Konzertkritik Pop

Wie sich Männer bei Sarah Connors Konzert in Mannheim im Ton vergreifen

Die 43-jährige Popsängerin erlebt beim insgesamt beeindruckenden Abschluss ihrer weihnachtlichen „Not So Silent Night“-Tour in der SAP Arena einige Überraschungen – mit Glühwein, Kindern und gesanglichen Grausamkeiten

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Auftritt mitten zwischen mehr als 5000 Fans in der SAP Arena: Sarah Connor zeigt sich schon auf dem Weg zur Bühne publikumsnah. © Rudolf Uhrig

Mannheim. Festtagsstimmung in der Mannheimer SAP Arena: Viele der weiblichen Fans in den vorderen Reihen sind blinkend und glitzernd geschmückt, als sie auf Sarah Connors Weihnachtskonzert warten. Aus den Boxen schallt bis 20 Uhr einschlägige Musik, zuletzt einige der besten neuen Resultate des langanhaltenden Booms von Weihnachtspop: „Merry Christmas“ von Elton John mit Ed Sheeran sowie Sias „Santa Visits Everyone" und „Snowman“. Zu diesem Genre hat die deutsche R-&-B-Queen Sarah Connor 2022 das Nummer-eins Album „Not So Silent Night“ beigetragen, das bemerkenswerterweise fast komplett mit neuen eigenen Songs bestückt ist. Die zweite Tour damit, bei der nicht einmal der Schnee leise rieselt, endet am Samstagabend vor mehr als 5000 begeisterten Fans in der Quadratestadt.

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Theoretisch würde man mehr Resonanz erwarten bei einem Konzert der 43-Jährigen. 2016 waren 7000 Menschen in die Arena gekommen, nachdem die Sängerin bei der in Mannheim konzipierten TV-Show „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ ihre Scheu vor deutschen Texten abgelegt und so eine neue Erfolgsära eingeleitet hat (hier geht es zur Playlist Monnem Xmas mit regionalen Weihnachtssongs, in der auch die Mannheimer "Sing meinen Song"-Band stark vertreten ist) .

Mehr als 5000 Fans sind ein Erfolg

Heute wären es sicher mehr. Aber sie singt ja keinen ihrer „richtigen“ Hits aus ihrer vor gut 25 Jahren gestarteten Karriere: Obwohl einige der Connor-Christmas-Songs Streaming-Zahlen im Millionenbereich erreichen und Weihnachtspop die Charts dominiert, ist eine komplette Zweieinhalb-Stunden-Live-Show Neuland - jedenfalls in der Arena-Dimension für deutschsprachige Künstler, die nicht zur Kelly Family zählen. Und noch 2013 musste sich Sarah Connor auf der Tournee „Christmas In My Heart“, so hieß ihr erstes Weihnachtsalbum von 2005, mit dem Rosengarten begnügen. In zehn Jahren hat sich die Resonanz für ihr festliches Faible also weit mehr als verdoppelt. Da sie erst Mitte September auf dem Hockenheimring für Glücksgefühle gesorgt hat, muss man das als Erfolg werten.

Star mit Nähe zum Publikum

Vor allem, wenn man erlebt, was das Konzert auslöst. Die Show beginnt nicht nur typisch amerikanisch, Sarah Connor wird auch gefeiert wie ein US-Superstar: Als sie zu stampfenden Zuggeräuschen für den ersten Song „Christmas Train (Destination Hope)“ vom anderen Hallenende durch ihre Fans zur Bühne marschiert, hält es niemanden auf den Sitzen. Aber die vierfache Mutter aus dem Norden ist keine distanzierte Diva. Von Anfang an zeigt sie sich publikumsnah, klatscht sich mit Fans ab und strahlt eine ungeheure Lust auf diese Art von Show aus. Das lässt die knallige Hochglanzveranstaltung mit riesigen Weihnachtspostkarten als Bühnenbild und wenig Berührungsangst vor etwas Kitsch absolut authentisch wirken.

Das Programm beim Tourabschluss in Mannheim

Hauptteil:

1. Christmas Train (Destination Hope) (2022),

2. Jolly Time Of Year (2022),

3. Blame It On The Mistletoe (2022),

4. The Christmas Song (Mel Tormé/Robert Wells, von Sarah Connor 2022),

5. Sleigh Ride (Leroy Anderson & His Pops Orchestra, 2023),

6. The Best Side Of Life (2006),

7. 24th (2022),

8. Christmas 2066 (2022),

9. Quiet White (2022),

10. Ave Maria (2005),

11.  Medley: Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow! / Rudolph The Red-Nosed Reindeer / Mele Kalikimaka / Jingle Bells / Jingle Bell Rock / Rockin’ Around The Christmas Tree / Santa Claus Is Comin’ to Town,

12. All I Want For Christmas Is You (Mariah Carey),

13. Santa, If You’re There (2022),

14. Come Home (2022),

15. Why Does It Rain (2005).

16. Medley: Leise rieselt der Schnee / O Tannenbaum / De Riesling werd knapp / Mit Kindern: In der Weihnachtsbäckerei / Eine Muh, eine Mäh / Last Christmas,

17. Don’t You Know That It’s Christmas (2022),

18. (1,2,3,4) Shots Of Patron (2022),

19. Ring Out the Bells (2022).

Zugabe:

20. I Wonder (2022),

21. Christmas In My Heart (2005),

22. Not So Silent Night (2022),

23. Happy New Year (2023).

 

Hochkarätige Musiker wie Torsten Goods oder Stings Percussionist Rhani Krija

Zumal Connor hochkarätige Musikerinnen und Musiker um sich versammelt hat: Torsten Goods zählt zu den renommiertesten Jazz-Gitarristen der Republik. Pianist Jan Miserre spielt mit Moby oder Til Brönner. Beide solieren häufig eindrucksvoll. Auch Bassist Thomas Stieger und Drummer Felix Lehrmann stammen aus der akademisch gebildeten swingenden Zunft ohne stilistische Scheuklappen. Percussionist Rhani Krija hat man in Mannheim schon mit BAP, Xavier Naidoo und Sting (!) gehört. Dazu liefern ein vierköpfiger Chor, ein Streichquartett und der finnische Gitarrist Arto Mäkelä weitere musikalische Klasse.

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Im kompakten Jazz-Quartett

Mit dieser kann die Hauptdarstellerin am Mikrofon locker mithalten. Buchstäblich. Die Leichtigkeit, mit der Connor gesangliche Höchstschwierigkeiten meistert, beeindruckt. Und das inzwischen mit einer Geschmackssicherheit, die zu Beginn ihrer Karriere bei weitem nicht so ausgeprägt war. Bestes Beispiel: Das verspielte „Why Does It Rain“ in kompakter, erstaunlich intim klingender Jazz-Quartettbesetzung. Einzig über die A-cappella-Version von „Ave Maria“ kann man diskutieren.

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Sarah Connors eigene Weihnachtssongs entstanden zwar mit Hilfe der „üblichen Verdächtigen“ an den Deutschpop-Fließbändern – von „No Roots“-Mitkomponist Nicolas Rebscher bis Ali Zuckowski. Aber Nummern wie „Blame It On The Mistletoe“ würden auch in einer Christmas-Show von Michael Bublé nicht unangenehm auffallen. Zumal sie es live wesentlich besser interpretiert, nicht so übertrieben lasziv wie auf dem jüngst mit Bonusmaterial wiederveröffentlichtem Album. Ihre Interpretation von Mariah Careys „All I Want for Christmas Is You“ ist eine Qualitätsdemonstration, ähnlich wie Connors größter eigener Weihnachts-Hit „Ring Out The Bells“. Auch beim von Nat King Cole zum Standard erhobenen „The Christmas Song“ zeigt sie sich sattelfest, ohne zu viel gesangliches Lametta – Loriot-Zitate gehören auch zu den launigen, persönlichen Moderationen.

Nicht nur reine Unterhaltung

Dabei formuliert sie für den Abend zwar die typische Zielsetzung einer reinen Entertainerin: „Ich hoffe, dass ich es schaffe, dass ihr nachher hier rausgeht und richtig in Weihnachtsstimmung seid – dass ihr alles vergesst, was euch Sorgen und Angst macht (...) die Welt ist schwer genug.“ Aber die Show hat auch tiefer gehende Momente und „viele Themen neben der Besinnlichkeit“.

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Sarah Connor mit ihrer weihnachtlichen „Not So Silent Night“-Tour in der SAP Arena

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Das Lied „24th“ beschreibt die „dollere“ emotionale Intensität an Heiligabend im Guten wie im Schlechten und lässt die Smartphones in der Arena leuchten. Die Powerballade „Christmas 2066“ bringt unverbrüchlichen Optimismus für die Zukunft auf die Bühne – und Connors eigens eingeflogene Tochter Delphine Fischer als Duettpartnerin. Ähnlich anrührend: „Santa, If You’re There“ für die verstorbene Großmutter oder die Friedens-Pianoballade „I Wonder“ als erste Zugabe. Danach treibt der erstaunlich harte Neo-Punk-Song „Not So Silent Night“ die Stimmung auf die Spitze, bevor der neue Song „Happy New Year“ die kurzweilige Show beschließt.

Mehr Chorgesang und "Vincent": Das kann besser werden

Die hat auch Schwächen – in den beiden im Publikum gesungenen Medleys. Erst mal kommt Connor etwas aus dem Konzept, als sie von ihrer Crew mit einem Glühweinstand überrascht wird und auf Pfälzisch „De Riesling werd knapp“ zur Melodie von „Feliz Navidad“ singen muss. Aber das überspielt sie sympathisch. Nicht zu retten sind die Gesangseinlagen vor allem der männlichen Fans, denen der Popstar das Mikro vor den Mund hält.

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Das ist kurz lustig, dann zunehmend grausam. Man muss allerdings den Mut der Herren bewundern, die sich vor der staunenden Sarah Connor so massiv im Ton vergreifen. Zum Ehrenretter wird Markus, der Bachs „Gloria in excelsis Deo“ wohltuend souverän schmettert. „Den musst du behalten“ rät die erleichterte Connor seiner Begleiterin. Auch ein spontan versammelter „Ihr Kinderlein kommet“-Chor hilft, die schiefen Töne zu verdrängen. Fürs nächste Mal bitte mehr Chor-Modus. Und die Pop-Hits „Wie schön du bist“ oder „Vincent“ würden inhaltlich durchaus in so ein Programm passen. Sie fehlen. Ansonsten kann man eine Weihnachts-Popshow im Arena-Format kaum besser machen.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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