Mannheim. Es ist durchaus bezeichnend, dass ein Song wie „Straight from the Heart“, mit dem der kanadische Reibeisen-Rocker Bryan Adams 1983 einen Hit landete, im selben Jahr auch von dieser Frau interpretiert werden konnte (und heute noch kann!), ohne dass sie einen Kernigkeits-Vergleich beider Versionen im Geringsten scheuen müsste. 72 Jahre ist Bonnie Tyler mittlerweile alt, aber die britische Sängerin verfügt, wie sich bei ihrem Auftritt im Mannheimer Rosengarten erweist, noch immer über eine Stimme, die Geröll klein raspeln könnte.
Bonnie Tyler steht seit über 40 Jahre auf der Bühne
Dieses Jahr kann Tyler ein prägnantes Jubiläum feiern: 40 Jahre sind seit der Veröffentlichung ihres Über-Hits „Total Eclipse of the Heart“ vergangen. Aber der Moment, an dem ihre ungemein erfolgreiche Karriere begann, liegt freilich noch ein gutes Stück weiter zurück: 1976 war das, mit ihrer ersten Top-Ten-Single „Lost in France“, die sie (im Anschluss an ein kompetent gespieltes Vorprogramm mit Singer-Songwriter C.B.Green alias Clemens Benecke) im recht gut gefüllten Mozartsaal an vierter Stelle platziert; nach der mit rauem Southern-Rock-Charme bestrittenen Konzerteröffnung mit Carrie Underwoods „Flat On The Floor“, gefolgt vom immergrünen Creedence-Clearwater-Revival-Klassiker „Have you ever seen the Rain?“ (den das Publikum beherzt mitsingt) und von „Hide your Heart“, das Kiss-Gründer Paul Stanley mit Desmond Child und Holly Knight geschrieben hatte und sich 1988 auf Tylers gleichnamigen Album wiederfand.
Weder die Vokalistin noch ihre vierköpfige Band setzen hierbei auf einen gesteigerten Schonfaktor, vielmehr: Es rockt einfach, was da auf der Mozartsaal-Bühne passiert. Zugleich zeigt sich Tyler unprätentiös, publikumsnah und selbstironisch. „Mögt ihr meinen Weihnachtsbaum?“, fragt sie launig mit Blick auf ihren grünen Funkel-Blazer und lässt dabei markant das „r“ rollen.
Gefühlsseligkeit und Hingabe bei Bonnie Tyler im Mannheimer Rosengarten
Einen Song jüngeren Datums (2021) führt sie auch im Programm, das Titelstück ihres bislang letzten Albums „The Best is yet to Come“ - eine eingängige Up-tempo-Nummer mit schöner The-Psychedelic-Furs-Gitarre. Aber der Rest des Abends erzählt weiter Pop- und Rock-Geschichte: Bei „To Love Somebody“ aus der Feder der Bee-Gees-Disko-Götter Barry und Robin Gibb darf eine nostalgisch schwelgende Gefühlsseligkeit aufkommen, die bei Tylers Signatur-Ballade „It’s a Heartache“ in völlige, zerrissene Herzens-Hingabe mündet.
„The Best“, jener Song, mit dem Tina Turner 1989 einen riesigen Erfolg feiern sollte, hatte Tyler ein Jahr zuvor bereits (mit weniger Breitenwirkung) aufgenommen - hier wird er von den Besucherinnen und Besuchern im Stehen beklatscht und begeistert goutiert. Das gilt freilich auch für das Jubiläums-Stück „Total Eclipse of the Heart“ und die mit durchdringender Verve präsentierte Pop-Heldensuche „Holding out for a Hero“, die als zweite Zugabe das Konzert beschließt.
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