Nationaltheater

Autorin Seyda Kurt liest und diskutiert bei den Mannheimer Schillertagen

Vor dem Alten Franklin-Kino spricht Seyda Kurt im Rahmen des Festivals sowie der Reihe "Haymatministerium" über „die Macht eines widerständigen Gefühls“ und liest Passagen aus ihrem Buch „Hass“

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Sprach mit Alice Hasters auf Franklin: Publizistin Seyda Kurt. © Harriet Meyer

„Schöne Welt, wo bist Du?“, fragen die Internationalen Schillertage. Vielleicht hat sie sich hinter Hass verborgen, den man im Gegensatz zur Wut nicht einfach ablassen kann. Vor dem Alten Franklin-Kino spricht Seyda Kurt über „die Macht eines widerständigen Gefühls“ und liest Passagen aus ihrem Buch „Hass“.

Was für ein Spagat! 2021 stürmt die damals weitgehend unbekannte Journalistin mit Philosophiestudium die Sachbuch-Bestsellerliste mit ihrem Plädoyer für „Radikale Zärtlichkeit“ als autobiografische Betrachtung über Liebe, die stets politisch ist. Und zwei Jahre später seziert sie ein Gefühl, das sie seit ihrer Kindheit umtreibt und antreibt, den Hass. Es sind vor allem junge Leute, die auf den Bierbänken vor jener Freiluftbühne sitzen, wo ein Schlagzeug vom späteren Schill-Out- Konzert kündet. Seyda Kurt könnte mit ihren schwarzen langen Haaren, dem knallrot geschminkten Mund, den nackten Beinen und den Blickfang-Highheels glatt als Sängerin durchgehen. Aber bekanntlich hat modischer Schein nichts mit tatsächlichem Sein zu tun. Und die in Köln aufgewachsene 30-jährige Kulturjournalistin, die aus einer kurdisch-türkischen Familie stammt, ist geradezu Sinnbild dafür, dass kaum etwas so ist, wie man gemeinhin annimmt.

Klar hat so ziemlich jeder und jede eine Meinung zu Hass. Aber nicht alle im Publikum dürften schon das Buch gelesen haben, in dem sich Seyda Kurt der Geschichte wie der Gegenwart einer verpönten und doch allerorten knirschend zersetzenden Emotion nähert.

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Kollegin Alice Hasters moderiert nicht nur, sie stößt ein Gespräch an. Auch diese Autorin und Feministin hat mit ihrem ersten Buch Furore gemacht: „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“. Rassismus ist auch für Kurt ein zentrales Thema. Sie schildert beispielsweise, dass weiße Herrschende in kolonialen Plantagen unter den versklavten schwarzen Arbeitern auf perfide Weise Hass als Mittel der Kontrolle säten.

Die Inkarnation des Hässlichen ist das eine – aber keine Einbahnstraße. Das mysteriöse wie mächtige Gefühl , so blitzt immer wieder auf, vermag sich nicht nur gegen Unterdrückte zu richten, es kann diese auch ermächtigen und aus Ohnmacht befreien.

Rache als Motor

„Wer hasst, hat noch nicht aufgegeben“, argumentiert Kurt , die überzeugt ist, dass Hass kombiniert mit seiner „radikalsten Spielform“, der Rache, dem kurdischen Befreiungskampf seit Generationen als „wichtigster Motor“ dient. „Wenn ich hasse, hört Unterdrückung zwar nicht auf – aber meine Antwort kann sich verändern.“

Das Vier-Buchstaben-Wort mit dem schallenden Vokal und dem zischenden Doppel-S als Schlusslaut signalisiere schon verbal eine „Zumutung“, so die Autorin, für die es zwei entscheidende Fragen gibt: Wer hasst? Und warum? Und da drängt sich eine weitere Frage auf: Was bedeutet Gerechtigkeit? Dass sich lohnt, darüber nachzudenken, ist die Botschaft eines streckenweise kopflastigen, aber gleichwohl berührenden Abends.

Freie Autorin

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