NTM

Schauspiel des Nationaltheaters Mannheim fährt zum Berliner Theatertreffen

Von 
Ralf-Carl Langhals
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Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin! Die Freude ist groß am Nationaltheater, auch und besonders bei Annemarie Brüntjen, die Schillers Johanna spielt. © Christian Kleiner

Mannheim. Der Start war schwierig. Zunächst online, dann doch auch szenisch fand Schillers „unkomische Heilige“ auf die Bühne des Mannheimer Schauspielhauses. Im Juni 2021 eröffnete das Nationaltheater mit dieser deutsch-polnischen Produktion seine Internationalen Schillertage. Durchgestartet ist die Produktion umso mehr: Im Rahmen der Berliner Festspiele ist Schillers „Jungfrau von Orleans“ - unter etwa 500 gesichteten - als eine von zehn „bemerkenswerten Inszenierungen“ zum traditionsreichen Berliner Theatertreffen eingeladen. Das ist eine gute Nachricht und sorgt für Jubel im Schauspielensemble und für Freude in Intendanten- und Rathausstuben.

Hauptthema der in Ansätzen feministischen Lesart der schon mit dem Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichneten Regisseurin Ewelina Marciniak und ihrer Dramaturgin Joanna Bednarczyk ist die Figur der Johanna selbst. Fulminant gespielt wird sie von Annemarie Brüntjen, die Mannheims Publikum wie die Berliner Jury sehrwohl auch mit leisen Tönen zu überzeugen wusste.

Freude im Ensemble

Anteil daran - und somit Grund zum Jubel - hat auch das Ensemble aus Sophie Arbeiter, Vassilissa Reznikoff, Maria Munkert, László Branko Breiding, Arash Nayebbandi, Christoph Bornmüller, Boris Koneczny und Matthias Breitenbach, das bei dieser Produktion sprachlich wie körperlich viel zu tun hat: Buchstäblich atemberaubend sind nämlich auch die auf Tanztheater-Niveau choreographiert Ensembleszenen von Dominika Knapik, Regisseurin Ewelina Marciniak langjährige künstlerische „Tanz-Partnerin“.

Wer ist noch dabei unter den Bemerkenswerten, die im Mai nach Berlin reisen, um ihre Aufführungen im Wilmersdorfer Haus der Festspiele zu zeigen? Man kann sagen: alte Bekannte. Etwa „All right. Good night. Ein Stück über Verschwinden und Verlust“ von Helgard Haug (Rimini Protokoll), also jener Formation die Mannheim unter Schauspieldirektor Jens-Daniel Herzog - ebenfalls mit einer Schillertage-Produktion („Wallenstein“, 2005, über CDU-Politiker Sven Joachim Otto) - 2006 letztmals nach Berlin führte.

Gleich zweimal ist auch die ehemalige NTM-Hausautorin Sivan Ben Yishai, wie berichtet auch frisch nominiert für die Theatertage Mülheim, dabei. Mit „Like Lovers Do (Memoiren der Medusa)“ von den Münchner Kammerspielen und mit „Slippery Slope. Almost a Musical“ vom Maxim Gorki Theater Berlin.

Vom Thalia Theater Hamburg reist Toshiki Okada mit „Doughnuts“ zum Berliner Theatertreffen - sein Deutschlanddebüt feierte der längst kultige Japaner unter Matthias Lillienthal beim 2014 in Mannheim ausgetragenen Festival „Theater der Welt“.

Selbst bei der geladenen Produktion des Wiener Volkstheaters, könnten Mannheimern die Ohren klingeln: Bei „humanistää! eine abschaffung der sparten“ nach Ernst Jandl führte Claudia Bauer Regie, die - wie auch Rimini Protokoll und Toshiki Okada bereits im Vorjahr auf der Liste stand - und auf dem Mannheimer Spielplan mit ihrer Schillertageeröffnung „Maria Stuart“ (2019) zu finden ist.

Produktionen wie „Das neue Leben. Where do we go from here“ (frei nach Dante Alighieri, Meat Loaf und Britney Spears) vom Schauspielhaus Bochum oder auch die Performance-Installation „Die Ruhe“ (SIGNA) vom Deutschen Schauspielhaus Hamburg belegen die Fortsetzung der Reise weg vom klassischen Stück hin zum irgendwie Ungewöhnlichen. Allenfalls in Bearbeitungen wie „Der Tartuffe oder Kapital und Ideologie“(Regie: Volker Lösch, Staatsschauspiel Dresden) von Soeren Voima nach Molière und nach „Kapital und Ideologie“ von Thomas Piketty haben Klassiker noch Chancen.

Sechs von zehn Inszenierungen stammen heuer von Regisseurinnen. Die zum zweiten Mal berücksichtigte Frauenquote sei damit übererfüllt worden, freute sich Theatertreffen-Leiterin Yvonne Büdenhölzer, die ihren Abschied ankündigte. Ein besonderes Theatertreffen stet also an. Eines, auf das man sich in Mannheim besonders freut.

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Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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