Mannheim. Milo Hölz alias Myle ist spätestens seit 2022 auf dem besten Weg, zur festen Größe im Popgeschäft: Drei Songs mit siebenstelliger Abrufzahl allein bei Spotify, für einen Newcomer enorme Radiopräsenz, ein Auftritt beim New Pop Festival – und ein ganz spezieller Erfolg: Zumindest in den iTunes-Charts von Apple hat es sein Sommerhit „Mutual“ geschafft, das überflüssigerweise vieldiskutierte Ballermann-Brechmittel „Layla“ von der Spitze zu holen. Mit der Unterstützung seiner bemerkenswert aktiven Fan-Community, deren Mitglieder sich Smylers nennen. Und am 20. Dezember steht im Karlstorbahnhof zusammen mit Pantha noch ein Konzert an, das aufgrund der Nachfrage in den großen Saal verlegt werden musste.
Erfolg mit Hilfe der Smylers
Dementsprechend gut aufgelegt präsentiert sich der 22-jährige Deutsch-Amerikaner aus Ravensburg beim Treffen im Jungbusch-Café „schön klar“. Aber Positivität strahlt Myle aus allen Knopflöchern der unprätentiösen schwarzen Jeansjacke: Der attraktive junge Mann mit dem ansteckenden Lachen und der angenehm warmen Stimme hat genau die richtige Ausstrahlung für einen Popstar. Eigentlich muss er nur gerade aus schauen, um gute Laune zu verbreiten. Kein Wunder, dass die Fans Smyler heißen. Typisch amerikanisch möchte man meinen. Dazu kommt aber auch eine nachdenkliche, reflektierte Seite, die ihn und Teile seiner Musik auszeichnen. So wird man wohl, wenn die Mutter eine freigeistig-kreative Goldschmiedin aus dem Raum New York ist und der Vater ein oberschwäbischer Psychiater.

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Myles musikalische Sozialisation ist ebenfalls vielfältig: „Ich hatte viele Berührungspunkte mit Musik, weil meine Eltern ziemlich kreativ waren.“ Der Vater hat Jazz-Schlagzeug gespielt, die Mutter kommt aus einer musikalischen Familie. „Über die Sommer sind wir immer zu meinen Großeltern in die Staaten geflogen. Mein Großvater hatte dort eine richtig alte Jukebox, aus den 1920ern mit Schellack-Platten. Da durften wir uns jeden Abend einen Song aussuchen, das klang einfach unfassbar schön.“
Dank an Großvaters Jukebox
Das war prägend. Zur frühen Liebe zu amerikanischen Song-Klassikern kam dann schnell der „UK-Style“, also britische Popmusik von den Beatles oder Joe Cocker. Auch sehr viel Jazz und Klassik, die im Elternhaus dominierten. Für Pop ließ sich der zwölfjährige Myle in der CD-Ecke der Ravensburger Stadtbibliothek nieder: „Ich hab’ mir dann immer ,Bravo Hits’ angehört.“ Diese Hit-an-Hit-Sammlungen mit Kary Perry/Kanye West, Rihanna, Eminem und so weiter fand er faszinierend: „Weil einem das nicht aus dem Kopf geht. Das macht mir auch jetzt noch am meisten Spaß an Musik: Damit zu spielen und zu schauen, wie bleibt etwas bei den Leuten im Ohr hängen.“ Diese Intention und die frühen Einflüsse erklären Myles Erfolgsansatz schon fast komplett: Er produziert perfekten, Radiopop. Aber mit einem eigenen Dreh und Wiedererkennungswert.
Aktuell orientiert er sich an jungen britischen Songwritern wie Dermot Kennedy oder JC-Stewart. „Ich schaue mir an, wie sie es hinkriegen, von allen Seiten ein Stück weit akzeptiert zu werden.“ Also als Künstler aufgrund musikalischer Qualität, im kommerziellen Radio – im Fall von Kennedy teilweise sogar für Club-Sound. „Das versuche ich auch.“ Ansonsten sei sein Musikgeschmack sehr wild: „Alles, was Mainstream ist, was hängen bleibt, und trotzdem eigen ist, interessiert mich.“ Das könne relative stumpfe niederländische Club-Musik sein, Dance-Geschichten aus den Staaten, Hip-Hop, Mainstream-Pop, über die Songwriterin Holly Humberstone gerät er regelrecht ins Schwärmen. Die Formel „Einwillig, aber eigen“ ist dann auch das Ziel, das er auch selbst für seine eigene Musik definiert.
Seinen für eine Popkarriere bestens geeigneten Vornamen musste er abwandeln – Milo ist englisch ausgesprochen zu nah an Milow, dem erfolgreichen Pop-Songwriter aus Belgien. „Dabei heißt er nicht mal so, sondern das ist sein Künstlername. Deshalb haben wir meinen Spitznamen genommen.“ Ursprünglich wollte seine Mutter ihn Myles nennen, heraus kam Milo, gerufen wurde er Myle. Sein bürgerlicher Nachname Hölz ist auch gar nicht so weit weg von einem Superstar: Johann Hölzel, sehr viel besser bekannt als Falco.
"Das ist unfassbar wenig"
Ein wenig desillusionierend wird das Gespräch, sobald es Richtung Zahlen geht. Seine Hits „Not Ready“, „Mutual“ und „Hold Me“ haben zwar zusammen fast acht Millionen Abrufe allein auf Spotify. Aber die Frage, ob man damit finanziell durchs Jahr kommen kann, beantwortet Myle entschieden: „Nein! Auf keinen Fall.“ Mit Streaming verdiene man nicht mal ansatzweise genug Geld – „ich glaube, 0,0001 Cent pro Stream. Das ist unfassbar wenig.“ Streaming habe aber den Vorteil, dass es ohne die Produktionskosten für physische Tonträger schnell ein Publikum erreiche.
Myle & sein Konzert am 20. Dezember
Milo Hölz wurde am 4. August 2000 in Ravensburg geboren. Der Heimatstadt seines Vaters. Die Mutter stammt aus dem Raum New York.
Nach dem Abitur 2019 ging er 2020 nach Mannheim, um an der Popakademie schwerpunktmäßig Produktion zu studieren.
2020 startete er auch mit seinem eigenen Künstlerprojekt Myle. Schon im Jahr darauf wurden die Singles „Late Night High“ und „Hold Me“ erfolgreich. Noch getoppt von „Not Ready“ und „Mutual“ im Sommer 2022.
Zuletzt erschien die Digital-EP „Sad Boy Summer“ mit sechs Songs.
Am Dienstag, 20. Dezember, 20 Uhr, spielt er im Doppelpack mit der ähnlich durchstartenden Musikern Pantha im Heidelberger Karlstorbahnhof sein bisher größtes Konzert in der Region. Abendkasse: 27 Euro. jpk
Wie positiv er denkt, wird aber sofort deutlich, wenn man über das zuletzt ausgebremste, potenziell viel lukrativere Live-Geschäft spricht: „Ich glaube nicht, dass die Pandemie hinderlich war für mich. Es ist auch schwierig mit den Hätte-sein-können-Szenarien.“ Überhaupt ermögliche das Kreativgeschäft ganz unterschiedliche Zahlungsströme: „Man hat Streaming, Live-Einnahmen, Lizenzen, Merchandising ...“ Musik zum Anfassen, sei ihm wichtig – auf der Bühne, aber auch auf physischen Tonträgern. „Die haben eine andere Wertigkeit. Und Musik ist einfach etwas wert.“ So einfach wie Myle bislang die Ohrwürmer aneinanderreiht, kann man ihn sich künftig auch gut in der Reihe der Pop-Hitlieferanten Zuckowski, Triebel etc. vorstellen.
Team aus zehn Leuten
Ihm habe die Zeit im Lockdown eher geholfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: „Musik! Ich hatte keine kleinen Termine irgendwo, nur mein Studio, meine Musik, meine Instrumente und Zeit.“ Das ist auch der Hauptvorteil, den die Popakademie vor allem Songwritern bietet – siehe die Entwicklung von Joris oder Alice Merton, deren im stillen Kämmerlein kreierte Hit-Debüts quasi Teil des Studiums in Mannheim waren. Das bestätigt auch Myle. Aber das erste Jahr der Pandemie hat er noch mit dem Aufbau seines Heimstudios in Ravensburg verbracht und beim traditionsreichen Popkurs in Hamburg, quasi dem Vorläufer der Popakademie.
Seine Hochschule sieht Myle als schönen Zwischenschritt, obwohl er bis jetzt gar nicht so viel Zeit in Mannheim verbracht hat: „Ich hatte etwas Angst davor, direkt nach Berlin zu gehen und dachte mir, in Mannheim treffe ich Leute, die in einem ähnlichen Karrierestadium sind und in derselben Branche arbeiten.“ Inzwischen besteht das Team Myle aus zehn Leuten im ähnlichen Alter – von Band über Management bis Fotografie. „Wir halten supereng zusammen“ – ein typischer Erfolg des Netzwerkgedankens, der die Popakademie prägt.
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