Am Freitag veröffentlicht Julia Nagele alias Listentojules ihre EP „Listen 2 Sessions“, die sich um Klima-Krise, Waldbrände oder Pandemie-Folgen dreht. Dementsprechend nachhaltig veröffentlicht Listentojules das Werk auch als ein sogenanntes Posterzine.
Listentojules, in Ihren neuen Liedern geht es viel um Nachhaltigkeit, Klima und Natur. Unter #plantatreesong unterstützen Sie das Eco Project Wane und damit den Schutz des indonesischen Regenwaldes. Lagen Ihnen diese Themen schon immer am Herzen?
Listentojules: Ja. Mein Vater ist Mikrobiologe und ich war immer viel mit ihm in der Natur unterwegs. Schon als Kind habe ich mich gewundert, warum Bonbons eigentlich noch mal in Plastik verpackt sein müssen. Das hat mich früh gestört. Da war eine Ungerechtigkeit in der Welt, die ich gespürt habe, ohne groß etwas dagegen tun zu können. Jetzt bin ich an dem Punkt, wo es in der Welt immer mehr brennt und es unfassbar wichtig ist, in Aktion zu treten und nicht einfach nur wahrzunehmen, dass da etwas schiefläuft.
Seit 2012 in Mannheim
- Julia „Jules“ Nagele alias listentojules wurde 1991 in München geboren. Nach dem Abitur 2010 wurde sie an der Münchner Berufsfachschule zur Leiterin der Popularmusik ausgebildet – ein in Bayern verbreiteter Abschluss, mit dem man Chöre und Ensembles leiten kann.
- 2012 ging die Sängerin nach Mannheim und studierte bis zum Bachelor-Abschluss Jazz an der Musikhochschule. Danach belegte sie den Master-Studiengang als Performing Artist an der Popakademie. 2018 erschien ihr Debütalbum „Greenbird“.
- Zu den neu erscheinenden Songs mit jeweils wechselnden musikalischen Gästen gibt es an Mannheimer Locations gedrehte Videos, die sich auf dem YouTube-Kanal von Listentojules finden.
Wie kann politische Popmusik 2021 etwas bewirken?
Listentojules: Musik hat immer die Möglichkeit, Menschen zu erreichen. Gleichzeitig haben wir als Musikerinnen und Musiker ein Sprachrohr, das wir verwenden können, um auf Dinge aufmerksam zu machen. Das zu nutzen, finde ich total wichtig. Und es ist schön, solche Dinge thematisieren zu können. Es hilft, ein Bewusstsein für Fehlentwicklungen zu schaffen - selbst, wenn es nur unterbewusst ist. Man hört ja nicht immer bewusst auf Songtexte.
Einfacher wäre es, das auf Deutsch zu tun - was auch die Popakademie ihren Studierenden lange nahegelegt hat. Warum singen Sie trotzdem auf Englisch?
Listentojules: Das wäre wahrscheinlich einfacher. Aber ich habe richtig angefangen, Songs zu schreiben, als ich für ein Jahr in den USA gelebt habe, in Albuquerque unter der Sonne von New Mexico. Dann habe ich in Mannheim Jazz studiert, bei der amerikanischen Professorin Ann Malcolm und mich weiterhin ausschließlich mit amerikanischem Repertoire beschäftigt. Außerdem höre ich privat auch nur englischsprachige Musik, ganz, ganz selten deutsche. Das ist etwas Intuitives. Mir gefällt die englische Sprache, deshalb möchte ich auf Englisch singen. Aber mir geht es nicht nur um die Wirkung, nach der Sie vorhin fragten. In allererster Linie möchte ich Musik machen, die mir gefällt. Ob das dann funktioniert oder nicht, ist der nächste Gedanke.
Ihre Texte sind schön und poetisch, bestes Beispiel ist der Song „Kaleidoscope“, den Sie für die EP „Listen 2 Sessions“ mit dem Gitarristen Kosho aufgenommen haben. Was es den Inhalten allerdings auch nicht unbedingt leichter macht.
Listentojules: Wenn ich mit der festen Absicht rangegangen wäre, einen politischen Song zu schreiben, hätte ich weniger abstrakte Bilder verwendet und klarer formuliert. Tatsächlich kommt vieles aus der Stimmung heraus: „Kaleidoscope“ beschreibt quasi eine Baumkrone, durch die Licht fällt, die Blätter bewegen sich. Mit diesem Bild vor Augen lag ich unter einem Baum und dachte mir: „Krass, noch kann ich so einen Moment genießen, wahrscheinlich geht das bald nicht mehr. Außerdem brennen auf der ganzen Welt Wälder - die Lungen der Erde.“ Der nächste Gedanke war: So sehr sich ein Kaleidoskop dreht und wendet, sich seine Teile neu sortieren - kann das unser System auch, um gegen den Klimanotstand etwas auszurichten?
Die „Listen 2 Sessions“-EP erscheint außerdem auch nicht als physischer Tonträger, sondern als nachhaltig gedrucktes Posterzine. Was ist das?
Listentojules: Es ist quasi eine Mischung aus Poster und Magazin. Auf dem Poster gibt es einen Download-Code für die Audiodateien, Lyrics und Bilder. Mir ging es darum, dass man trotzdem etwas in der Hand halten kann.
Warum? Ihre Generation lebt doch überwiegend aus Datenwolken.
Listentojules: Ich habe es geliebt, bei den Beatles das Booklet aus der CD-Hülle zu nehmen und drin rumzuwühlen, die Texte mitzulesen. Dieses Haptische vermisse ich in der Streaming-Welt. Deswegen dachte ich mir: Wir haben sowieso eine besondere Zeit, da können wir mal etwas Anderes ausprobieren.
Haben Sie sich von physischen Tonträgern komplett verabschiedet?
Listentojules: Nein. Ich hätte total Lust, mein nächstes Album auf recyceltem Vinyl zu veröffentlichen.
Sie haben jetzt ein Album und drei EPs gemacht. Folgen Sie künftig eher dem digitalen Trend zur kleinteiligen One-Track-Veröffentlichungspolitik oder machen Sie lieber durchkonzipierte Albumprojekte?
Listentojules: Im Grunde bin ich voll die Albumkünstlerin. Ich höre auch am liebsten ganze Alben. Deshalb habe ich mich lange gewehrt, viele einzelne Songs rauszubringen. Aber inzwischen finde ich auch das spannend: Ich habe jetzt einen Song, der nicht unbedingt auf ein Album passen muss. So kann man mehr experimentieren. Die Sessions auf der EP sind ja alle einzeln entstanden. Sie haben zwar den roten Faden, dass es immer ein Song von mir ist - mit einer anderen Künstlerin oder einem anderen Künstler. Aber sie klingen durch die unterschiedlichen Besetzungen ganz verschieden. Das ist eher eine Reihe, bei der jedes Lied für sich steht.
Geht es mit der Nachhaltigkeit so weit, dass sie nur auf grünen Festivals spielen würden?
Listentojules: Irgendwann sind hoffentlich alle Festivals grün.
Nach einer musikalischen Ausbildung in München, haben sie erst Jazzgesang in Mannheim studiert, dann den Master an der Popakademie gemacht. Woher kommt der Drang, sich formal so rekordverdächtig zu qualifizieren?
Listentojules: Ich fand das alles total spannend. Als ich in Mannheim war und Jazz studiert habe, war ich an der Musikhochschule immer die Singer/Songwriterin. An der Popakademie war ich dann immer die Jazz-Jules. Ich mochte das Jazzstudium total gern, aber ich wusste, dass ich nicht zu 100 Prozent die Jazzsängerin bin. Deshalb wollte ich das andere unbedingt noch kennenlernen. Gerade an der Popakademie passiert halt total viel, noch mal mit einem ganz anderen Ansatz. Das wollte ich gern noch mitnehmen.
Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Listentojules: Ich hatte ganz andere Erwartungen, aber es hat mir trotzdem enorm viel gebracht. Ich dachte, dass ich noch mehr mit dem Businessbereich zu tun hätte. Aber der Master-Studiengang Gesang ist sehr künstlerisch geprägt. Das war letztlich genauso gut. Neben dem Netzwerk hat mir die Popakademie vor allem Denkanstöße gegeben. Aber ich hatte auf der wirtschaftlichen Seite mehr erwartet.
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