Norden der Republik 1988, als Nummern wie „Kick It Out“ und „Time To Wonder“ vom selbstbetitelten Debütalbum zum Pflichtprogramm der DJs in Rock-Discos bis Kassel und Marburg wurden. Live spielten sich die Niedersachsen systematisch hoch, ab den 1990ern füllten sie in Mannheim immerhin regelmäßig den Rosengarten, nahmen aber auch immer wieder mal mit dem Capitol Vorlieb. Konzert-Stippvisiten der Wingenfelders gab es auch immer wieder in Feudenheim, aufgrund einer Verbindung zu Fury-Fan Sven Hellmich von der Viet-Vo-Dao-Abteilung des ASV.
„Radio Orchid“ und „Time To Wonder“ mit über 15 Millionen Streams
Am Freitag bei ihrem bisher wohl größten Auftritt in der Quadratestadt fühlten sich die Nordlichter im Zelt zwar „ein bisschen wie in der Sauna. Aber die Bedingungen waren eigentlich moderat und die textfesten Fans so belastbar wie die Band. Die ist seit bald 40 Jahren ein Phänomen: Stocksolide, in vielen Stilen sattelfeste Rockmusiker, die vor allem ein Qualitätsmerkmal haben: haufenweise guten Songs. „Radio Orchid“ und „Time To Wonder“ verzeichnen bei Spotify jeweils über 15 Millionen Streams, „Radio Orchid“ kommt auf acht Millionen, „Every Generation Got Its Own Disease“ verzeichnet 4,5.
So imposant werden die Nummern auch gefeiert. Aber das setzt sich beim am härtesten ausklingenden „Riding On A Dead Horse“ oder„Trapped Today, Trapped Tomorrow“ einfach fort. Selbst die Vorboten ihres geplanten 15. Studioalbums wie die aktuelle Single „Sorrowland“, in einer sehr schönen Akustikversion, oder das vielversprechende „Nine Lives“ werden aufmerksam verfolgt wie alte Bekannte.
So eine Fury-Show ist also eine fast pure Hitparade, zumindest im Fury-Kosmos. Mit so einer Fanfavoritendichte können auch viele internationale Topstars nicht aufwarten. Dass es für die Wingenfelders, Gitarrist Christof Stein-Schneider, Drummer Rainer Schumann, Keyboarder und Multiinstrumentalist Gero Drnek (seit 1988) sowie dem „Neuen“, Bassist Christian Decker (seit 1996), nur zu europäischen Achtungserfolgen gereicht hat, mag an ihrem niedersächsischen Charisma liegen. Die Band gibt sich bodenständig und handfest, plaudert viel aus dem Nähkästchen und weiß die enorme Gegenliebe im Zelt spürbar zu schätzen. Hier geht es um Musik, nicht um Stardom.
Witzeleien über Waldhof Mannheim und Hannover 96
Wie gut sie in dieser Kerndisziplin sind, merkt am an der erfolgreichen Coverversion „When I‘m Dead And Gone“. Sie ist dank enormen Groove mit zitiertem Led-Zeppelin-Beat („D‘Yer Mak‘er“) und Dynamikwechseln viel energetischer und mitreißender als der Original-Hit von McGuinness Flint aus den 1970ern. Und auch um Längen besser als die Adaptionen großer Bands wie Status Quo oder Def Leppard. Auch die erste Fury-Single „Kick It Out“ funktioniert noch wie 1988 in norddeutschen Rock-Discos - dank wavig treibendem Basslauf, harmonisch starkem Refrain, mitreißendem Gitarrensolo und furiosem Finale. Die Hymne „Won‘t Forget These Days“ beschließt das reguläre Set. Als die Fans nicht aufhören, die Lead-Zeilen immer lauter mitzusingen, steigt die Band einfach wieder ein und geht nahtlos zur Zugabe über.
Vorher wurde noch über Fußball gewitzelt: „Mannheim hat ja ‚nen Fußballverein - gibts den noch? Schweigen. Das kennen wir in Hannover.“ „Won‘t Forget These Days“ sei zwar eigentlich kein Fußballlied, so Wingenfelder, sei aber doch mal als Stadion-Song bei Hannover 96 im Spiel gewesen. „Das spielen wir, wenn Hannover gewinnt - also nie“, witzelt er. Höhepunkt der Zugabe ist das immer stimmungsvolle „Time To Wonder“, nach „Hello And Goodbye“ klingt die Show mit der altgedienten Akustikballade „Seconds To Fall“ schön aus.
Abschluss des Zeltfestivals mit Irie Révoltés und Dikka
Die neunte Auflage des Zeltfestivals endet an diesem Wochenende mit einem Heimspiel auf der Abschiedstournee der Heidelberger Politrapper Irie Révoltés am Samstagabend vor etwa 3500 Zuschauerinnen und Zuschauern. Zum Finale am Sonntag, 29. Juni, ist Familienprogramm angesagt: Nashornrapper Dikka wird ab 17 Uhr mehr als 4200 überwiegend kleine Fans unterhalten. Angesichts der zu erwartenden Temperaturen kündigte Veranstalter Timo Kumpf an, die Seitenwände des Zelts möglichst zu öffnen. Das Mitbringen von Halbliter-Plastikflaschen ist erlaubt. Sie können an zwei Wasserstellen kostenlos nachgefüllt werden. Karten an der Tageskasse kosten für Kinder 50 Euro, Erwachsene zahlen 60.
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